BG Kritik: „Do the Right Thing“ (Treasure Monday)

3. Juni 2020, Christian Westhus

Durchbruch und Meisterwerk von Spike Lee: An einem enorm heißen Tag in einer New Yorker Nachbarschaft kommt es zu Unruhen mit rassistischen Untertönen, ausgelöst nicht zuletzt durch laute Musik und Fotos in einem italienischen Restaurant.

Do the Right Thing
(USA 1989)
Regie: Spike Lee
Darsteller: Danny Aiello, John Turturro, Ruby Dee, Spike Lee, Bill Nunn
Kinostart Deutschland: 13. Juli 1989

(Dieser Artikel erschien im Rahmen der Kritikenreihe Treasure Monday ursprünglich im August 2015.)

Der Film, der Regisseur Spike Lee den Durchbruch verschaffte. Und der Film, der angesichts jüngster Nachrichten aus den USA so wirkt, als sei er letzte Woche gedreht worden.

Es gibt nicht viele Filme, die 25 Jahre nach ihrem Entstehungsdatum einen so enormen Wirkungsgrad und eine derartige Aktualität haben wie Spike Lees „Do the Right Thing“. Das ist angesichts zahlreicher realer Nachrichten zu Unruhen und gewaltsamer Proteste in den USA, zumeist ausgelöst durch von Polizisten erschossene schwarze Amerikaner, natürlich keine schöne Sache. Doch Lees Film will gar keine „schöne Sache“ sein. „Do the Right Thing“ legt den Finger in die Narbe der amerikanischen Identität und versucht auf hochkomplexe Art und Weise einen Anreiz zu geben, warum diese Narbe noch heute schmerzhafte Konsequenzen nach sich zieht. Die Rezeption des Films ist zu einer eigenen komplexen Episode zum Thema rassistischer Konflikte in den USA geworden; mit Figuren wie Pizzabote Mookie, Pizzabäcker Salvator und Musikliebhaber Radio Raheem, die zu Symbolfiguren wurden, aber auch durch die Oscars, als der Film 1990 gegen das etwas andere Rassismusdrama „Miss Daisy und ihr Chauffeur“ unterlag.

Lee erzählt vom heißesten Tag des Jahres in einem Stadtteil in Brooklyn, den man möglicherweise mit dem angestaubten Begriff „Multikulti“ beschreiben würde. In der dennoch überwiegend schwarzen Nachbarschaft gibt es Gruppen aus „Hispanics“, koreanische Gemüsehändler, und Italiener Sal (Danny Aiello) führt mit seinen Söhnen seine Pizzeria. In dieser Pizzeria kommt es dann auch zum ersten Konflikt. Eine Lappalie, möchte man meinen, doch eine die sowohl die Schwierigkeit zeigt, in diesem Problem eine klare Wahrheit beziehungsweise „das Richtige“ zu finden, als es auch Lees clevere Handhabe des Stoffes zeigt.

© Alive: AG

Spike Lee schafft es auf leichtfüßige und enorm faszinierende Weise, in wenigen Augenblicken diese vor Leben sprühende und hochauthentische Nachbarschaft vorzustellen, mit spannenden Figuren zu bevölkern. Diese Figuren, obwohl auf den ersten Blick wie Chiffren angelegt, sind absolut lebendig, erfüllen sowohl die Funktion eines Symbols, als auch die emotionale Verbindung eines echten Charakters. Wenn Radio Raheem, der hochragende Kerl mit den „Love/Hate“ Ringen und der tragbaren Musikanlage auf den Schultern, um schwarze Repräsention an der Fotowand in Sals italienischer Pizzeria verlangt, dabei aber bei Sal auf taube Ohren stößt, sind wir in einem komplexen Reaktions-Hin-und-Her aus „ja, schon, aber“ gefangen. Radio Raheem lässt Public Enemys „Fight the Power“ als musikalische Drohgebärde erklingen, währen Samuel L. Jackson als ortsansässiger Radiokommentator der sengenden Hitze trotzt und die Situation kommentiert. Meinungen, Ansichten und Ideale treffen unmittelbar aufeinander.

Die Hitze gibt der sozialen Hitze aus Vorurteilen, Jahrhunderten einer komplizierten Geschichte, sozialer Ungleichheit, territorialem und nationalem Stolz, sowie purem Rassismus Nährboden. Langsam aber stetig braut sich auf dem kochenden Asphalt etwas zusammen. Lees Figuren, gut zwei Dutzend kleinere und größere Zwischenepisoden, wenn man so will, werden auf spannende und effektive Art und Weise in diesen Tagesablauf eingebaut. Lee gibt sich selbst dabei eine der komplexesten Rollen, was unterstreicht, mit welch einer Wut im Bauch und mit welch zutiefst persönlichem Anliegen er diesen Film in Angriff nahm. Als lässiger und fauler Pizzabote Mookie folgen wir insbesondere ihm bei seinem Hin und Her durch den Block. Er ist es, der vom ausgebrannten und doch wachen alten Kauz Mayor den Leitspruch, das Richtige zu tun, mit auf den Weg bekommt. Lee ist kein begnadeter Schauspieler, es hat jedoch einen Grund, warum er als Filmemacher einen inzwischen gigantischen Status in der Geschichte des modernen amerikanischen Kinos innehat. Und als Regisseur, Drehbuchautor und Darsteller legt er hier schlicht und ergreifend alles, was er hat, in diesen Film. „Do the Right Thing“ ist ein Film der bebt und tobt, der von einer Energie belebt ist, die irgendwann folgerichtig in Aggressivität umschlägt. Lee scheut weder vor unangenehmen Fragen zurück, noch vor wütenden Anklagen oder polemischer Symbolik. Nach diesem zeitlosen Meisterwerk hat man folgerichtig tausend Ideen gleichzeitig durch den Kopf rasen.

Fazit:
Brillant geschriebenes, schweißtreibendes und mitreißendes Meisterwerk, das heute (leider) noch genauso relevant ist, wenn nicht gar relevanter, als 1989.

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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