BG Kritik: „Evil Eye“ (Welcome to Blumhouse)

29. Oktober 2020, Christian Westhus

Studio Blumhouse bringt über den Oktober verteilt vier (hoffentlich) schaurig-spannende Filme via Amazon Prime Video heraus. Nach „The Lie“ und „Black Box“ sind nun auch „Evil Eye“ und „Nocturne“ erschienen. „Evil Eye“ handelt von einer indischen Mutter, die mit Schrecken feststellt, dass der neue Freund ihrer in den USA lebenden Tochter womöglich die Reinkarnation des Mannes sein könnte, der sie vor rund 30 Jahren beinahe getötet hätte.

Evil Eye
(USA 2020)
Regie: Elan Dassani, Rajeev Dassani
Darsteller: Sarita Choudhury, Sunita Mani, Omar Maskati u.a.
Veröffentlichung: 13. Oktober 2020 (Prime Video)

„Welcome to Blumhouse“ Runde drei. Inzwischen ergibt sich ein Muster, lassen sich thematische Verwandtschaften erkennen. „The Lie“ beschäftigte sich – schwammig – mit jugendlichem Trotz und der fatalen Panik eines Scheidungskindes. In „Black Box“ ging es um Verlustängste und verborgene Traumata. Und nun „Evil Eye“, in dem das Trauma einer Gewalterfahrung bis in die nächste Generation reicht. Nur knapp konnte Usha (Sarita Choudhury) vor einigen Jahren einem gewalttätigen Stalker entkommen. Damals war Usha schwanger, doch inzwischen ist ihre Tochter Pallavi (Sunita Mani) alt genug, dass Mutter ungeduldig eine baldige Hochzeit herbeisehnt. Während Usha in Indien verweilt, lebt Pallavi seit einigen Jahren in den USA, ist eine selbstbewusste und freie Frau, die kein Problem darin sieht, mit Ende 20 noch unverheiratet zu sein.

Aus der Ferne organisiert Usha ein Blind Date für ihre Tochter, die stattdessen auffällig zufällig auf den attraktiven Sandeep (Omar Maskati) trifft, auf dessen Flirts eingeht und ihn kurz darauf als ihren festen Freund vorstellt. Zunächst ist ihre Mutter entzückt, denn damit dürfte eine Hochzeit nicht mehr allzu fern sein. Doch dann spürt Usha, die an Astrologie und an traditionellen Schutzzaubern – der titelgebende Talisman-Schmuck – glaubt, dass Sandeep möglicherweise ihr reinkarnierter damaliger Stalker sein könnte. Und so versucht Mama die mehrere Tausend Kilometer räumliche und kulturelle Distanz zu ihrer Tochter zu überbrücken, um sie vor den Gefahren dieses Mannes zu warnen.

© Amazon Studios / Blumhouse

Auch das ist ein Kernelement der vier „Welcome to Blumhouse“ Filme: Familie. Die verzwickten Verbindungen und Unterschiede zwischen den Generationen, die Abhängigkeits- und Unterstützungsverhältnisse zwischen Familienmitgliedern sind das Geflecht, in denen die bedrohliche, schreckliche und/oder übernatürliche Komponente dieser Filme wuchert. Die Idee einer derart „praktischen“ Reinkarnation mag zunächst Augenrollen auslösen, doch als Ausdruck einer psychologischen Vernarbung ist die Grundidee gar nicht mal schlecht. Usha, so scheint es, projiziert ihre eigenen Ängste auf ihre freier, selbstbewusster und selbstbestimmter lebende Tochter, greift mit ihrem angeknacksten Beschützerinstinkt in Pallavis Leben ein.

Das Problem – für den Film bzw. für den Sehgenuss des Zuschauers – liegt eher darin, dass nichts davon ordentlich vorgestellt und eingebracht wird. Das eigentlich spannende Mutter/Tochter Verhältnis büßt an Intensität und Bedeutung ein, gewinnt dafür an billigem Melodrama und an Oberflächlichkeit. Die Dialoge sind verkrampft und plump, gehen über in schwer nachvollziehbares Charakterverhalten. Denn nicht nur überschreitet Usha von jetzt auf gleich die Grenze zum schrillen Halbwahnsinn, auch die vermeintlich selbstbestimmte und amerikanisch-unabhängige Pallavi vergisst drehbuchbedingt ihre eigenen Maximen, unterwirft sich Sandeeps Wünschen und Vorstellungen mit einem Fingerschnippen. Und dann ist da natürlich die implizierte Frage nach dem Genre. „Evil Eye“ ist noch weniger Horror als seine Mitstreiter dieser Reihe und leidet entsprechend noch stärker darunter, überhaupt mit dem Genre assoziiert zu werden. Egal ob realistisches Stalker- und Psychodrama oder übernatürliche Trauma-Metapher, in beiden Fällen steht die Genrehaftigkeit dem eigentlichen Kern dieser Geschichte im Wege. Und da schon besagter Kern nicht besonders gut ausgearbeitet ist, bleibt auf der Habenseite von „Evil Eye“ nicht viel übrig. Leider.

Fazit:
Erneut steht bei „Welcome to Blumhouse“ der Wunsch bzw. die Pflicht, im weitesten Sinne ein Horrorfilm zu sein, den eigentlichen Stärken des Films im Wege. Leider sind diese Stärken bei „Evil Eye“ durch ein überkandideltes Drehbuch und einer plumpe Inszenierung ohnehin schon angekratzt.

4,5/10

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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