BG Kritik: „Spider-Man: No Way Home“ (Spoiler) jetzt im Heimkino
Man könnte den dritten Marvel Spider-Man natürlich ohne Spoiler besprechen – allerdings lohnt das hinsichtlich der unterhaltsamen Überraschungen eher nicht. Daher sollte diese Kritik erst nach Sehen des (äußerst gelungenen!) Films gelesen werden.
Regie: Jon Watts
Besetzung: Tom Holland, Zendaya, Jon Favreau
Blicken wir zurück auf die ersten beiden Teile mit Tom Holland, so waren das gute, spaßige typische MCU Filme, aber letzten Endes keine sonderlich emotionalen. Gewiss nicht so emotional wie die Sache mit Bens Tod in „Spider-Man“ 1 oder Gwens Sturz in „The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro“. Schwierig wird es ohnehin, sonderlich aufzufallen, wenn man in 21 Jahren schon 7 Spider-Man Kapitel mit drei verschiedenen Darstellern hatte.
Das müssen sich auch die Macher des neuen gedacht haben, die mit „Spider-Man: No Way Home“ nun was ziemlich Verrücktes wagen. Damit ist nicht die Sache mit dem Multiversum gemeint, das ja schon in „Loki“ und „Spider-Man: A New Universe“ behandelt worden ist. Anstatt einfach nur eine neue Geschichte mit Gegner XY zu erzählen, greift man ins Multiversum und macht einen Film, der gleichzeitig Teil 3 der Holland-Reihe, aber auch Teil 3 der Garfield- und Teil 4 der Maguire-Reihe ist. Yep, dass die beiden anderen Spider-Men in diesem vorkommen würden war BG-lesefreudigen Cineasten lange keine Überraschung mehr, aber im Film überrascht es dennoch, wie viel sie vorkommen. Statt müde Cameos oder Post-Credits-Szenen bestreiten die drei zusammen das ganze letzte Drittel des 2,5h Films, was angenehm viel ist. Auch verkommen die zwei nicht zu Paycheck sammelnden 1-Drehtag-Statisten wie gewisse Herren Ghostbusters neulich, sondern sind eng in die Story eingewoben und sichtlich mit Elan dabei.
Watts scheint bewusst zu sein, wie sehr der Maguire Spidey geliebt und meme-würdigt worden ist, und auch, dass Andrew Garfields Run mindestens einen Film zu kurz war. Dementsprechend lässt er die drei Spideys viel miteinander sprechen, hat Katharsis für den immer noch von Gwen Tods traumatisierten Amazing Spider-Man und greift sogar mehrfach bekannte Memes. Spannend ist auch, dass die weitere Zukunft von Maguires Peter und seiner MJ wohl doch nicht so rosig war wie man gedacht haben mag („es ist kompliziert“), und beim Garfield Spidey wird gar impliziert, dass er später angefangen hat, seine Gegner bewusst zu töten.
Dass man die 5 alten Gegner aus den verschiedenen Filmen zusammenholt (Goblin aus „Spider-Man“, Doc Ock aus „Spider-Man 2“, Sandman aus „Spider-Man 3“, Lizard aus „The Amazing Spider-Man“, „Electro aus „The Amazing Spider-Man 2“ – leider nicht 6, also keine Sinister Six) wirkt anfangs vielleicht einfallslos, doch der Film holt sie sich nicht einfach aus Faulheit für einen Best-of-Mix zurück, sondern strickt eine lohnende neue Handlung um sie herum. Erstmals bespricht ein Comic-Film die Tatsache, dass es eigentlich schade ist, dass viele Bösewichte im Laufe der Stories tragische Schicksale haben und am Ende sterben. Es mag ein wenig banal sein, doch passt perfekt zu Peter, der so eine gute Seele ist, dass er einfach jeden retten will, selbst diejenigen, die die ihm seine Liebsten töten oder alle Stadtbewohner in Echsenmenschen verwandeln wollen.
Dass der alte Goblin letztendlich wieder einmal der Hauptgegner ist, schließt einen hervorragenden Bogen zu seinem ersten Auftritt vor 20 Jahren und passt auch zur gewählten Story, da er eine gespaltene Persönlichkeit hat und die ‚gute‘ Seite wortwörtlich ein Opfer der ‚bösen‘ ist. Sprich, man kann den bösen nicht töten ohne auch den guten zu erwischen. Interessant ist auch, dass Watts trotz der Menge an Gegner für jeden von ihnen gute Szenen hat, selbst für die reinen CGI Klotze Lizard und Sandman. Überhaupt beweist Watts einmal mehr ein gutes Händchen für seine Figuren und hat wieder mal viele amüsante Szenen für Nebencharaktere wie May, Happy, Flash, J Jonah Jameson oder Ned.
