BG Kritik: „Suicide Squad“ (Extended Cut)

15. August 2016, Christian Mester

Um einen schwerwiegenden Fehler zu korrigieren, zwingt Agentin Amanda Waller eine Gruppe von Kriminellen, darunter Jokers Freundin Harley, sich einer übernatürlichen Gefahr entgegen zu stellen. Mit Baseballschläger, Bierdose und blauen Flecken von Batman heißt’s also, die Welt zu retten.

Suicide Squad (US 2016)
Regisseur: David Ayer
Cast: Margot Robbie, Will Smith, Jared Leto, Viola Davis

Kritik:
Tja, dass Batman vs. Superman (Ultimate Edition BG Kritik) im Kino polarisieren würde, stand schon fest, als das Projekt angekündigt wurde. Es schien offensichtlich, dass man im Hause DC abkürzen und ohne Vorarbeit direkt zum Avengers Box Office wollte. Also gab‘s schon im Man of Steel Nachfolger, in dem Supes von Fanliebling Batman verdrängt wurde, gleich drei Helden auf einmal zu sehen und weitere angedeutet. Suicide Squad weitet das weiter aus. Anstatt erst eine separate typische Batman Geschichte mit ihm als Helden und zwei oder drei Gegnern zu erzählen, klatscht man mit dem Joker, Harley Quinn, Deadshot, Amanda Waller, Enchantress, Killer Croc, Diablo, Captain Boomerang, Katana, Rick Flag und Slipknot gleich elf Batman Antagonisten auf einmal auf die Leinwand.

Würde der Film denn trotz minimaler Batman Präsenz Interesse wecken können? Natürlich, schließlich beinhaltet er den weltweit beliebtesten und bekanntesten Superbösewicht überhaupt – den Joker. Viel wichtiger ist aber, ob ein solcher Film generell ohne Helden funktionieren kann. In der Theorie durchaus. Allein Quentin Tarantino hat etliche Male vorgeführt, wie unterhaltsam das Aufeinandertreffen zwielichtiger Gestalten sein kann. Mit Megastar Will Smith (der dafür Independence Day 2 ablehnte), der aufsteigenden Margot Robbie, Viola Davis, Oscar-Gewinner Jared Leto und Regisseur David Ayer (Fury, End of Watch, Street Kings) hätte das sogar was werden können. Hätte. Leider schafft es Suicide Squad stattdessen, Batman V Superman noch zu unterbieten. Natürlich liegt die Überlegung nahe, dass er erst durch Studioeingriffe, die den eigentlich bierernsten Film nach überragender Resonanz auf einen flippigen Trailer plötzlich lieber witziger haben wollten, vermasselt worden ist, doch das grundsätzliche Problem sitzt sichtlich tiefer.

Schon die Prämisse wirkt unüberlegt. Geheimdienstoffizier Amanda Waller (großartig knallhart: Viola Davis) will ein Black Ops Team aus Schwerkriminellen zusammenstellen, da man nach Supermans Tod ein probates, rechtsfreies Einsatzteam gegen weitere Superbösewichte bereitstehen haben will. Vom eigentlichen Suicide Squad Team betrifft das allerdings nur vier Meta-Humans. Deadshot kann übernatürlich gut mit Schusswaffen umgehen, Killer Croc hat gepanzerte Haut, Diablo kann Feuer aus seinen Händen schießen und Enchantress ist eine 6000 Jahre alte Hexe, die sich teleportieren kann. Die anderen aber? Harley Quinn ist eine unberechenbare, durchgeknallte Irre, Captain Boomerang ist Australier, Katana hat ein Katana und Slipknot (kein Bezug zur Band) kann mit Seilen umgehen. Sie sind dabei, weil es eine coole Mischung sein soll, Sinn ergibt die Zusammenstellung keine. Nicht so wichtig, aber es wird sich auch sonst keinerlei Mühe gemacht, die Charaktere untereinander zu verbinden oder ihre Eigenheiten ideenreich einzusetzen – obwohl es Möglichkeiten gäbe.

