BG TV-Kritik: „Castlevania“ (Staffel 1)
Netflix verfilmt den Videospielklassiker als Animationsserie. Die Walachei im 15. Jahrhundert. Nachdem seine Frau von der Kirche auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, sendet Vlad „Dracula“ Tepes einen Fluch über die Gegend. Seine Höllenkreaturen richten blutiges Unheil an, doch Trevor Belmont, der letzte Sohn einer geächteten Familie von Vampirjägern, soll den Vampirfürsten aufhalten.
Castlevania (Staffel 1)
Entwickler: Warren Ellis
Sender: Netflix, 2017
Sprecher: Richard Armitage, James Callis, Graham McTavish, Alejandra Reynoso, u.a.
Diese Kritik erschien ursprünglich zum Start der Serie im Juli 2017. (Kritik Staffel 2 | Kritik Staffel 3 | Kritik Staffel 4)
Castlevania: The Movie: The Series
Nicht täuschen lassen. „Castlevania“ wird zwar als Staffel einer TV-Serie beworben und in vier eigens betitelten Episoden präsentiert, doch eine Fernsehserie ist es nicht. Zumindest noch nicht. Womöglich ergibt das Format etwas mehr Sinn, wenn weitere Episoden und Staffeln erscheinen, doch mit vier Folgen je 25 Minuten (abzüglich Titel und Abspann) und arbiträr gesetzten Zwischenstopps haben wir es fraglos mit einem Film zu tun. Das ist eigentlich irrelevant und wahrscheinlich leicht zu erklären, arbeitete Autor und Projektleiter Warren Ellis doch lange Zeit an einer Filmversion zum 3. Teil der Castlevania Videospielreihe ehe Netflix hinzukam, eine Serie plante und die erste „Staffel“ aus Testgründen kurzhalten wollte. Und dennoch irritiert die eigenartig reduzierte Staffel bzw. der Film mit den drei Zwangspausen.
Das liegt auch an der Handlung selbst, die unmissverständlich ein Auftakt für mehr und für Größeres ist. „Castlevania“ ist ein Intro, vielleicht sogar „nur“ ein Prolog. Mit dem, was uns diese „Staffel“ erzählt, hätten wir bei „Der Herr der Ringe“ zum Beispiel gerade Bruchtal wieder verlassen. Mit der Vorstellung des Antagonisten, der Einführung des Helden, Vorstellung der Welt und der Formung einer Art Heldengruppe könnte man auch die Pilotfolge einer TV-Serie abschließen. „Castlevania“ streckt diese Grundpfeiler des Epos, welches da kommen soll, mit ausgedehnter Action, zahlreichen Nebenfiguren und etwas mehr Details für seine Figuren.
Diese Extras kommen insbesondere Dracula höchstpersönlich gelegen. Der Vampirfürst dieser Version hat vielleicht nicht die originellste Hintergrundgeschichte, doch seine Begegnung mit Wissenschaftlerin Lisa, sein Versuch, Menschen besser zu verstehen, und der zerstörerische Einfluss der Kirche geben Monsieur Tepes mehr Charakter als Film-Sauron nach etwa 11 Stunden „Herr der Ringe“ besaß. Und die Dracula-Szenen haben es in sich, insbesondere in der Auftaktfolge. Sobald Tepes seine Zurückhaltung ablegt erwarten uns Feuersäulen, gigantische Fledermäuse, Donner, Blitz und Blutregen. Draculas Zorn ist nur zu verständlich, auch wenn er in seiner Rache schnell den Bogen überspannt und unrettbar Schurkenterritorium betritt. Doch mit der Kirche, repräsentiert durch einen machtbesessenen Bischof, bekommen wir einen zweiten, diesseitigen Widersacher präsentiert, was so ungewöhnlich wie spannend ist. Eine kleine Lektion in Sachen Religion und Gottesfürchtigkeit aus dem Mund eines Dämons ist da ein besonderes Highlight.
Ähnlich der dynamisch-effektiven, aber letztendlich nicht übermäßig detailreichen Anime-fizierten Animation ist auch Warren Ellis‘ Figurenzeichnung grob und etwas simpel, aber nicht ohne manch klugen Einfall. Mit teils absurd-humoristischen Dialogen wird unser vermeintliche Held Trevor Belmont in der Stadt begrüßt. Auch Belmont selbst schlägt einen spöttisch-lockeren Ton an, da er erst noch von der Notwendigkeit seiner Heldentaten überzeugt werden muss. Bewaffnet mit Kurzschwert und Peitsche ist Belmont der Inbegriff eines „Reluctant Hero“, eines Zögerlichen Helden. Die Action, in die neben Draculas Monstren bald helle Magie tritt, ist flott und nicht zimperlich, mit viel Blut, ausgepeitschten Augen und abgetrennten Gliedmaßen. Dennoch wirkt eine ausgedehnte Kletterpartie wie nonchalantes Zeittotschlagen, ehe sich gewisse Figuren gefunden haben und das eigentliche Abenteuer beginnen kann – auf das der Zuschauer dann etwa ein Jahr wird warten müssen. Doch wenn man am Ende augenrollend aufschreit, man würde gerne jetzt sofort mehr sehen wollen, dann ist das reduzierte Erzählformat vielleicht nicht ideal, als Geschichte hat „Castlevania“ allerdings einiges richtig gemacht.
Fazit:
Nicht besonders tiefgreifend, aber interessant und insbesondere unterhaltsam genug. Der als Serie getarnte Prologfilm zur Castlevania-Reihe bei Netflix ist sehenswert und mit diesem vorsichtigen Lob bereits eine der besten Videospieladaptionen überhaupt.
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