BG Kritik: „The Loved Ones“

18. Juli 2018, Christian Westhus

Fieser Horror-Geheimtipp aus Australien: Wenige Monate nach dem Unfalltod seines Vaters steht für Brent (Xavier Samuel) ein Abschlussball in der Schule an. Er plant, mit seiner Freundin Holly zu gehen und muss der schüchternen Lola (Robin McLeavy) absagen, als sie ihn fragt, ob er sie zum Ball begleiten will. Doch Lola hat einen perfiden Plan, wie sie ihren Traum vom romantischen Ball verwirklichen kann.

The Loved Ones
(Australien 2009)
Regie: Sean Byrne
Darsteller: Xavier Samuel, Robin McLeavy, Victoria Thaine, Jessica McNamee, Richard Wilson, John Brumpton
Veröffentlichung Deutschland: 25. Februar 2011 (DVD/BD)

(Diese Kritik erschien im Rahmen der Kritikenreihe Treasure Monday, ursprünglich veröffentlicht im Oktober 2014.)

Australiens „Prom Night“. Nur in gut. Und eigentlich ganz anders.

Australien sagt man häufig halb scherzhaft, halb angsterfüllt nach, das tödlichste Fleckchen Land dieses Planeten zu sein. Alles in Australien ist überdimensioniert, hyperaggressiv und insbesondere giftig. Australien ist, als gigantische und überwiegend unbewohnbare Insel vom Rest der Welt abgeschnitten, dafür entworfen, sehr, sehr tödlich zu sein. Das greift auch das australische Kino bei Ausflügen ins Horrorgenre auf, nur auf gänzlich andere Weise. In Filmen wie „Wolf Creek“, dessen Fortsetzung und nun „The Loved Ones“ sind es die Menschen, die todbringende Monster sind. In einem Land mit viel rauer Natur und zu viel Platz, um darin ungehindert die absonderlichsten Dinge zu tun, greift das australische Horrorkino die „Backwoods Horror“ Klischees des US-Kinos auf und verpflanzt sie auf heimischem Boden.

„The Loved Ones“ ist wie das australische „Texas Chainsaw Massacre“ der Post-„Saw“ Ära. Wenn Lola mithilfe ihres unheimlich (sprich gruselig) hilfsbereiten Daddys den nichtsahnenden Brent schnappt, um vor heimischer Kulisse einen ganz privaten Schulball abzuhalten, bewegt sich der Film ohne mit der Wimper zu zucken in garstiges Folter-Terrain vor. Mit vereinzelt blutigen, aber in erster Linie schlicht äußerst fiesen Einfällen lässt „The Loved Ones“ effektiver mitleiden als die meisten „Saw“ Fortsetzungen mit ihrem zuweilen überdrehten Splatter-Anteil. Ein Film, bei dem man eifrig mitzuckt und sich im Sitz herumwindet, wenn unser Opfer rabiat die Stimme genommen wird, er vom Weglaufen gehindert werden soll und Lola schließlich zur Bohrmaschine greift.

© Cargo Records

Immer wenn das Gefühl aufkommt, der Film verliere sich in seinen sadistischen Grausamkeiten, erhält die Handlung einen neuen Impuls oder wir schauen mal wieder bei der gänzlich gewaltlosen Nebenhandlung vorbei, die auf den ersten Blick wirkt, als gehörte sie in einen völlig anderen Film. Dort beobachten wir Brents Kumpel Jamie, wie er die so unnahbare Goth-Schönheit Mia zum Ball fährt, ehe Mia aufgrund nicht bewältigter Traumata beschließt, die Party lieber in Jamies Auto abzuhalten. So entsteht eine faszinierende Parallele zwischen den Freunden, die – ob gewollt oder ungewollt – eine besondere Party im kleinen Rahmen abhalten und von den Launen ihrer weiblichen Begleiter abhängig sind. Für ein weiteres Detail, welches eine Figur mit dem garstigen Treiben bei Lola in Verbindung setzt, muss man schon genau hinhören und hinsehen, um es nicht zu verpassen.

Dass manche dieser Ansätze (z.B. das geteilte Trauma zweier Figuren) und Subplots am Ende nicht ganz konsequent durchgezogen werden, ist ein erwähnenswerter Schwachpunkt. Faszinierend und für ein schmerzresistentes Publikum unterhaltsam bleibt „The Loved Ones“ dennoch. Das ist einerseits der kompromisslosen und teilweise grell schwarzhumorigen Inszenierung zu verdanken, wie auch Darstellerin Robin McLeavy als Lola. Das kleine Prinzesschen im rosa Kleid hat ganz genaue Vorstellungen von ihrer Zukunft, von ihrem Traummann und vom beinahe schon mythologisch romantischen Abschlussball. Mit Puppen und ausgeschnittenen Bildern aus Jugend- und Modemagazinen hat Lola ihre verquere pinke Traumwelt geschaffen, in der der ausgewählte junge Mann unbedingt passen muss, will er nicht wie Lolas Verflossenen enden. Dass Brent einer anderen Frau „gehört“ interessiert Lola nicht. McLeavy ist großartig in der Rolle, die auch ganz leicht noch wesentlich schriller und oberflächlicher hätte ausfallen können. Sie hält Lola in einem extrem unterhaltsamen Hin und Her aus psychopathischer Sadistin und dem verwöhnten, medial verwirrten kleinen Mädchen, das nicht weiß, wie sie die Dinge erreicht, die Mädchen in ihrem Alter eigentlich erreichen sollten. Der Einfluss ihres Vaters und das vage angedeutete Schicksal der Mutter, sollte sie das überhaupt sein, erweitern Lola zu einer der faszinierendsten Schurkenpersönlichkeiten im Horrorfilm des 21. Jahrhunderts.

Fazit:
Garstig böse und brutal, aber mit Ironie inszeniert und im Ansatz mit einigen klugen Ideen. Ein spannender und nervenaufreibender Schocker mit einer großartigen Hauptfigur auf der Seite der Gegenspieler.

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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