BG Kritik: „A Most Violent Year“

24. März 2019, Christian Westhus

Ein Thriller-Drama mit spannender Besetzung: New York 1981. Abel Morales (Oscar Isaac) ist ein Einwanderer. Mit semi-legalen Mitteln versucht er ein Öl-Logistik-Unternehmen aufzubauen. Doch die Steuerfahndung sitzt ihm im Nacken und Unbekannte überfallen regelmäßig seine Trucks. Abel muss sich wehren, sonst platzt der enorm wichtige Deal zum Erwerb eines großen Areals. Dabei hilft seine Frau Anna (Jessica Chastain).

A Most Violent Year
(USA 2014)
Regie: J.C. Chandor
Darsteller: Oscar Isaac, Jessica Chastain, David Oyelowo
Kinostart Deutschland: 19. März 2015

(Diese Kritik erschien ursprünglich zum Kinostart des Films im März 2015.)

New York, New York. If I can make it there, I can make it anywhere.

New York ist, von der Filmwelt Los Angeles abgesehen, die Stadt, die den viel zitierten und mittlerweile kaum noch konkret zu definierenden Amerikanischen Traum repräsentiert wie keine andere. Millionen Menschen strömen in den Big Apple, um im mal kleinen, mal großen Maßstab ihre Ziele von Glück, Erfolg, Reichtum und Luxus zu erreichen. So auch Abel Morales, die angespannt zielstrebige Hauptfigur in J.C. Chandors Film „A Most Violent Year“. Morales ist vor einigen Jahren ins Öl-Geschäft eingestiegen, weiß sich zu verkaufen, weiß sich durchzusetzen, und steht kurz davor, eine große Lagerstätte zu kaufen, die seine Öl Transportfirma zum größten Fisch im Öl Becken New Yorks machen würde. Doch gerade jetzt häufen sich die Probleme für Morales, der auf seinem Weg nach oben ein paar Tricks in der von seiner Frau Anna (Jessica Chastain) geführten Buchhaltung nutzte, aber immer wieder betont, kein Krimineller, kein Gangster sein zu wollen. Als seine Truckfahrer nach wiederholten Überfällen um ihre Sicherheit bangen und Waffen tragen wollen, ist Morales strikt dagegen.

Chandor, der auch das Drehbuch schrieb, wurde mit dem Börsencrash-Thriller „Margin Call“ bekannt. „A Most Violent Year“ hat mindestens ebenso viel Interesse an den undurchdringlichen, quasi-korrupten „Eine Hand wäscht die andere“ Wirtschaftsangelegenheiten des Öl-Milieus, wie an den kühl unterspielten Gangsterelementen der unbekannten Angreifer. Mit einem Titel wie „A Most Violent Year“ weckt man natürlich Erwartungen. Erwartungen, die der Film nicht halten kann und auch nicht will, nimmt man das „violent“ im Titel wörtlich. Chandor entwickelt New York im Jahre 1981 zu einem unauffällig, aber stets bedrohlich brodelnden Brennpunkt. Morales und seine Familie werden bald persönlich konfrontiert. Die Behörden, angeführt von Staatsanwalt Lawrence (David Oyelowo), forschen in Morales‘ Büchern, seine Frau fordert ihn zum Handeln auf und welchen seiner Kollegen und Geldgeber er trauen kann, wird für Morales immer undurchsichtiger.

© Universum Film / Leonine

1981 war tatsächlich ein besonderes Jahr für New York City. 1980 endete mit der Ermordung John Lennons, und das folgende Jahr wurde mit 2166 Morden, 250.00 Einbrüchen und einem bis heute unerreichten Höchstwert von 120.000 Überfällen* zu einem besonders schwierigen Jahr in der Geschichte der ruhelosen Weltmetropole. Chandors Film drückt uns diese Informationen nicht auf. Sie sind nicht einmal über Texttafeln im Film enthalten. Doch der famos ausgestattete Film und die so präzise, wie stilisierte Kameraarbeit von Bradford Young tauchen New York City in ein Licht der Unsicherheit, der Unruhe und Gefahr. Die Stadt ist ein Haifischbecken derer, die um die Vorherrschaft im Finanzkampf zwischen Öl, Immobilien und persönlicher Sicherheit mitspielen.

Chandor verzichtet häufig darauf, die reale Gewalt des Haifischbeckens darzustellen. Er folgt einem spürbar unter Spannung und Zugzwang stehenden Oscar Isaac, wie er versucht die ihm entwischenden Früchte seiner Arbeit zusammenzuhalten, seinen Kopf zu bewahren und die Schuldigen zu finden. Besonders faszinierend gerät dabei die Beziehung zwischen Morales und seiner Frau. Chastains Anna Morales wirkt zwischenzeitlich wie eine Lady MacBeth, wie die gereizte Mutter, die ihren zögernden Mann zu entschlosseneren Gegenmaßnahmen anstachelt, um Ehe, Kinder, Haus und Firma zu retten. Ohne die großartig fiebrig und angespannt mit- und gegeneinander spielenden Isaac und Chastain wäre Chandors kühl und leicht distanziert beobachtender Film womöglich etwas zu introvertiert. So, wie er nu ist, fasziniert „A Most Violent Year“ aber auf mehreren Ebenen.

Fazit:
Unaufgeregt und doch spannend. Chandors klug inszenierter Film über Wirtschaft, Kriminalität und den Amerikanischen Traum fasziniert inhaltlich und lebt durch starke Darbietungen von Oscar Isaac und Jessica Chastain.

7,5/10

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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