Das Squad ist zwar den gesamten Film über zusammen unterwegs, doch es entwickeln sich keine Freundschaften, verändert sich kein einziger der Charaktere, gibt es kaum amüsantes Untereinander. In lediglich einer längeren Szene setzen sich alle einmal zusammen, nur um sich dann ausgerechnet für Rick Flag einzusetzen – Wallers rechte Hand und Söldner, der alle anderen den ganzen Film über dirigiert und zum Weitermachen zwingt. Abgesehen davon, dass es mal wieder völlig übertriebener Weise um das apokalyptische Ende der Welt geht, scheinen sich letztlich alle aufgrund des Themas Liebe zu besinnen. Eigentlich aus nachvollziehbarem Grund. Deadshot ist wegen seiner eigenen geliebten Tochter im Gefängnis, die nicht länger will, dass er für Geld Leute umbringt. Killer Croc wurde über Jahre gequält und zu einem Kannibalenmonster gemacht, das eigentlich Kekse und Kuscheln will. Katana will die Mörder ihres Geliebten rächen, dessen Seele in ihrem Schwert eingeschlossen ist. Diablo hat eine persönliche Tragödie erlebt und sucht Vergebung.

Harley ist erst so irre geworden, nachdem sie sich in den sadistischen Limp Bizkit Joker verliebt hat, der sie erst chemisch gebleicht und sie dann mit Elektroschocks um ihren Verstand gebracht hat, und Flag liebt den Körper, den Enchantress übernommen hat. In einem gelungenen Script hätte man all diesen ach so harten Figuren eine Entwicklung mit auf den Weg gegeben, die erklärt, wieso sie jemals auf die Idee kommen sollten, ihr Leben für andere, geschweige denn, für einander zu riskieren. Ihr Naturell besteht ja in der Regel daraus, eben keine Rücksicht zu nehmen und sich durch das Leid anderer zu bereichern. Zurück zur Prämisse, stolpert der Film schon im Ansatz. Der allererste Auftrag des Squads ist es, die Enchantress aufzuhalten, die selbst erst Filmminuten vorher als Gründungsmitglied präsentiert wurde. Das Squad entsteht also aus sich selbst heraus, um sich selbst aufzuhalten. Ein umständlicher Einstieg, der folglich hoffen lässt, dass die Story später mehr zu bieten hat. Dass Waller insgeheim was anderes vorhat, dass Batman wie im Suicide Squad Animationsfilm Assault on Arkham wichtiges Element wird, oder dass der Joker mitmischen wird. Nope. Nichts dergleichen. Der Joker smst manchmal mit Harley und verspricht sie im Laufe des Films abzuholen – mehr kommt da nicht mehr.

Dass die Szenen des Jokers drastisch gekürzt worden sind, ist bekannt, doch um die einsilbige Handlung wirklich drastisch auszuweiten, müsste es schon Material einer halben bis dreiviertel Stunde sein, das da weggefallen ist. Tatsache ist leider, dass der Joker aktuell ca. zehn Minuten zu sehen ist und bloß Backstory für Harley darstellt. Das wäre alles akzeptabel, wäre er so magnetisierend faszinierend, dass es ein großartiger Teaser auf seine nächsten Auftritte wär, dass man es kaum erwarten kann, mehr von ihm zu sehen, oder wenn er wie Lex Luthor in Batman V Superman handlungstechnisch großen Einfluss auf die nächsten Filme hätte.

