Treasure Tuesday Spezialkritik: „Road to Perdition“

19. Januar 2021, Christian Westhus

Das 2002er Gangsterdrama mit Tom Hanks, inszeniert vom „Skyfall“ Regisseur. „Road to Perdition“, unser heutiger Treasure Tuesday Tipp. Jeden Dienstag auf Erkundungstour gehen. Wir stöbern nach vergessenen Filmen, unterschätzten Filmen, alten Filmen, fremdsprachigen Filmen. Nach Filmen die sich lohnen, auch wenn gerade nicht die halbe Welt über sie spricht.

© 20th Century Studios

Road to Perdition
(USA 2002)
Regie: Sam Mendes
Darsteller: Tom Hanks, Tyler Hoechlin, Paul Newman, Daniel Craig, Jude Law u.a.
Kinostart Deutschland: 05. September 2002

Was ist das für ein Film?
Nach seiner Theaterzeit legte Sam Mendes mit „American Beauty“ 1999 eines der erfolgreichsten Filmdebüts überhaupt hin. Auf den frühen Karrierehöhepunkt ließ er dieses Gangsterdrama basierend auf einer Graphic Novel folgen. Der Comic-Ursprung lässt den geneigten Fan vielleicht aufhorchen, entpuppt sich aber einmal mehr als Beweis dafür, dass „Comic“ und „Graphic Novel“ keine Genres sind. „A History of Violence“ oder „Blau ist eine warme Farbe“ waren schließlich auch zuerst Comics. „Road to Perdition“ führt in eine Kleinstadt in Illinois zu Beginn der 1930er Jahre. Michael Sullivan (Tom Hanks) ist der Mann fürs Grobe im Schaffen des irischen Gangsterpaten John Rooney (Paul Newman). Beide verbindet eine enge persönliche Bindung, fast so als wären sie Vater und Sohn, doch Rooneys leiblicher Sohn Connor (Daniel Craig) ist aus einem ganz anderen Holz geschnitzt, ist hitzköpfiger, aggressiver. Michael und Connor wollen ein mögliches Problem mit einem Bandenmitglied klären, doch die Sache eskaliert und Menschen sterben. Noch dazu hat sich Michaels ältester Sohn Michael Jr. (Tyler Hoechlin) heimlich versteckt und konnte die Situation beobachten, wird aber von seinem Vater und Connor entdeckt. Der Junge wird nichts verraten, verspricht Michael, doch bald schon ahnt er, dass insbesondere Connor auf Nummer sicher gehen und seine eigenen dreckigen Hände waschen will. Den Sullivans droht, auf die Abschussliste der Rooneys zu gelangen, also wagen sie die Flucht.

Warum sollte mich das interessieren?
Filme sind immer eine Art Zeitkapsel, doch „nur“ 20 Jahre in die Vergangenheit zu reisen, kann oftmals einen verblüffenden Effekt haben. Insbesondere die Wahrnehmung der Darsteller ändert sich. Ganz zentral haben wir einen (relativ) jungen Tom Hanks an der Seite des großen Paul Newman. Dieses Zusammentreffen war damals eine mittelgroße Sensation und für Newman war es die letzte große Kinorolle. Wir haben zudem Tyler Hoechlin, CWs Superman, in der zentralen Kinderrolle und wir haben Baby Daniel Craig vor seinem Bond-Durchbruch, aber schon unter der Leitung seines späteren „Skyfall“ und „Spectre“ Regisseurs. Der starbesetzte Cast und die hochqualitative Produktion sind alleine schon lohnenswert. Die Kostüme sind authentisch und unaufdringlich, nicht annähernd so grell wie beispielsweise „Live by Night“, dafür im ständigen Regen gefühlt zentnerschwer. Die 1930er selbst wirken bemerkenswert, mit zahlreichen klassischen Automobilen und historischen Stadtszenen. Insbesondere der Musikscore von Thomas Newman ist herausragend, gehört mit zu den besten Arbeiten des Komponisten.

All diese Äußerlichkeiten machen „Road to Perdition“ schon sehenswert, doch der Film bietet eine ganze Menge, kann man sich der geduldigen, aber keineswegs langweiligen Erzählweise anschließen. Insbesondere der erste Akt, bis die Sullivans die Flucht antreten, ist ein Genuss. Die Geschichte ist beseelt von einer Schwere und Tragik, fernab von der zweischneidigen Anziehungskraft eines „Der Pate“ oder „Goodfellas“, sondern als wehmütiger Blick auf ein großes tragisches Dilemma. Nicht ohne Grund spricht der Filmtitel von der Straße bzw. vom Weg, der ins Verderben führt. Diese Stimmung motiviert auch ganz zentral Tom Hanks in der Hauptrolle. Hanks als Auftragskiller für den Mob – das war und ist ein ungewohntes Bild, also ist Hanks natürlich der sanfteste Killer seit Leon und immer nur dann hart, wenn es nicht anders geht.

Dieser Film wirkt wie eine klare Alternative oder Gegenposition zu „Goodfellas“ (1990) oder zumindest wie eine Ablehnung von Ray Liottas Hauptfigur aus dem Scorsese-Klassiker. Liottas Henry Hill verkündete in der berühmten Einstiegssequenz, schon immer vom Gangsterleben geträumt zu haben. In Michael Sullivan Jr. haben wir einen Jungen, der seinem Vater mit Skepsis und Ehrfurcht begegnet, der aber gar nicht richtig weiß, was Dad für den mächtigen John Rooney überhaupt tut. Der junge Michael blickt in den Abgrund des organisierten Verbrechens und wird vom Abgrund entdeckt, von diesem geschnappt und gejagt. Söhne seien dazu da, ihren Vätern Sorgen zu bereiten, erklärt Rooney vielsagend und bringt damit die komplexe emotionale Verästelung zwischen den vier männlichen Hauptfiguren auf den Punkt; Michael, Michael Jr, Rooney und Connor. Recht spät kommt noch Jude Law ins Spiel, der Fotograph der Toten, denen er selbst ein wenig ähnelt, mit seiner dürren Statur, der bleichen Haut und dem lichten Haar. Laws Charakter erhöht die Dramatik und die Dringlichkeit für die Sullivans, die einen Weg aus der Misere und aus einer Welt der kaltblütigen Gewalt finden müssen. In diesen Nuancen entfaltet sich Sam Mendes‘ Film zu einem edel bebilderten und spannenden Gangsterdrama, welches nicht besser sein muss als die großen Klassiker des Genres, da sich dieser Film einen ganz eigenen kleinen Blickwinkel erarbeitet.

„Road to Perdition“ ist zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels auf Netflix zu finden. Ansonsten überall erhältlich als DVD/BD/VOD.

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Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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