BG Kritik: „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“

12. September 2018, Christian Mester

Auf der Suche nach einem gemeinsamen Bekannten legen sich Indiana Jones und sein aufmüpfiger Sohn Mutt mit russischen Geheimagenten an, die den legendären Kristallschädel suchen…

Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull (2008)
Regisseur: Steven Spielberg
Cast: Harrison Ford, Shia LaBeouf, Cate Blanchett, Karen Allen

Kritik:
Schon die Fortsetzungen 2 und 3 der berühmten Peitschenreihe hatten so einige kleinere Macken, aber nichts davon konnte das Bild der Ikone trüben, die das Trio Spielberg / Lucas / Ford damals als Filmgeschichte auf Zelluloid bannten. „Kristallschädel“ lief schon im voraus Gefahr, nach 19 Jahren Legende als erster einen schlechten Eindruck zu hinterlassen… und man kann es leider keinem übel nehmen, wenn das jetzt eintrifft. Es gibt vieles, vieles am neuen Indiana Jones zu bemängeln, aber das muss erst einmal näher analysiert werden.

Fangen wir an mit Harrison Ford. Verdammt, ist der alt geworden. Es wird im Trailer und auf Bildern vielleicht nicht so deutlich, aber in Bewegung ist der gute Dr. Jones sichtlich gealtert. Noch immer hat er das verschmitzte Grinsen eines kleinen Bengels, aber es steckt jetzt im Körper eines alten Mannes der absolut nicht verbergen kann, dass es alles im Grunde viel zu anstrengend für ihn ist. Ford gibt sich enorme Mühe den alten Zauber von Jones wieder einzufangen, aber das gelingt ihm leider nicht durchweg. Der zahme, ruhige Indy funktioniert, aber die meiste Zeit über stolpert er sich mühsam und ungeschickt durch Spielbergs Sets, dass man an jene alte Sly Zweifel denken muss.

Als Stallone vor ein paar Jahren tatsächlich einen neuen Rocky ankündigte, lachte man ihn aus, aber er legte den und auch den Rambo danach überaus überzeugend – und was viel wichtiger ist – mit Respekt hin. Der vier Jahre ältere Ford aber wirkt überfällig und ausgelaugt. Peitsche, Fedora und Jacke stehen ihm nicht mehr so wie früher, und ein wenig erscheint es wie eine Farce. Ein Rentner der ein Kostüm trägt, kein Abenteurer, der es noch einmal wissen will. Das Script hilft ihm dabei nicht, denn anstatt wie andere alte Kaliber Marke Rutger Hauer zu glänzen, fehlt es Indy dieses Mal an Intensität. Niemanden sieht man lieber verzweifelt um sein Leben kämpfen als Indiana Jones, aber Spielberg lässt ihn stattdessen Grimassen ziehen und Witze über sein Alter machen.

Verzweifelt dagegen ist Cate Blanchett, ihres Zeichens nach wohl eine der besten Schauspielerinnen ihrer Altersklasse, die hier regelrecht verschwendet wird. Als störrische Agentin für die Kommunisten versucht sie ihr bestes, aber im gesamten Film gibt es keinen einzigen Moment, in dem sie wirklich strahlen kann. Besser zuhause geblieben wäre Karen Allen als Marion Ravenwood, die 27 Jahre nach Teil eins wie ein Relikt ihrer alten Rolle wirkt. Im Ansatz ist noch das bezaubernde Grinsen von damals zu erkennen, aber da fehlt das Feuer, das Temperament, die Schlagfertigkeit. Ihr Schauspiel hat auch gelitten, denn in fast all ihren Onelinern ist sie wirklich schlecht und einfach nur überflüssig. Zu sehen wie sie mit Indiana Jones und dem ewig tüdelige Leute spielenden John Hurt (der gefühlte 197 sein muss) durch die Gegend rentnernd, ist nicht charmant und lustig wie in Space Cowboys, sondern mehr als einmal eher peinlich.