Nicht der Fall, und es bestürzt zu sagen, dass Jared Letos Interpretation – so fair man sie anhand der wenigen Momente überhaupt evaluieren darf – nicht sonderlich reizvoll ist. Sein Design mit den silbernen Grills, den „Joker“, „HaHAha“ und „Damaged“ Tattoos und dem ausgemergeltem blanken Oberkörper ist gewöhnungsbedürftig, aber ein immerhin mutiges Konzept, das sich genug von den anderen unterscheidet. Kritisch ist jedoch seine Performance, die irgendwie zwischen 90er Jim Carrey, dem Cesar Romero Joker aus der 60er piff-paff-kaboom Batman Serie und Heath Ledgers Joker angesiedelt ist, ständig bedrohlich wirken soll, das aber nie erreicht. Mit angestrengter Intensität verdeutlicht er, dass seine Figur längst jenseits aller Vernunft und zudem äußerst sadistisch ist, doch zwei Aspekte fehlen, die der Joker sonst immer mit sich bringt, und die seinen Wahnsinn und seine Gewalttätigkeit für gewöhnlich ankern: weder wirkt der neue Joker intelligent, noch spielt er Spielchen. Dieser Joker ist nicht charismatisch irre, er ist nur irre. Dass der Film mit mehr Joker Szenen besser geworden wäre, bleibt also höchst fraglich.

Noch immer könnte man mit den Schultern zucken, alles gepflegt übersehen, sich das Popcorn reinhauen und Spaß an den Figuren und der Action haben. Doch gibt’s den? In vereinzelten Momenten und Elementen, versehentlich. Margot Robbie stiehlt allen die Show und schafft es, trotz einseitiger Verrücktheit non-stop zu unterhalten. Die gute Laune, die sie in der Figur hat, überträgt sich mit Leichtigkeit. Natürlich ist sie primär bloß das sexy-süße Dummchen, wie auch in ihren meisten anderen Inkarnationen, doch ihre Mischung aus niedlichen, durchgeknallten und dreisten Sprüchen verleiht jeder Szene nötiges Leben. Will Smith ist mit einer eigentlich eher langweiligen Figur gestraft, die er aber schon durch sein Charisma immer wieder relativiert. Kein Mensch bräuchte einen Deadshot Solo Film, doch seine reine Anwesenheit wertet das Squad auf.

Jai Courtney dürfte zum ersten Mal harscher Kritik entgehen, denn als raubeiniger Mistkerl mit Bierdose bekommt er immer wieder kleine Schmunzler spendiert. Auch Mr. Eko aus Lost, als Killer Croc unter erheblicher Maskerade versteckt, bekommt so manchen guten Spruch ins Maul gelegt, während sich Jay Hernandez (Hostel) als Latino-Pyrokinetiker Diablo sogar an Will fucking Smith vorbeifackelt und dramatisch mehr zu überzeugen weiß (auch wenn die emotionalen Entscheidungen der Figur völlig unverdient sind). Cara Delevingne darf zu Anfang ein gelungenes, modriges Kostüm tragen, mit dem sie sowohl Sadako als auch Samantha aus The Grudge und The Ring highfiven könnte, doch später wechselt sie albern hampelnd in ein leuchtendes zweites, mit dem sie ihrer anlaufenden Zweitkarriere keinen Gefallen tut. Remake-Robocop Joel Kinnaman bekommt als ernster Kindergärtner des Squads eher wenig zu tun, macht das aber solide, während Clint Eastwoods Sohn Scott in einer unbedeutenden Rolle als Handlanger so irrelevant wie die seelenlose Seelendiebin Katana bleibt. Fast so gleichgültig wie Slipknot, der zu den unwichtigsten realisierten Comic-Figuren aller Zeiten gezählt werden darf. Selbst Mr Zsasz in Batman Begins war da relevanter.

