BG Kritik: „Die Stunde, wenn Dracula kommt“ (Treasure Monday)

23. Juli 2019, Christian Westhus

Mehr Hexen und Dämonen als Vampire, aber dennoch eine Horrorklassiker: Mitte des 17. Jahrhunderts: Eine Hexe, die mit den Mächten des Satans Unheil über das Land gebracht hat, wird von einem Strafgericht verurteilt und getötet. 200 Jahre später entdecken zwei Ärzte das Grab der Hexe und ermöglichen ihr die Rückkehr und grausame Rache.

Die Stunde, wenn Dracula kommt
(Originaltitel: La Maschera del Demonio | Italien 1960)
(auch bekannt als: „Black Sunday“, „The Mask of Satan“)
Regie: Mario Bava
Darsteller: Barbara Steele, John Richardson, Andrea Checchi, Ivo Garrani
Kinostart Deutschland: 29. September 1961

(Diese Kritik erschien im Rahmen der Kritikenreihe Treasure Monday, ursprünglich veröffentlicht im Oktober 2015.)

Ein junger Vorfahr des Giallos.

Mario Bava ist neben Dario Argento gleichermaßen Urvater und bekanntester Vertreter des Giallo, eines überwiegend stilistisch geprägten Untergenres des Horrors in Italien, in dem sexualisierte Mörder und ritualisierte Gewalt Grundzutaten waren. Bava war zuvor vielseitig einsetzbar hinter den Kulissen, arbeitete insbesondere für Galatea Film und drehte für einflussreiche Meister wie Jacques Tourneur. Als dieser für „La Maschera del Demonio“ (Die Maske des Dämons, Originaltitel) absprang, durfte Mario Bava sein Langfilmdebüt als Regisseur angehen und servierte einen kleinen Klassiker des Genres.

Irgendwo zwischen Hammer Horror, Okkult-Fantasy und dem, was für die nächsten drei Jahrzehnte das italienische Genrekino dominieren würde, dankte Bava dem Vertrauen der Produktionsfirma mit unerwarteter Qualität. Der Einstieg hat bis heute nichts von seinem Reiz verloren, wenn wir Mitte des 17. Jahrhunderts der rituellen Verurteilung und Ermordung von Prinzessin Asa Vajda, einer vermeintlichen Hexe, beiwohnen. Dorfbewohner mit Fackeln, geistliche, die das „gerechte“ Strafwort Gottes sprechen, die gleichermaßen unschuldige und doch verrucht ins Bild gerückte Frau, gefesselt an einem Pfahl; das sind die Zutaten des Prologs, ehe der Hexe die so genannte Satansmaske als Bestrafung bis über den Tod hinaus aufgesetzt, nein, aufgehämmert wird.

© Koch Media

Diesen Stil sollte Bava auch im Hauptteil beibehalten; das schier endlos tiefe Schwarz, das in jeder Ecke lauert und sich als unheilvoller Schatten über alte Gemäuer, Gräber und urige Wälder ausbreitet. Es ist eine Demonstration in visueller Inszenierungsfreude und Atmosphäre, wie die von Bava selbst geführte Kamera die Klischees und Erwartungen des damals zeitgenössischen Horrorfilms aufgreift, intensiviert und erweitert. Von einem kurzen Scharmützel mit einer auffällig pappigen Fledermaus, sowie den holprigen Dialogen der jeweiligen Synchronregie abgesehen, ist es ein Freudenfest des atmosphärischen Horrorfilms. Bava ist immer dann am besten, wenn gesprochene Worte an Wichtigkeit verlieren und stattdessen die beeindruckenden Sets, Licht, Schatten, Nebel und satanisch-morbide Objekte die Szenerie beherrschen.

Die eigentliche Handlung, inspiriert von einer thematisch reicheren und eher Romantischen Geschichte Nikolai Gogols, ist das erwartete Hin und Her aus satanischem Heckmeck, Wiederauferstehungsbemühungen und einer steten „Die Macht Jesu Christi bezwingt dich“ Aura. Ein Tropfen Blut erweckt die Hexe, der die blutjunge Barbara Steele in einem ihrer ersten Filme ihr markant-expressives Gesicht leiht. Zweihundert Jahre nach ihrer Ermordung sinnt die Frau im Bund mit Satan auf Rache, auf eine Zurückgewinnung ihrer Macht durch die Übernahme eines neuen, jungen Körpers. Nanu, fragt man sich da als deutscher Zuschauer, der seit einer Stunde auf Vampire wartet. Von Dracula zu sprechen, wie es Synchro und Titel versuchen, ist Blödsinn, doch gewisse vampirische Tendenzen, mit denen die dunklen Mächte im verwinkelten und als Horrorkulisse perfekt eingefangenen Schloss einer russischen Adelsfamilie walten, lassen zumindest vage erkennen, von wo der unpassende deutsche Titel entsprungen ist. Am Unterhaltungswert dieses Quasi-Klassikers tut das keinen Abbruch.

Fazit:
Atmosphärisch dichter und visuell prächtiger Horrorfilm, der aus seinem so simplen wie trashigen Handlungskonzept alles rausholt.

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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