BG Kritik: „Greyhound – Schlacht im Atlantik“ mit Tom Hanks

17. Juli 2020, Christian Mester

Tom Hanks ist zweifellos einer der berühmtesten Schauspieler überhaupt, doch auch ihn trifft die aktuelle Corona Krise volle Breitseite – zumindest beruflich. Während die meisten Kollegenprojekte wie etwa Vin Diesels „Fast & Furious 9“ geduldig auf bessere Kinozeiten warten, wurde bei Hanks neuestem Film, den er sogar selbst geschrieben hat, anders entschieden. „Greyhound – Schlacht im Atlantik“ sollte ursprünglich via Sony weltweit in Kinos anlaufen, doch dazu wird es nun nicht mehr kommen. Stattdessen verkaufte Sony den Titel an Apple, die ihn jetzt als namhaftes Exclusive für ihren Streamingdienst Apple+ veröffentlichten. Es dürfte damit der erste Hanks seit Jahrzehnten sein, der keinen globalen Kinostart erhält.

Die Story des Films ist kurz erzählt: im Zweiten Weltkrieg befehligt der erfahrene Kapitän Ernest Krause (Hanks)  einen Zerstörer, der zusammen mit ein paar anderen einen Konvoi von Truppen- und Nachschubschiffen bei der Überfahrt von den USA nach England beschützen soll. Unterwegs wirds dann knifflig, als ein ‚Wolfsrudel‘ deutscher U-Boote attackiert. Mit cleveren Manövern gilt es durchzuhalten, bis man in Reichweite alliierter Fliegerunterstützung gelangt.

Mit „Der Soldat James Ryan“ und „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ hat Hanks zwei der besten Kriegsfilme der letzten Jahre im Gepäck, mit „Captain Phillips“ hat er in einem der spannendsten Bootsthriller überhaupt mitgespielt, darüber hinaus hat er noch „Band of Brothers“ und „The Pacific“ mit Steven Spielberg zusammen entwickelt, die beiden wohl besten Kriegsserien überhaupt. Dementsprechend sollten die Erwartungen an seinen neuen kriegsthematischen Titel ebenfalls hoch sein, doch da muss man sofort näher hinschauen. Zum einen fällt auf, dass „Greyhound“ lediglich ein Budget von 50 Millionen Dollar hatte, bedeutend weniger als sonstige Kriegsfilme. Das reicht für ein paar gute Ruder, nicht aber für einen dicken Außenborder. Zum anderen muss man bedenken, dass Hanks der Drehbuchautor weitaus weniger Erfolg hatte als Hanks der Darsteller. Geschrieben hatte er bislang nur „Larry Crowne“ und „That Thing You Do!“, die man beide unter ‚belanglos nett, aber nicht tomhanksmäßig mega‘ einordnen darf.

Tatsächlich ist die Atlantikschlacht relativ spaltend. Ein großer Oscar-Titel wäre es wahrlich ohnehin nicht geworden, da dem Werk in allererster Linie Fingerspitzengefühl und Tiefgang fehlt. Ähnlich wie bei Gerald Butlers U-Boot Thriller „Hunter Killer“ (BG Kritik) stürzt sich die Handlung nach kurzem Prolog sofort ins Geschehen und rast dann ohne wirkliche Pausen speedbootig durch seine kurzen 90 Minuten. Abgesehen von Hanks‘ Captain wird dabei kein einziger Nebencharakter näher beleuchtet, und die antagonistischen Deutschen werden sogar auf simpelste Drohfunksprüche a la „haha ihr werdet alle sterben“ reduziert. Was übrig bleibt, ist ein reiner Fokus auf Captain Hanks, der seinen Untergebenen die meiste Zeit über Anweisungen wie „hart backbord / dreißig Grad rechts / Statusmeldung!“ durchtaktet, die immerzu eifrig befolgt werden. Bemerkenswert ist, dass diese Entscheidungen meistens genial ausfallen, obwohl es der erste militärische Einsatz für den sonstigen Zivilkapitän Krause sein soll. Hanks stevenseagalt hier demnach, und es ist fast schon absurd, wie übersuper er agiert, und wie seine Pläne niemals von anderen angezweifelt werden. Hanks torpediert sich übrigens selbst mit dem obligatorischen Vergleich Captain Krause vs Captain Phillips, denn während Phillips‘ so gut ausfiel, dass die Rolle eine Oscarnominierung verdient gehabt hätte, bleibt Captain Krause eindimensionaler als Käpt’n Iglu.