Okay, auch das kann einem alles egal sein, stimmt wenigstens die Action. Leider ist genau die die größte Enttäuschung. Es taucht ein strahlender CGI-Dämon namens Incubus auf, der wie ein Überbleibsel aus Gods of Egypt wirkt und die Menschen der Stadt in gesichtslose Monster verwandelt. In hektisch geschnittenen, dunklen Szenen knüppelt und schießt das Squad diese Matschgesichter ohne kreativen Einsatz ihrer Kräfte und Eigenheiten reihenweise nieder, bis alles in einer absehbaren Konfrontation mit dem Bossgegner gipfelt – wieder einmal unter einem gewaltigen Himmelsportal, wie schon in Ghostbusters und Turtles 2. Zeigte Ayer in End of Watch und Fury noch spannende Gefechte, oder überhaupt, Talent für Spannung, langweilt sich sein Comic Squad, das mehrere massive Hubschrauberabstürze kaugummikauend überlebt, durch gleich aussehende Level ohne Highlights. Zack Snyder mag eine Menge vermasselt haben, doch seine visuellen Stärken waren selbst Batman V Superman nicht abzusprechen. Suicide Squad hingegen ist einer der hässlichsten Big Budget Blockbuster der letzten Jahre, mit der schlechtesten Comicfilm-Action seit Green Lantern, und einem aufdringlich knalligen Soundtrack, dessen Pepp und Farbenreichtum kein Stück zum gezeigten Film passen.

Die letzte Frage, die bleiben muss, ist die des Tons. Ursprünglich hatte David Ayer einen so ernsten Film wie seine vorherigen im Sinn (nicht vergessen: mit dem Schwarzenegger Streifen Sabotage hat Ayer einen der härtesten und dreckigsten Actionfilme der letzten Jahre veröffentlicht – den Mann hat man engagiert). Wäre es ein besserer Film geworden? Besser sicherlich nicht, aber eventuell ein interessanterer. Kern des Films war eigentlich mal Harleys Beziehung zum Joker, die extra so inszeniert werden sollte, dass man sich nicht sicher sein kann, ob es der Film glorifiziert oder als Misshandlung kritisiert. Diese Ambivalenz hätte fraglos für Diskussionsstoff gesorgt und war vermutlich mit angeregt von Fifty Shades of Grey, in dem sich eine junge Frau entscheiden muss, ob sie die S&M Gewaltfantasien ihres reichen Freundes zu dulden bereit ist, obwohl sie es selbst eigentlich gar nicht will. Für einen PG-13 Comic-Film, der spätestens nach dem Batman V Superman Misserfolg plötzlich unbedingt viel einspielen musste und der eh schon familienfeindlich „Selbstmordkommando“ heißt, war das aber womöglich zu viel des Guten.

Extended Cut Ergänzungen
12 neue Minuten fürs Heimkino klingt viel, doch die erhoffte, nötige Reparatur bleibt aus. Bis auf eine kleine zusätzliche Flashback-Szene, in der Harley den Joker auf einem Motorrad verfolgt, fallen die übrigen Ergänzungen im Vergleich zur Kinofassung kaum auf. Der Joker bleibt weiterhin eine nebensächliche Figur, und das restliche Fantasyabenteuer des Squads wird weder sinnvoller, spannender oder actionreicher, noch ernster. Was auch immer die ursprüngliche Konzeption des Films vor seinen späten Änderungen gewesen sein mag, DC wird sie fraglos in den Archiven verschwinden lassen. Schon allein, um sich nicht webweit anhören zu müssen, die falsche Schnittfassung veröffentlicht zu haben.
Fazit:

Einige Figuren wie Margots Robbies Harley mögen Spaß machen, doch Suicide Squad ist leider ein visuell hässlicher Film ohne denkwürdige Momente oder Action, ohne nennenswerte Story, ohne interessante Verstrickungen und Wendungen. Er macht das DC Extended Universe nicht attraktiver und kann sich qualitativ nur so gerade über den letztjährigen, schnarch-tristen Fantastic Four Reboot hieven.

Fazit:
Einige Figuren wie Margots Robbies Harley mögen Spaß machen, doch Suicide Squad ist leider ein visuell hässlicher Film ohne denkwürdige Momente oder Action, ohne nennenswerte Story, ohne interessante Verstrickungen und Wendungen. Er macht das DC Extended Universe nicht attraktiver und kann sich qualitativ nur so gerade über den letztjährigen, schnarch-tristen Fantastic Four Reboot hieven.

3/10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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