BG Kritik: „Wonder Woman 1984“

10. März 2021, Christian Westhus

Die x-fach verschobene und nun endlich (leider nicht im Kino) erschienene Fortsetzung zu einem der bisher besten DCEU-Filme: rund 70 Jahre nach den Geschehnissen von Teil 1 geht Diana alias Wonder Woman (Gal Gadot) ihrem Alltag nach, taucht gelegentlich auch mal als Heldin auf. Dann wird ein magischer Kristall gefunden, dessen Kräfte die Realität auf den Kopf stellen könnten. Die tollpatschige Wissenschaftlerin Barbara Minerva (Kristen Wiig) ist vom Kristall angezogen, wie auch Geschäftsmann Maxwell Lord (Pedro Pascal). Und kurz darauf taucht wie durch ein Wunder Steve Trevor (Chris Pine) wieder auf.

Wonder Woman 1984
(USA, UK, Spanien 2020)
Regie: Patty Jenkins
Darsteller: Gal Gadot, Chris Pine, Kristen Wiig, Pedro Pascal
Veröffentlichung Deutschland: 18. Februar 2021 (Internet)

Haben die Superhelden-Verantwortlichen bei Warner schlicht das Pech an den Hacken kleben oder sind die Probleme hausgemacht? „Wonder Woman 1984“ ist – um direkt mit der Tür ins Haus zu fallen – eine große und in dieser Form unerwartete Enttäuschung. Der Film ist keine quasi-unguckbare Katastrophe wie „Suicide Squad“ oder die „Justice League“ Kinofassung, zwei Filme, denen man die unsaubere Produktionsgeschichte anmerkte. WW84 ist ein qualitativer Absturz der doppelt schmerzt, ist er nicht nur schwer zu erklären, sondern eben auch die Fortsetzung eines der wenigen Glanzlichter der Superheldenreihe bei Warner, die einst als DCEU bezeichnet wurde. „Wonder Woman“ war 2017 kein Meisterwerk, insbesondere durch ein störend-schwammiges Ende ein wenig angekratzt, besaß aber Höhepunkte, die man auch bei der Konkurrenz nur selten findet.

Patty Jenkins brachte der erste Film ins große Rampenlicht und mittlerweile zu Disney und Star Wars. Sie kämpfe stark für einen zweiten Teil nach ihren Vorstellungen und für eine angemessene Bezahlung. Zu Recht. Offenbar konnte sie sich durchsetzen, denn wurde „Wonder Woman“ noch von Allan Heinberg geschrieben, mit Story-Input von Jason Fuchs und Zack Snyder, darf Jenkins in WW84 gemeinsam mit Kollegen Geoff Johns und Dave Callaham auch ans Drehbuch. Der vielfach verschobene Kinostart und insbesondere Warners Umgang mit ihrem Filmangebot zu Corona-Zeiten sorgten für Unruhe, doch am eigentlichen Film sollten diese Dinge keinen Einfluss haben. Jenkins und Star Gal Gadot, die inzwischen zur Koproduzentin aufgestiegen war, konnten aus dem Vollen schöpfen. Selbst die Verbindlichkeiten zum größeren DCEU-Kontext wurden, so konnte man jedenfalls meinen, gekappt. Ehe nicht mit dem großen Multiversumsbesen einmal groß saubergemacht wird, bleibt das DC-Filmuniversum ein verwirrendes Chaos. Doch schon Wonder Womans aktive Helden-Präsenz im Jahre 1984 befreit sie augenscheinlich von allen narrativen Zwängen, die ihr nicht zuletzt durch Strippenzieher Zack Snyder auferlegt wurden.

© Warner Bros.

Doch schon bei der historischen Verortung geht es los mit den Problemen. Jenkins, Johns und Callaham finden keinen wirklichen Grund, warum wir uns in den 1980ern befinden. Natürlich finden sich hier und dort kleinere und größere Verweise auf die Comic-Geschichte Dianas, doch echte Auswirkungen auf Handlung und Figuren sucht man darin vergebens. Die große Popkultur Nostalgie-Maschinerie ist zwar inzwischen längst in den 90ern angelangt, doch ein audiovisueller 80er Flair stand ja auch einem „Thor Ragnarök“ ziemlich gut. Nur spart WW84 beim Flair kräftig. Ein paar modische Details, die insbesondere Kristen Wiig als Barbara Minerva betreffen, ein paar auffällige Frisuren und vorsichtige Kulturreferenzen, doch von echter Stil- und Spielfreude keine Spur, was auch für New Orders „Blue Monday“ gilt. Schlimmer noch: die 1980er werden auch inhaltlich schwach genutzt. Die Reagan-Jahre mit ihrem Trickle-Down Gordon-Gekko Turbokapitalismus oder die letzten Jahre des noch immer brandheißen Kalten Krieges werden fade bis vage angerissen und doch größtenteils ignoriert.

