BG Kritik: „Aquaman“

4. Januar 2019, Daniel Schinzig

Es war einmal ein Leuchtturmwärter, der traf auf die Prinzessin von Atlantis. Aus dieser romantischen Zusammenkunft entstand ein Junge, der seit Jahren im Nachmittagsprogramm von Pro7 gemobbt wird. Doch als ein Krieg zwischen der Unterwasserwelt und den Oberflächenbewohnern droht, ist Arthur Curry die letzte Rettung für die Erde.

Aquaman
Originaltitel: Aquaman (US 2018)
Regisseur: James Wan
Cast: Jason Momoa, Amber Heard, Willem Dafoe

© Warner Bros. Pictures

Es ist mehr als erstaunlich: „Aquaman“ hatte locker das Zeug dazu, der mit Abstand am schlechtesten aussehende Film des aktuellen DC Kinofilm-Universums werden zu können. Es gibt so viele aufwendige Unterwasser-Sequenzen, so viele außergewöhnliche Design- und Actionideen, dass die Herausforderung, vor die die Special-Effects-Zauberer gestellt wurden, selbst für Filmlaien locker zu erahnen ist. Dass die visuellen Effekte in den Vorgängern wie „Batman V Superman“ oder „Justice League“ teilweise mehr mit durchschnittlichen Videospiel-Zwischensequenzen längst vergangener Tage als mit hochwertiger Kinofilm-CGI-Arbeit zu tun hatten, bestärkte die Sorgen um die Atlantis-Reise noch einmal. Doch statt zum Augenkrebs verursachenden optischen Tiefpunkt zu werden, erhebt sich hier ein opulent glänzendes Seepferdchen an die Wasseroberfläche. Nicht jede Schuppe mag überzeugen, einige wirken unecht, andere ein bisschen fehl am Platze, aber es glitzert doch so schön. Also steigen wir gerne auf des Unterwasser-Menschen besten Freund und reiten mit ihm über Wellen und Explosionen.

Dieser Seepferdchen-Vergleich funktioniert nicht nur als Bild für die Special-Effects, sondern als Bild für den ganzen Film. Ein Vieh, das nicht gerade den Schönheitspreis gewinnen würde und alles andere als perfekt gewachsen ist. Aber wenn es einen mit seinen treuen Augen anschaut und wir auf seinem Rücken wilde Abenteuer erleben, dann ist uns das alles egal und Wasserpferdi ist unser bester Freund. Vor allem, wenn Züchter James Wan ihn komplett von der Leine lässt und der Sattel zum Achterbahnsitz mutiert. Kurz, bevor uns im Adrenalinrausch das Gehirn aus dem Kopf rauscht, fragen wir uns noch, mit was Wan die Lebewesen in seinem Aquarium wohl füttern mag. Wenn wir wieder klar denken können, fällt uns die Antwort wie Fischschuppen von den Augen: Mit allem möglichen, was die Popkultur so hergibt.

© Warner Bros. Pictures

Der Regisseur von „Fast & Furious 7“ und „Conjuring – Die Heimsuchung“ jagt nicht nur seine Protagonisten von einem Schauplatz zum anderen, von einer Actionszene zur nächsten, sondern auch uns Zuschauer durch einen wilden Mix an Genres, vermischt Superheldenaction, klassisches Abenteuer, Fantasy und Trash zu einem nicht stimmigen, aber ultra-unterhaltsamen Shrimps-Cocktail mit bildgewaltigem Sahnekrönchen. Die Story folgt dabei fauler Videospieldramaturgie: Ein Gegenstand muss gefunden werden, sonst ist alles am Arsch. That’s it. Lasst euch drauf ein oder Game over. Nach dem Intro kommt das Tutorial, dann folgt Schlag auf Schlag Level auf Level. In Zwischensequenzen geht es oft um Aquamans Vergangenheit und Ausbildung, um die sehr vage Motivation von Hauptschurke Orm (James Wans Buddy Patrick Wilson) und um ein ganz kleines bisschen Kritik an Umweltverschmutzung. Und dann darf wieder munter drauf los gekloppt werden.

Und das auf höchstem filmtechnischen Niveau. Nur selten wirkt das Geschehen zu hektisch, meistens ist Wan darauf bedacht, dass wir den vollen Überblick bewahren und ja nichts von den coolen Schlagabtauschen, Schlachten und Verfolgungsjagden verpassen. Mehr noch: In den besten Momenten lässt Wan die Kamera vollkommen entfesselt durchs Geschehen gleiten, lässt den Kinosaal zum Flugsimulator mutieren. Seinen Höhepunkt erreicht dieses Konzept bei einer der besten Actionszenen des Jahres, in der Arthur und seine Wegbegleiterin Mera über den Dächern Siziliens gegen Auch-Bösewicht Black Manta (Yahya Abdul-Mateen II) und seine Armee kämpfen und die Kamera dabei ständig fließend zwischen den zwei Orten des Kampfgeschehens hin- und herfliegt. Genial choreografiert, extrem Adrenalin fördernd.

Ob in Actionszenen wie dem wahnwitzigen Schlachtenfinale oder in den friedlichen Momenten, in der wir die prächtige Unterwasserstadt Atlantis genau in Augenschein nehmen können: stets sorgt Komponist Rupert Gregson-Williams für das passende Klangbild, mal klassisch heldenhaft, dann wieder im verspielten Retro-Synthesizer-Sound. Aquamans Thema passt wunderbar auf den Haudegen und besticht durch eine interessant gewählte Akkordfolge, bleibt besser im Gedächtnis als viele Melodien bei der Marvel-Konkurrenz, ist jedoch auch weit entfernt von der Eingängigkeit des „Wonder Woman“-Themes. Kleiner Fun-Fact am Rande: Rupert Gregson-Williams komponierte auch den Score zu „Wonder Woman“, das bekannte Thema der Power-Amazone stammt jedoch von Kollege Hans Zimmer.

© Warner Bros. Pictures

Das klingt nach einem tollen Schwimmerlebnis, doch bei all der Beschreibungen bildgewaltiger Effekte und toll choreografierter Action bleibt die Frage: Ist die Wassertemperatur nicht etwas unterkühlt? Nö, denn wenngleich die Story nicht mehr als zweckdienlich ist, sorgen Jason Momoa, der eh für diese Rolle die Idealbesetzung ist, und Amber Heard als zunächst ungleiches Paar mit viel Spielfreude und Selbstironie für Sympathie. Und auch für den ein oder anderen funktionierenden sentimentalen Moment ist Platz.

Fazit:
Ehrenrettung in doppelter Hinsicht: Aquaman kann nicht nur endlich seinen durch „Big Bang Theory“ zementierten Ruf als Turnbeutelvergesser-Superheld ablegen, sondern bringt wie zuvor Kollegin Wonder Woman DCs Kinouniversum wieder auf Spur. Ein wa(h)nsinnig verrückter Unterwassertrip, der bildgewaltig und actionreich offen zu seiner trashigen Grundkonstellation steht.

7,5/10

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