BG Kritik: „James Bond 06: Im Geheimdienst ihrer Majestät“

17. September 2015, Christian Mester

Zum ersten Mal verliebt sich Bond (George Lazenby) – unsterblich in die junge Gräfin Tracy (Diana Rigg), die es ihm so sehr angetan hat, dass er nur noch den letzten Auftrag vollenden – und den Job dann für immer an den Nagel hängen will. In Österreich taucht er sodann als Stammbaumforscher im Schottenrock unter, um den noch immer aktiven Blofeld aufzuhalten…

IM GEHEIMDIENST IHRER MAJESTÄT
ON HER MAJESTY’S SECRET SERVICE (1969)
Regie: Peter Hunt
Cast: George Lazenby, Diana Rigg, Telly Savalas

Lazenby. Der Trotzkopf, der freiwillig weitere Filme ablehnte, weil er annahm, Bonds popkultureller Unterhaltungswert sei zeitlich bereits auf der Bobbahn gen Astgabelung. Inwiefern es schade ist, dass Lazenby nur einmal zum Gun Barrel Auftritt kam oder es gar göttliche Fügung sein sollte, dass die Reihe an seiner Stelle eine wilde Abzweigung nahm, wird wohl ewig diskutiert werden können. Fakt ist jedoch, dass Bond 6 mit einem erstmals anderen Darsteller auch einen (zuweilen) gänzlich anderen Film ergab.

Das manifestiert sich in der ersten Hälfte, in der der Franchise ungewohnte Wege geht. Eine Frau, kein unbekümmertes Dummchen, oder Femme Fatale wie sonst, will sich in Leid das Leben nehmen. Bond rettet sie – doch als sie sich ihm dann zum Dank anbietet, lehnt er sie zunächst ab. Bedrückte Charaktere? Abgewiesener Sex? Eine dann überraschend instrumentale, recht ernste Theme? Ein Gezeitenwechsel, der im Einstieg einen anderen Fokus aufzieht: es gibt ein paar lapidare Prügelszenen, die deplatziert wirken und nicht verschleiern können, dass hier tatsächlich mal Bonds Charakter und eine interessante, aufkeimende Beziehung im Mittelpunkt stehen. Und funktioniert, und die Action, die Gadgets, den kahlen Katzenkrauler etc. fast gar nicht missen lässt. Lazenby spielt Bond bis dahin merklich anders, eher wie Daniel Craig später: gefasst, sehr bescheiden, nicht wirklich gut gelaunt. Nur wo Craig bei Bedarf der indiskrete Vorschlaghammer wird, bleibt Lazenby der ruhige, smoothe Kerl, mehr Spion als Rambo.

Den Karren wieder in die Kurve schlagend ist dann jedoch die zweite Hälfte, in der Bond lange strikt von seiner Tracy getrennt bleibt und einen gefühlt völlig anderen Film betritt. Als Dandy findet er sich alsbald im Schottenrock auf Blofelds Bergbasis wieder, in der er von einem Harem einfältiger Girls umgeben ist, die ihn selbstverständlich alle für dufte und dringend zu begatten halten. Lazenby moored plötzlich, indem er seinen Auftrag im Stich lässt und sich lieber durch Laken als durch stichfeste Beweismaterialien wälzt. Das geht nicht lange gut, und so kommt es zu einer recht ausschweifenden Verfolgungsjagd, in der Bond erst Skier, dann Auto, dann Bob fährt (wobei zwischendurch noch Zeit für einen Quickie mit der angereisten holden sein muss) – und das ist dann auch die Hälfte, in der die ziemlichen Stärken des Einstiegs fast wieder verspielt werden. So gut Lazenby den adretten Sir von und zu spielen kann, so wenig passen die vielen chauvinistischen Oneliner zu ihm, ebenso wenig das notgeile Verhalten, alles angraben zu müssen. Als Kämpfer ist er weniger zaghaft, doch auch die diversen Kampfszenen und Stunts wollen ihm nicht so wirklich liegen – obgleich man es ihm schon leicht macht, in dem Bond die meiste Zeit über flieht oder in Actionszenen maskiert ist, damit er leichter gedoubelt werden kann. Besonders stümprig erscheint eine Klettersequenz an einem Gondelseil, die zwar realistisch, aber großmütterlich daher kommt. Bond 6 versucht seine Doppelnull zu sehr als echten Mann mit näherem Greifsgrad zu positionieren, doch der Superagent verkauft sich unter Wert, bleibt zu unaufregend. Fürchterlicher: es gibt zahlreiche Back-Projektionsszenen, in denen Bond oder Blofeld nur wackelnd vor einer Leinwand stehen und so tun, als würden sie Ski fahren, während ihnen jemand Reis ins Gesicht streusselt. Das gab es in den Connerys auch, wenn dann aber meist klassisch in Autoverfolgungsjagden, wo es nicht so dermaßen störend auffiel – hier unfreiwillig komisch.

Neuer Bond, neuer Blofeld Darsteller, diesmal Telly „Kojak“ Savalas… der leider daneben griff. Sein Blofeld ist zwar der erste, der sich auch mutig mit ins Gefecht stürzt und versucht, Bond direkt im Kampf zu besiegen, doch abseits der Verfolgungsjagd bleibt er ein schnalzender Onkel, der dem langweiligen Bondharem vorliest, einen öden Plan hat und Grimm höchstens durch seine Handlangerin streut: eine rüstige Rentnerin, die… nur das bleibt. Dass das eine Bondgirl in diesem Fall spitze ist – „Emma Peel“ Diana Rigg – wird verzahnt, da sie über den gesamten Mittelteil abhanden kommt. Wie sehr sie fehlt, wird dann spürbar, als Bond endlich wieder mit ihr vereint ist. Die gesamte Coda des Films ist sehr gelungen (toll: Lois Maxwells kurze Momente als resonierende Moneypenny) und wagt generell ein mutiges Ende. Gadgets, sogar Fights liegen Lazenby weniger, dafür steht ihm das elegante umso mehr. Dahingehend interessant: reiheneinmalig sollte auch Regisseur Peter Hunt bleiben, der Lazenby’s Art sehr entgegenspielt und den Film bildlich, als auch musikalisch stilvoll und getragen ausfallen lässt, mit einem Händchen, das einen Diamantenfieber nahezu trashig wirken lässt.

Fazit:
Wäre der Mittelteil so löblich wie Beginn und Coda, hätte man Bond 6 wohl einen der besten der Reihe nennen können. Die ernsten Schuhe passen Neubond Lazenby, doch der Spagat hin, auch ein unterhaltsamer Kurzweilactionspaß sein zu wollen, will nicht so wirklich passen. Dennoch, kein großer Fehltritt, nur nicht der erhoffte Aufstieg.

6,5 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

Um an dieser Diskussion teilzunehmen, registriere dich bitte im Forum:
Zur Registrierung