BG Kritik: „Tricks – Matchstick Men“ (Treasure Monday)

3. Juli 2020, Christian Westhus

Unterschätzte Krimi-Dramädie mit Nicolas Cage: Trickbetrüger Roy Waller (Cage) ist ein von Zwangsneurosen und Hygienefimmeln geplagter Mann, der seinen illegalen Job jedoch ausgezeichnet beherrscht. Sein Leben wird auf den Kopf gestellt, als er über seinen Therapeuten von seiner jugendlichen Tochter erfährt, von der er nichts wusste. Wenig später steht Angela (Alison Lohman) auf der Matte und der quirlige Teen kriegt bald Wind von Daddys Machenschaften und will mitmachen.

Tricks
(Originaltitel: Matchstick Men | USA 2003)
Regie: Ridley Scott
Darsteller: Nicolas Cage, Alison Lohman, Sam Rockwell
Kinostart Deutschland: 18. September 2003

(Diese Kritik erschien im Rahmen der Kritikenreihe Treasure Monday, ursprünglich veröffentlicht im Dezember 2014.)

Das komödiantische Drama ist ein Sonderling im Schaffen von „Alien“, „Blade Runner“ und „Gladiator“ Regisseur Ridley Scott. Es ist aber auch einer seiner besseren Filme.

Ridley Scott hatte zwischen 2000 und 2001 das oscarprämierte Historienepos „Gladiator“, den „Schweigen der Lämmer“ Nachfolger „Hannibal“ und den Kriegsactionfilm „Black Hawk Down“ in die Kinos gebracht. Damals schon über 60, wollte Scott nach diesem gewaltigen Dreifachschlag wohl einfach mal ne ruhigere Kugel schieben. Doch der arbeitswütige Brite legt sich selten ganz auf die faule Haut, sondern dreht einfach mal Filme, die zwei, drei Nummern kleiner sind. In Scotts schwer unter einen Hut zu bringendem Oeuvre gibt es nicht viel, was erahnen lässt, was ihn an dieser Geschichte eines Trickbetrügers reizte, der durch eine plötzlich in sein Leben tretende Tochter seine aus Kriminalität und Phobien errichteten Mauern einreißen lässt. „Tricks“ ist nicht mal visuell – sonst Scotts Hauptgebiet – besonders auffällig.

In sonnenblassen Bildern folgt Scott mit der Kamera Betrüger Roy Waller durch Los Angeles, vom Büro in seiner Designerwohnung und zu möglichen Klienten, das heißt Opfern. Scott stellt sich ganz in den Dienst des Drehbuchs und der Darsteller, was dieser trickreichen und unterhaltsamen Geschichte gut zu Gesicht steht. Wenn er nicht gerade mit seinem deutlich entspannteren Partner Frank Mercer (Sam Rockwell) krumme Dinger dreht, bei der er selbstbewusst in diverse Rollen schlüpft und die Naivität anderer Menschen ausnutzt, ist Roy Waller Opfer seiner inneren Ängste. Sein Apartment wirkt klinisch, wie aus dem Katalog. Kein Haar darf auf dem Boden, kein Staubkorn auf Schränken liegen. Türen und Schlösser öffnet und schließt Waller zur Kontrolle zwanghaft dreifach und das Tageslicht, in Verbindung mit dem großen öffentlichen Raum namens Außenwelt, macht ihm auch zu schaffen. Man kann sich vorstellen, was Teenagertochter Angela bei Roy auslöst, als sie mit Skateboard und kaugummikauend in sein Leben stürzt.

© Warner Bros.

Cage, dessen mittlerweile legendäre Grimassen hier trotz „kranker“ Rolle auf ein erträgliches Minimum reduziert sind, spielt eine seiner besten Rollen und ist ein wunderbarer Gegenpart zu „Tochter“ Alison Lohman, die der heimliche Star des Films ist. Die alte Beziehung, aus der Angela hervorging, hat Roy nie losgelassen und eine Ahnung, die vielleicht auch ein Wunsch sein könnte, lässt ihn bei seinem Therapeuten Überlegungen anstellen, was aus seiner damals schwangeren Partnerin wurde. Was zunächst kitschig klingt, wird durch Lohmans quirlige Spielfreude und das unterhaltsame Drehbuch entkräftet. Die Annäherung zwischen Vater und Tochter nimmt eine Abbiegung ins Kriminelle, denn Töchterlein will es ihrem Erzeuger gleichtun und sich an Betrügereien versuchen. Roy wäre ein schlechter Vater, meint er, würde er ihr diesen Wunsch abschlagen, aber auch, würde er versäumen, ihr ein Grundverständnis von Moral mitzugeben.

Natürlich geht es bald an den zentralen Coup, den Roy und sein Kollege von langer Hand geplant haben und der finanziell enorm lukrativ sein könnte. Doch auf dem Weg dorthin haben sich für Roy die sonst so rigide verschlossenen Türen geöffnet, da er sich emotional geöffnet hat. Er ist auf dem Weg, ein anderer Mensch zu werden. Das hat natürlich nicht nur positive Auswirkungen auf sein Leben. Der unterhaltsame Film wagt sich im letzten Akt auf weniger abgesichertes Terrain, wenn sich die Vorzeichen ändern. Viele Zuschauer konnten damit nicht viel anfangen, doch das Finale und insbesondere der Epilog machen „Tricks“ erst zu einem Film, der besonders und mehr als nur „nett und unterhaltsam“ ist. Wie der Sieg oder die Niederlage am Ende auf unsere Hauptfigur wirkt hat dann doch, wenn man denn danach sucht, vage Ähnlichkeiten mit Ridley Scotts sonstigen Helden wie Rick Deckard, Maximus oder Clarice Starling.

Fazit:
Wunderbar unterhaltsame Dramödie mit lockerem Krimi-Flair, die durch einen gelungenen Schlussakt noch an Bedeutung und Wirkung gewinnt. Toll gespielt und zurückhaltend inszeniert von Ridley Scott, sonst der Mann für die ganz großen Bilder.

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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