BG Kritik: „Gamer“

12. September 2010, Christian Mester

Ken Castle (Michael C. Hall) ist der reichste Mensch der Welt. Mit seinen Computerspielen SLAYERS und SOCIETY hat der Unternehmer Titel entwickelt, die die Medienkultur der Zukunft revolutionierten. In SLAYERS kontrolliert man zum Tode verurteilte Gefängnisinsassen, die in dreckigen Arenen um ihr Leben spielen. SOCIETY hingegen ist eine Art The Sims mit echten Menschen, in der Perverse all ihre Fantasien ausleben können. Mit seinen Spielen macht sich Castle jedoch auch zum Feindbild, denn Untergrundkämpfer erfahren, dass man demnächst mehr als nur Spielfiguren kontrollieren will. Sie holen sich SLAYERS-Star Kable (Gerard Butler), der alles daran setzt, dem größenwahnsinnigen Medienguru das Handwerk zu legen…

Regie: Mark Neveldine
Darsteller: Gerard Butler, Michael C. Hall
Release: 2010

Kritik:
Eine Art futuristischer Gladiatorenkampf für’s Fernsehen, in dem Menschen um ihr Leben spielen? Das gab es bereits in „Running Man“, „Death Race“ und „Die Todeskandidaten“ und wer jene Filme kennt, wird gleich zahlreiche Parallelen entdecken. Der mutige Held, gespielt von einem bekannten Actionstar (Schwarzenegger, Austin, Statham, Butler) wird unschuldig verurteilt, wird daraufhin der beste Spielteilnehmer und weil er gegen jeder Erwartung zu gewinnen scheint, manipuliert der jeweilige Producer (Richard Dawson, Robert Mammone, Joan Allen, Michael C. Hall) die Gegebenheiten. „Gamer“ ist also gewiss nichts Neues.

Action ist das Herz des Films, wird allerdings von gleich drei unübersehbaren Aspekten deutlich beeinträchtigt. Zum einen hat man sich für die deutsche Veröffentlichung trotz fehlender Jugendfreigabe für unnötige Gewaltschnitte entschieden, die mehrfach störend auffallen. Zum anderen fehlte den Machern sichtlich das Geld, was zweierlei Konsequenzen hat. Die eigentlichen Austragungen sehen weit weniger aufregend aus als sie eigentlich sollten und erinnern stattdessen an diverse DVD-Produktionen ala Van Damme / Lundgren / Seagal, da als „Level“ lediglich abgewrackte Hallen fungieren; die Akte X-Folge „Game Over“ hat das vor 10 Jahren schon nicht wesentlich schlechter gemacht. Auch wildes Kameragewackel ala „Ein Quantum Trost“ lässt nicht übersehen, dass das große Geld an allen Ecken und Kanten fehlte. Auch wenn „Gamer“ letzten Endes nicht ganz so billig aussieht wie Neveldine/Taylors vorheriger „Crank 2: High Voltage“, ist kaum auszumalen, wie viel sehenswerter eine aufwendigere Produktion hätte werden können.

Da liegt auch schon das größte Problem, denn die beiden versteifen sich auf Action und befassen sich nur geringfügig mit den ganzen anderen, viel interessanteren Elementen ihrer zusammengeklauten Geschichte. Es ist schließlich Fakt, dass Computerspiele und Reality-TV in unserer Gesellschaft immer beliebter werden und sich mit fragwürdigen Extremen immer weiter zu übertreffen versuchen, weswegen die im Film beschriebene fiktive Entwicklung nicht völlig abwegig erscheint. Science-Fiction Filme sind doch gerade deswegen oftmals faszinierend, weil sie mögliche Zukunften zeigen und mit der Darstellung möglicher Konsequenzen zum Denken anregen. In „Gamer“ wird darauf leider keinen Wert gelegt, da man jeglichen Anflug von Sozialkritik direkt im Keim erstickt. Zweifelhaft lustig ist es, dass der Film leichtherzig Zuschauerinteresse an Gewaltschau kritisiert, daraus aber selbst seine höchste Unterhaltung zieht (auch wenn es nie so heuchlerisch wie in „Rambo 4“ wird, wobei „Rambo 4“ in jeder Hinsicht besser ist). Das Fehlen von Spannung sorgt für Lücken, die Pausen zwischen den dynamischeren Momenten sind zu groß, der Inhalt zu inhaltsleer.

Dass „Gamer“ dennoch halbwegs in Ordnung und einen Blick wert ist, ist allein zwei Beteiligten zu verdanken: Butler und Hall. Butler hat die schwächere Rolle und ist eine ebenso leere Person wie Stathams Frankenstein in „Death Race“, rettet aber viel mit seinem naturgegebenen Charisma. In den Actionszenen überzeugt er mal wieder, auch wenn man nach Abspann irgendwann Mitleid bekommen und ihm wünschen kann, in Zukunft bessere Angebote zu kriegen.

Fast als Highlight bezeichnen könnte man TV-Serienkiller Michael C. Hall, der in wenigen Szenen als extravaganter, böser Bill Gates überrascht und den Film mit seiner Leichtigkeit jedes Mal immens aufwertet. Sein Charakter ist unberechenbar, charmant und böse zugleich, sodass er das Interessanteste im Ensemble bleibt. Über den Rest lässt sich nur wenig sagen. Kyra Sedgewick, Milo Ventimiglia und Amber Valetta langweilen in aussichtslosen Rollen, Rapper Ludacris lässt an Ice-Ts Rolle in „Vernetzt: Johnny Mnemonic“ erinnern, da er hier einen vergleichbar ähnlichen Untergrundaktivisten mimt (einzig der sprechende Delphin fehlt). Sie alle erfüllen nur Zwecke, triggern die Story und bleiben so dünn, dass man vermuten könnte, „Gamer“ sei insgeheim nichts als eine mäßige Game-Verfilmung.

Stattdessen ist es eine nicht minder unkreative, mäßige Actiongeschichte, die so schon in kurzer Zeit in Vergessenheit geraten dürfte. Bei dem geringen Budget hätte man sich auf inhaltliche Qualitäten stürzen müssen, denn mit etwas Geschick hätte „Gamer“ sogar an ein „Uhrwerk Orange“ heranreichen können. Allein das Spiel SOCIETY bietet derart viele Überlegungen, dass es Material für einen anspruchsvollen Film bieten könnte. So bleibt es ein schneller, auch noch geschnittener Fast Food Snack, der allein schon aufgrund massiver Konkurrenz unwichtig bleibt. Sehenswert, wenn man Butler mag und lieber billige ernste, als gut gemachte humorvolle („Sherlock Holmes“) Action sieht, ansonsten verwundert es nicht, dass der Film schon in den USA kein großer Hit war.

Fazit:
Blickt man in fünf Jahren zurück, werden sich viele an „300“ erinnern, manche an „Gesetz der Rache“, niemand an „Gamer“. Gerard Butler meint es zwar gut und auch Dexter weiß zu gefallen, beide kommen jedoch nicht gegen Neveldine/Taylors regietechnische Inkompetenz an, deren Unfähigkeit höchstens mit Bay-schem Budget beizukommen wäre.

4 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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