Steven versucht das zu verstecken, in dem er alle Beteiligten in immens teure Effektlandschaften wirft, die das Statement „Wir machen dieses Mal so wenig mit CGI wie möglich“ aber sehr anzweifeln lassen. Fast jede Szene ist vollgepackt mit computergenerierten Bildern. King Kong hat das hervorragend gemeistert, aber bei „Kristallschädel“ sieht man es wirklich zu gut, dass Effekte einfach nicht passen. Das fällt besonders bei Szenen ins Auge, die bei Tageslicht draußen spielen – aber dennoch in einer Halle gedreht wurden. Das gibt dem Film sehr oft einen sehr unechten Touch, der es erschwert, sich in die Geschichte hinein zu versetzen. Schaut man sich an, wie technisch grandios Filme wie Lost World, Krieg der Welten oder Minority Report sind, kann man nicht verstehen, wieso hier gerade bei Ikone Indiana Jones geschlampt wurde. Der Sound ist noch mit das beste am Film, auch wenn es etwas enttäuscht, dass die meisten Melodien und Themes nichts anderes als Neuauflagen der alten sind. John Williams Score funktioniert allerdings heute noch sehr gut und es sticht auch heraus, dass die wenigen Szenen, die die Zeit der 50er darstellen sollen, relativ gut gelungen sind.

Eine wahre und gut tuende Überraschung hingegen ist einer der größten Punkte vorheriger Skepsis: Shia LaBeouf. Der Junge aus Disturbia, Constantine und Transformers in Bikerkluft als harter Greaser, der eventuell sogar Indy’s Sohn ist und weitere Teile übernimmt – das sorgte bei Filmfans nicht ohne Grund für Grauen. Aber man kann beruhigt sein. Shia spielt seine Rolle nicht nur glaubhaft, es ist sogar so ziemlich die beste im Film. Er ist sympathisch, sehr motiviert in allen Actionszenen (bis auf eine mit Urwald-Lianen, die aber eine Beleidigung der Designer ist) und hat eine tolle, nicht zu übertriebene Chemie mit seinem Begleiter. Indiana wird er niemals ersetzen, aber mit etwas Politur und ein paar Schniegelungen mit dem Kamm könnte man ihm tatsächlich einen eigenen Film zutrauen. (Der ohnehin was ganz anderes wäre, denn Mutt ist kein Archäologe.)

Wo man dem Bärtigen jedoch danken muss – vieles in Indiana Jones IV ist sehr abgedreht und mutig. An dieser Stelle sei nichts davon verraten, aber sowohl die Eröffnungsszene, als auch der Showdown und viele Kleinigkeiten dazwischen, wie etwa das Entkommen aus einer Sandgrube, sind ziemlich originell und gerade für Spielberg sehr schräg. Als Film an sich ist er auch recht lustig, durchweg temporeich und bis auf seine Macken ganz gut gemacht. In Nebenrollen finden sich übrigens Andrew Divoff (als Soldat), der Hausmeister von Scrubs (als CIA-Agent zu Anfang) und die Bundeslade aus Teil 1, die kurz in einer Kiste zu sehen ist.

Die Story an sich ist in Ordnung, lässt aber zu keiner Minute die Faszination oder Kuriosität der ersten Teile aufkommen. Die Schatzsuche an sich ist dieses Mal reine Ausrede für Situationskomik und die Auflösung der Geheimnisses ist platt und wird gerade zum Ende hin nicht jedem gefallen. War „Jäger“ der hundert prozent motivierte Abenteurer, „Tempel“ der düstere und gleichzeitig alberne kleine Bruder und „Kreuzzug“ der etwas ältere, aber souveräne Meister, so ist „Kristallschädel“ der uralte Pensionär im Turbo-Rollstuhl, der einen guten Zivi dabei hat und bei seiner Reise nicht mehr so ganz zwischen authentischen und überbeleuchteten Strahleorten unterscheiden kann. Wer Indy liebt, der wird den Film trotzdem mögen, und auch als reiner Popcornscheffler ist er ganz in Ordnung, aber das erhoffte Second Coming of Christ ist er bei weitem nicht. Liegt gehörig hinter den Comebacks von Willis und Stallone zurück.

Fazit:
Einige unterhaltsame Sequenzen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der vierte Indy nicht mit den anderen mithalten kann. Ein okayer Film, aber eines Indiana Jones nicht würdig.

6,5 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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