Treasure Tuesday Spezialkritik: Ferris macht blau (#ZuHauseBleiben)
Beim wöchentlichen Treasure Tuesday wollen wir filmische Schätze, eben Treasures, hervorheben. Vergessene Filme, unterschätzte Filme, alte Filme, fremdsprachige Filme. Filme, die sich lohnen, auch wenn gerade nicht die halbe Welt über sie spricht. Heute nehmen wir uns einen 80er Kultfilm vor: John Hughes‘ „Ferris macht blau“, wo sich auch die Hauptfigur denkt, besser zu Hause bleiben, statt in die Schule zu gehen.
Ferris macht blau
(Originaltitel: Ferris Bueller’s Day Off | USA 1986)
Regie: John Hughes
Darsteller: Matthew Broderick, Alan Ruck, Mia Sara
Was ist das für ein Film?
Ein Kultfilm der 80er, geschrieben und inszeniert vom legendären John Hughes, dem Mann hinter „Breakfast Club“, „Ein Ticket für zwei“, „Sixteen Candles“ und (als Autor) „Kevin allein zu Haus“ und und und. Ein Film, dessen Protagonist zur eigenen Kultfigur geworden ist, der die berühmte Vierte Wand durchbrechend zum Zuschauer spricht, als wäre er Deadpool in einem Martin Scorsese Film.
Auch Ferris Bueller, ein High Schooler kurz vorm Abschluss, denkt sich: besser zu Hause bleiben. (#ZuHauseBleiben) Nur denkt er nicht an Corona, er hat einfach keine Lust auf Schule. Das Leben vergeht so rasend schnell, denkt und sagt Ferris, es könnte an dir vorbeiziehen, wenn du nicht aufpasst. Und so inszeniert der mit allen Wassern gewaschene Ferris vor seinen naiven Eltern eine Krankheit, nutzt moderne High Tech (der 80er) in Form von Sound Files auf dem Keyboard und automatisierten Bandansagen, hackt sich sogar in den Schulcomputer ein und fabriziert durch einen dreisten Telefonanruf eine emotionale Not bei Schulrektor Rooney. Doch wirklich daheim will Ferris auch nicht bleiben. Er eist auch Freundin Sloane aus der Schule lost und nötigt seinen tatsächlich kranken Kumpel Cameron, ihn bei einer lebensbejahenden nachmittäglichen Spaß-Tour durchs Leben zu begleiten.
Man kann Ferris‘ Desinteresse an der Schule durchaus verstehen, schaut man sich die Schnipsel aus dem Unterricht an, die wir präsentiert bekommen, wo halbkomatöse Lehrer ein stupides Faktenwissen mechanisch abfragen. Und dann wäre da Rektor Rooney, eine halbwahnsinnige und rachsüchtige Widersacherfigur, wie sie nur eine 80er Komödie hervorbringen konnte. Kein Wunder also, dass Ferris, der dem Schul-Establishment mit Witz und Coolness auf der Nase herumtanzt, ein absoluter Star unter seinen Mitschülern ist, dessen fingierte Krankheit eine erfolgreiche Spendenaktion ins Leben ruft. Doch nicht nur Schwester Jeanie (Jennifer „Baby“ Grey) merkt, dass sich hinter Ferris‘ ansteckender Coolness auch Narzissmus und Eitelkeit verstecken.
Warum sollte mich das interessieren?
Sollte man den Film noch nicht gesehen haben, schaut man vielleicht auf den Plot und glaubt, die grobe Richtung einschätzen zu können. Unangepasster Querkopf schwänzt die Schule, lernt fürs Leben, lernt am Ende aber auch die Notwendigkeit einer Kompromissbereitschaft, dass es ganz ohne Schule und Regeln nicht geht. Könnte man denken. Doch der Erfolg von John Hughes, der einem ganzen Jahrzehnt seinen Stempel aufdrückte, lässt sich nicht nur auf seine schillernden Figuren, seine simpel-cleveren Plots und seinen entwaffnenden Humor zurückführen. Hughes machte überwiegend Filme über und für Teenager, stand dabei auch immer treu an der Seite seiner jugendlichen Helden. Die zum Nachsetzen verdonnerte Clique aus „The Breakfast Club“ erreichte nicht zuletzt deshalb eine ganze Generation, da sie der Film nicht eine Sekunde lang von oben herab beobachtet.
So verhält es sich auch mit Ferris, dessen dreisten Tricks und Maschen eigentlich reihenweise in die Hose gehen müssten, es aber nicht tun. Ein unverschämtes Glück, welches auch seinen Begleitern auffällt. Ferris, der sehen müsste, in was für eine unangenehme Situation er Kumpel Cameron manövriert, nicht nur, wenn es um das teure Auto von Camerons Dad geht. Die berühmte Schlussszene des Films, wenn Ferris ein letztes Mal zum Zuschauer spricht, macht erneut deutlich, wie viel (bzw. wie wenig) sich bei ihm im Laufe dieser Geschichte verändert hat. Sein Charakterbogen ist überschaubar flach, sein zentraler Konflikt … vernachlässigbar. Für den einen oder anderen Zuschauer mag Ferris‘ gar eine zunehmend unsympathische Figur werden, der seine jugendlich-unbekümmerte Kernidee und seine Coolness zuweilen arg überspannt, aber annähernd gar keine Konsequenzen zu spüren braucht.
Doch auch das macht „Ferris macht blau“ nur noch interessanter, denn gewissermaßen wird Ferris‘ zur Nebenfigur seines eigenen Films. Er hat fraglos die meiste Screen Time, ihm gehören Anfang und Ende, und dennoch dreht sich die eigentliche Geschichte, dreht sich der eigentliche Konflikt um eine andere Figur. Mit heutigen Worten ist Ferris eine Art „Manic Pixie Dream Boy“, eine Beeinflusserfigur ohne eigene Dramaturgie, was ihn noch immer zu einem Beinahe-Unikat macht. Und von all diesen Facetten und Details abgesehen ist „Ferris macht blau“ einfach noch immer ein unverschämt unterhaltsamer, wunderbar unbeschwerter und witziger Film, von den Finessen der falschen Krankheit, dem Trip nach New York, der Parade der Deutsch-Amerikaner hin zum Wettlauf im Finale. Eben ein Kultfilm; aus mehreren Gründen.
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