Es gibt keinen Grund, warum wir Diana ins Jahr 1984 folgen. WW84 agiert damit eher auf dem Niveau der späteren X-Men Fortsetzungen, insbesondere „Apocalypse“ und „Dark Phoenix“, die grundlos Dekaden-Hopping betrieben. So befreiend es in der Theorie ist, dass Wonder Woman offenbar auf den ganz großen DCEU-Kontext pfeifen darf, so lässt die müde historische Spielerei dieser Fortsetzung eher den Wunsch aufkommen, man würde der (wie auch immer) gefestigten Post-SnyderCut Diana ein simples Solo-Abenteuer verpassen. Verschenktes stilistisches und thematisches Potential gehört am Ende noch zu den kleineren Problemen dieses Films. Steve Trevor (Chris Pine) kehrt zurück. Durch einen magischen MacGuffin wird Steve vor seinem tödlichen Schicksal aus Teil 1 gerettet und knapp 70 Jahre in die Zukunft katapultiert. Damit es so richtig kompliziert und dramatisch wird, hat Steves Rückkehr noch mindestens einen weiteren ethischen Haken, der – immerhin – zu einer zentralen emotionalen Herausforderung für Diana wird. Und dennoch kommt man nicht umher, die ganze Sache als halbgar und inkonsequent zu verbuchen. Dianas 70 Jahre Einsamkeit sind keine tragisch-romantische Geste, sondern untergraben Heldin und Frau vielmehr.

© Warner Bros.

Diese Inkonsequenz hat in WW84 derart großen Einfluss, man könnte sie glatt für den springenden Punkt halten. Auch Barbara Minerva alias Cheetah ist davon betroffen. Auf dem Papier klingt es wie simpel-effektive Comic-Logik, wenn eine über Jahre hinweg klein geredete Underdog-Figur plötzlich Kräfte in Analogie zur Heldenfigur erhält und im Umgang mit den neuen Fähigkeiten entscheidende Unterschiede offenbart. Die Ansätze sind da und dann auch schon wieder vergessen und verloren im größeren Plot, der nicht nur Steve, sondern auch Maxwell Lord (Pedro Pascal) behandelt. Denn Lord ist derjenige, der entscheidend Einfluss auf das große magische Comic-Dingsbums™ dieser Geschichte ausübt. Ein schnöder Kristall mit derart absurd-undefinierter Macht, dass dem Film die eigene Unlogik im exzessiven Finale aus jeder Pore rinnt. Die immense Tragweite dieser Vorgänge scheint dem Film weder bewusst noch relevant, wird vielmehr auf eine simple Grußkartenbotschaft heruntergebrochen, die man selbst bei Marvel nur mit Augenzwinkern vortragen würde.

Zweieinhalb Stunden Spielzeit stehen WW84 zur Verfügung, mit der finalen Erkenntnis, dass das Script theoretisch reizvolle Anreize bietet, aber noch zwei, drei Überarbeitungsphasen benötigt, um diese wirklich herauszustellen. Eigentlich aber brauchen diese Helden-Klopper doch nur Spaß zu machen. Wenn sie etwas Signifikantes zu erzählen haben, ist dies ein willkommenes Extra. Und mit Teil 1 hat Patty Jenkins bewiesen, dass sie erstklassige Actionszenen drehen kann, die nicht nur Tempo, Wucht und Größe bieten, sondern in einigen Momenten auch echte emotionale Finesse versprühen. Quasi nichts davon ist in WW84 zu spüren. Das sportliche Intro auf Themyscira wirkt deplatziert, ein mittelgroßes Verfolgungsjagd-Gefecht über eine Wüstenstraße ist marginal unterhaltsam, der Ritt auf dem Blitz ein gutes Bild und die güldene Rüstung ein fescher Anblick, ehe das Finale mehr durch unfreiwillige Komik denn durch wuchtige oder gar zielgerichtete Action überzeugt. Wirklich zu erklären ist der qualitative Niedergang damit noch immer nicht. Bleibt nur die Hoffnung, dass wir es hier mit einer Ausnahme zu tun hatten, denn über einen dritten WW-Film wird natürlich schon gesprochen.

Fazit:
Enttäuschende Fortsetzung des gelungenen ersten Films. Weder inhaltlich, noch stilistisch und auch nicht als Actionfilm kann WW84 wirklich überzeugen, bleibt hinter den Erwartungen zurück.

4,5/10

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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