BG Kritik: „James Bond 22: Ein Quantum Trost“

28. September 2018, Christian Mester

Als der gefangen genommene QUANTUM-Agent Mr White flieht, spürt Bond ihm hinterher und kommt dabei dem größenwahnsinnigen Mr. Greene auf die Schliche, der die Regierungen um Wasservorräte erpressen will…

EIN QUANTUM TROST
QUANTUM OF SOLACE (2008)
Regie: Marc Forster
Cast: Daniel Craig, Olga Kurylenko

Kritik:
Nach dem imposanten Debüt Neu-Bonds lag die Messlatte wahrlich hoch, weit hoch oben. Daran anschließen können? Sag niemals nie, aber obgleich viele Quantum damals vorschnell vernichtend als den fulminanten Fehlschuss werteten, ist es rückblickend ein überdurchschnittlicher Bond, und ein solider Actioner, der gern sein darf.

Visuell sticht sich Forsters sonnige Skorpionenregie nebst Eindruckschindereien töricht in den eigenen Rücken: Ein Quantum Trost ist in Sachen Bild, Ausstattung, Sets und Optik eine wahre Wucht, verscherzt sich jedoch manches Mal manches mit einigen wenigen Sequenzen, in denen die Objektive spastisch herumzucken, offenbar versuchend, die wilde im-Zimmer-mal-eben-aufs-Maul Dynamik der Bournes zu imitieren. Besonders salzig ist die wilde Verfolgungsjagd der Anfangsszene, in der selbst hartgesottene Achterbahnvornfahrer besorgt blinzeln dürfen. Was soll das? Hat das keiner gesehen, dass man sich das so nicht ansehen kann? Oder angehört, denn der Themesong von White und Key ist trotz schicken Dünenintros zum verschütt gehen.

Gnädigerweise ist weiteres nicht derart ín den Sand gesetzt; schon die zweite Szene, eine haarsträubende Kletterpartie während eines Pferderennens in Seville, bretzelt das Tempo so hoch, dass man die Qualitäten eines Casino peau a peau zurückkommen sieht. Bond, emotional abgebrüht, aber dieses Mal sachlich disziplinierter bei der Sache, ist hervorragende Leitfigur, toll gespielt und ein menschlicher ICE, der bis zum Ende haltlos Gas gibt und in den vielen folgenden Actionszenen stets bestmögliches zeigt. Was dem Wüstenbond allerdings die Spucke raubt und ihn fast straucheln lässt, sind zwei, drei eklatante Konzeptschwächen.

Bösewicht Dominic Greene, gespielt vom respektierten Mathieu Almaric (Schmetterling und Taucherglocke), darf wohl zu den Top 5 der schlechtesten aller Bondgegenspieler gezählt werden. Der wurmige Sadist kann nichts, hinterlässt keinen Eindruck und wird zudem von Elvis begleitet, dem wohl schlechtesten, da nichtssagendsten und am wenigsten bedrohlichsten aller Henchmen in Bonds 22 Filmen, der Nick Nack wie Beißer aussehen lässt, der von Scaramangas drittem Nippel überwältigt wird. Glücklicherweise gibt es alternativ eine Menge gesichtsloser Goons, die Bond deutlich fordern und ihm immer wieder Grund für preschende Actionszenen geben (besonders nett: ein Luftkampf, in dem Bond mit einer älteren großen Maschine gegen Flugzeuge und Hubschrauber antritt).

Als Bondgirl ist Olga Kurylenko per se nicht verkehrt; sie spielt die vernarbte, biestig-rachsüchtige Frau gut, die die Schrecken ihrer Kindheit mit eigenen Händen verarbeiten will und weiß sich in den schnelleren Szenen gut in jene zu setzen. Vertan ist, dass ihre Figur Camille gänzlich an Bord vorbeigeschrieben ist. Zwischen beiden entwickelt sich nichts, ihre persönliche Vendetta hat nichts mit Bond zu tun, und da er ohnehin noch von Vespers Verrat gezeichnet ist, hat er ohnehin keine Lust auf ernsthaftes neues. Ihr Plot wird zu einem distanziert eigenen, der nicht zur Geschichte passen will und entfernt Erinnerungen an Stirb an einem anderen Tag’s Jinx weckt. Verpasst ist Gemma Arterton als charmant-naive Agentin Strawberry Fields, die in ihren wenigen Minuten spürbare Chemie mit Bond hat, dann aber für einen platten, zudem von einem alten Klassiker kopierten Gimmick herhalten muss.

Ungünstig auch der gröbere Storykern; Greenes Erpressungsversuch gegenüber eines unsympathischen Vergewaltigerregenten ist Mist trifft Unrat, und obwohl das finanzielle Ziel sichtlich realistischer als Superwaffen im All sein mögen, ist Greenes Schreckensplan hier erschreckend unaufregend. Wen interessiert’s schon, ob QUANTUM, die weiterhin uneinschätzbar mächtig bleiben (oder gar nach Bonds Besuch bei Tosca längst ausreichend zerschlagen sind?), mehr oder weniger Geld für was auch immer zur Verfügung haben, zumal zumindest Skyfall nicht mal mehr darauf einging. Jesper Christensen ist erneut interessant als Schattenmann Mr. White, doch er bleibt zu distanziert, zu unwichtig, um wirklich wichtig zu erscheinen, und der erst extrem späte Anschluss/Abschluss der in Casino Royale begonnenen Geschichte wirkt wie ein irgendwie unterzubringendes Übel, nicht wie eine verdiente Erlösung, was, zu Casino zurückblickend, auch nicht fair ist. Dennoch ist es im Gesamtbild insbesondere Craig zu verdanken, dass sein bislang schwächster immer noch besser als viele der Vorgängerfilme ausfüllt; Versagen auf hoher Kante.

Fazit:
Bond macht packend weiter, springt mit vollstem Elan aber zu früh ab und zu hoch, und landet nur noch knapp am rettenden Geländer gegenüber: Glücklicherweise bedarf es letztlich doch nur ein Quantum Trost, um das zu verschmerzen, da der Sprung an sich deutlichen Spaß macht.

7 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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