Prinzipiell ist die brenzlige Situation an sich ungemein spannend. Ein U-Boot hat den extremen Vorteil, nur schwer gesehen oder geortet werden zu können und kann sich mit seinen Torpedos prima anschleichen. Ein Zerstörer allerdings hat bergeweise Sprengfässer und Bordkanonen, die ein U-Boot nur geringfügig antitschen müssen, um den Kübel dauerhaft zu versenken. So kann man den Film schon fast als Gegenstück zum deutschen Klassiker „Das Boot“ sehen, da man hier auf die andere Seite blickt. Im direkten Vergleich sieht man aber direkt, dass die Unterschiede riesig ausfallen. Der Herbert Grönemeyer Klassiker brilliert auch heut noch durch großartige Spannungsszenen, durch markante Crewmitglieder (u.a. Grönemeyer) und fesselnde Meinungsverschiedenheiten, sowie Petersens Vermögen, die beklemmende Enge, mit einem durchgeschwitzten Herbert Grönemeyer auf engstem Raum eingesperrt zu sein, visuell zu übertragen. Wer selbst schon mal ein U-Boot betreten hat, weiß, dass das Mittendringefühl hervorragend umgesetzt ist.

© Apple+

„Greyhound“ hingegen gerlingt das nicht. Die Effekte der Schiffs- und Kampfszenen sind zwar ordentlich umgesetzt, trotz allem kommt aber keinerlei Erlebnisgefühl auf. Das liegt an Supercaptain Hanks, der scheinbar eh alles gewinnt, aber auch an Regisseur Schneiders Desinteresse am Rest der Mannschaft. Tatsächlich ist das Ding damit näher dran an „Battleship“ mit Rihanna oder „Midway“ mit Nick Jonas von den Jonas Brothers (wobei das kein Kriterium sein muss, hatte „1917“ Harry Styles von One Direction in einer Rolle), als an typisch ernsten Kriegsfilmstoffen. Dass der Stoff einseitig Pro-Amerika ausfällt, mag an der Quelle liegen, denn Hanks basierte sein Script auf einem Roman aus dem Jahr 1955. Dennoch darf man ein klein wenig enttäuscht darüber sein, dass gerade er mit seinem Faible für sensible, anspruchsvolle Stoffe bei seinem eigenen Material so wenig Augenmerk darauf gelegt hat.

Zum Schluss ist der Film allen Soldaten gewidmet, die ihr Leben auf hoher See verloren haben, aber so wirklich will das nicht genügen. Eine größere Widmung wäre es gewesen, die Ängste, das Leid, die Ausweglosigkeit und die Menschlichkeit der beteiligten Soldaten näher zu beleuchten, und vor allem auch darauf aufmerksam zu machen, dass die gegnerischen U-Bootleute keine seelenlosen Monster waren, sondern Herbert Grönemeyers, die ebenfalls nur ihren Job machen wollten. Weitaus besser machten das zuletzt „1917“ und „Dunkirk“. Hanks äußerte sich traurig darüber, dass „Greyhound“  nicht in die Kinos kam, aber es wäre schon weit hergeholt zu vermuten, dass er ähnliches Prestige hätte erreichen können wie Hanks‘ üblicher Output.

Trotzdem allen Schwächen läuft der Kahn aber zum Glück unterhaltungstechnisch nirgends auf. Dafür sorgt Hanks (der Darsteller) schon im Alleingang, da er auch diese Rolle mit gewohntem Charisma steuert und es immer eine Freude ist, ihn als souveränen Anführer agieren zu sehen. Die Kurzweiligkeit des Ganzen lässt darüber hinaus keine echte Langeweile aufkommen, so bleibt „Greyhound“ ein brauchbarer Genresnack – wenn auch ohne Tiefgang.

5/10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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