Wenn man es genau nimmt, gibt es mit Dr. Strange auch noch einen weiteren Gegner, denn trotz seiner anfänglichen Hilfe wendet er sich gegen Spider-Man und verliert erst einmal, weil er ihn unterschätzt. Obwohl der Holland-Spider-Man auch in diesem Film wieder hibbelig, unsicher und sehr jugendlich erscheint, macht er nach seinen anderen Filmen endlich einen Wandel durch und ist am Ende blutverschmiert und mitgenommen wesentlich gefasster und entschlossener.
Generell darf man erfreut sein, wie unterwältigend die Trailer zum Film waren, denn sie werden dem finalen Produkt nicht gerecht. „No Way Home“ ist gespickt mit großartigen Actionszenen, tollen Charaktermomenten und Insiderwitzen, und hat einfach fantastisches Spider-Man Feeling.
Nachdem die „Hawkeye“ Serie schon den Kingpin gezeigt hat, ist es hier auch ein großer Spaß, endlich Matt Murdock/Daredevil zu sehen. 3 Jahre ist es her, dass die gefeierte Serie bei Netflix abgesagt worden war, und da der blutige Stil nicht zum Rest von Disney+ passte, musste man befürchten, dass da nichts neues mehr kommen würde. Die Szene im Film mag zwar unbedeutend wirken, öffnet aber die Türen für neue Möglichkeiten. Eine tolle Würdigung, die absolut überfällig war.
Wenn man etwas kritisieren will, gibt es nicht wirklich viel auf der Hand. Am ehesten vielleicht Jamie Foxx‘ Schauspiel als Electro. Als einziger von allen wirkt er relativ monoton und faselt in der Qualität mauer Videogames nonstop bloß von Energien, die er spüren kann oder werden will. Im Gegensatz zu den anderen Figuren wirkt er nicht sonderlich menschlich. Dass sein Aussehen verändert wurde – wahrscheinlich weigerte sich Foxx, sich nochmal komplett blau anmalen zu lassen – wird zwar angesprochen, lässt aber rätseln, wie sich das erklärt, dass er plötzlich eine andere Frisur hat und nicht mehr so tumb ausschaut. Immerhin darf man darüber schmunzeln, dass er bei jedem Blitzschuss kurz einen Stern im Gesicht hat, wie sein ganz klassisches Comic-Design.
Überdies ist der Kampfplatz des Showdowns eventuell visuell etwas mau gewählt, da man ja im Gerüst einer umgebauten Freiheitsstatue kämpft. Als Location nicht zum ersten Mal gewählt (man denke nur an „X-Men“ 1), verliert man einfach ein wenig den Überblick, wo was ist, und welcher Spider-Man gerade was macht, da ja alle drei auch recht ähnlich ausschauen, aber die Kommentare der drei helfen da eigentlich genug, um zu differenzieren.
Was mag das Ende für die Reihe bedeuten? Dass Spidey es akzeptiert und dabei belässt, dass seine Freunde ihn nicht mehr länger kennen, ist eine interessante Wahl. Auch heißt das, dass niemand von den Avengers mehr weiß, wer er ist, auch Dr. Strange nicht. Der wiederum hat sicherlich noch mehr an der Sache zu fressen und darf sich in „Dr Strange and the Multiverse of Madness“ weiter mit dem Debakel beschäftigen, das er hier angerichtet hat; dann mit WandaVisions Wanda. Spannend ist die Vorschau, dass ein böser Dr. Strange auftaucht, denn der Sorcerer Supreme ist jetzt schon eins der mächtigsten Wesen des MCU, also ist er in böse eine bedeutende Gefahr.
Die andere Post-Credits-Szene hingegen dürfte die große Frage besiegeln, wie die Gegner aus den Sony Einzelfilmen von Spider-Man Gegnern, also „Venom“ und nächstes Jahr „Morbius“ und „Kraven“ zum Tom Holland Spider-Man passen: gar nicht. Wie es schon in der Abspannszene von „Venom 2“ gezeigt worden war, ist Tom Hardy durch Dr Stranges Spruch samt Venom ins MCU versetzt worden, hat da aber laut dieses Films nur ein paar Bierchen getrunken und ist dann wieder zurückteleportiert worden. Mit einem Überbleibsel: ein Stückchen Venomsymbiot ist hier geblieben, also heißt das summa sumarum: es wird Venom im MCU geben, aber nicht in der Tom Hardy Version. Die bleibt in ihrem eigenen Universum.
Fazit:
„Spider-Man: No Way Home“ ist ein…. gelungenes Experiment. Der Mischmasch aus drei verschiedenen Generationen Spider-Man klappt hervorragend und ist gleichermaßen Fanservice ohne Ende, wie auch das beste der drei neuen Spidey-Filme. Ein absoluter Pflichttitel für alle Fans der freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft.
Zur Registrierung