BG Kritik: „The Tomorrow War“

7. Juli 2021, Christian Westhus

Chris Pratt als Ex-Soldat, der für einen Krieg gegen schier unbesiegbare Aliens in die Zukunft reist, um die Welt zu retten. Großbudgetierte und effektreiche Sci-Fi-Action, direkt bei Prime Video gelandet.

The Tomorrow War
(USA 2021)
Regie: Chris McKay
Darsteller: Chris Pratt, Yvonne Strahovski, J.K. Simmons
Veröffentlichung Deutschland: 02. Juli 2021

Man kennt das: da hat man sich als zum Bio-Lehrer gewordener Ex-Special-Forces Soldat mit der Einfachheit des familiären Vorstadtlebens irgendwie zähneknirschend arrangiert, als plötzlich Menschen aus der Zukunft ankommen, um Menschen aus der Vergangenheit zu rekrutieren, da ihnen in einem Krieg gegen schier unbesiegbare Aliens langsam aber sicher das Personal ausgeht. „The Tomorrow War“, ein angeblich rund 200-Mio-Dollar teurer Sci-Fi Actioner, den Paramount coronabedingt an Amazon weiterreichen musste, will die Umstände dieser Zeitreise-Rekrutierung nicht unerwähnt lassen. Beispielsweise darf nur, wer ein passendes „zukünftiges“ Todesdatum besitzt, den höchstwahrscheinlich tödlichen Einsatz in der „Zukunft“ antreten. Dass die gesamte Aktion dennoch ein einziges großes Großvater-Paradoxon ist, ein irreparabler Eingriff in eine Zeitlinie, interessiert den Film hingegen nicht.

Der Umgang seitens der Zuschauer mit dieser fragwürdigen inneren Logik gehört zu den zentralen Herausforderungen, wie man dem Film begegnen könnte. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, eine harmlos-unterhaltsame Zeit mit diesem actionreichen Effekt-Vehikel zu haben. Die Prämisse ist blödsinnig, klar, aber sie ist auch auf simple Art und Weise effektiv. Wenn die Zukunft die helfende Hand der Vergangenheit sucht, sich hinstellt und verkündet, ‚Leute, die Kacke ist derart am Dampfen, wir brauchen euch,‘ dann kann das unfreiwillig komisch klingen, aber an der Dringlichkeit der Umstände gibt es keinen Zweifel. Mit einem (zunächst noch) unaufdringlichen Hauch familiärer Dramatik wird Chris Pratt alias Dan Forester durchs Zeit-Portal geschmissen, um das zu tun, was eher seinem Naturell entspricht, nämlich zur Waffe greifen und gefährliche Widerstände bekämpfen. Man kann Pratt sympathisch und unterhaltsam finden, der seinen „Sympathischer Trottel“ Faktor hier ein wenig herunterschraubt, stattdessen den sympathisch-seriösen Daddy mit Militärerfahrung gibt. Im Krieg von (oder um?) morgen geht es dann auch schnell rasant und schnittig zur Sache, mit erstklassig gestalteten und animierten Monstern, die vergessen lassen, dass Aliens in Analogie zu einem Insektenstaat inzwischen ein alter Hut sind. Und Regisseur Chris McKay, der immerhin den exzellenten „Lego Batman“ inszenierte, ist ja nun auch kein Amateur. Es ist keine Schande, von dieser wilden Mischung für 2+ Stunden angemessen bespaßt zu werden.

Für nicht wenige Zuschauer ist es aber „gehopst wie gesprungen“, ob dieser Film ursprünglich fürs Kino gedacht oder direkt fürs Streaming geplant war. Da fühlt man sich an ansonsten quasi vergessene Filme wie „Outside the Wire“ erinnert und fragt sich, warum diese überteuerten Möchtegern-Blockbuster der Streaming-Ära so häufig den Charakter eines aufgewärmten Big Macs von vor zwei Wochen erwecken. Oder man fragt sich, warum Actionspektakel ohne existierende Populärlizenz offenbar dazu verdammt sind, glattgebügeltes Mittelmaß zu sein. Derartig teure Projekte werden im schnelllebigen und ultimativ globalen Filmgeschäft auf den kleinsten gemeinsamen Nenner heruntergebrochen, um überall zu funktionieren. Übrig bleibt ein Film ohne Ecken und Kanten. Also dürften nicht wenige Zuschauer „The Tomorrow War“ für ein weiteres Beispiel halten, dass man heutzutage zu oft mit teuer produzierter „Billigware“ abgespeist wird.

Wirklich viel falsch macht der Film eigentlich nicht, aber eben auch nicht so viel richtig. Statt die unglaubwürdige Zeitreise-Logik als aufregenden Hintergrund zu belassen, wird noch einer draufgesetzt, wenn die emotionale Kerndramatik von Dan Forester ein noch konkreteres Paradoxon darstellt. Und selbst wenn man sich an den Sci-Fi-Implikationen nicht stört, dürfte es schwerfallen, wirklich nennenswert mitfühlen zu können, wenn Chris Pratt und Yvonne Strahovski Banalitäten des Genres austauschen. Der gelegentlich aufblitzende Humor, zumeist daraus geboren, dass untrainierte Zivilisten in eine gigantische Kriegssituation gegen Aliens geworfen werden, wirkt verkrampft und unharmonisch. In schöner Regelmäßigkeit fliegt uns und dem von Forester angeführten Grüppchen eine zünftige CG-Suppe aus Blei um die Ohren, doch weder vermag die Action als dramaturgische Zuspitzung fesseln, noch gibt es hier die großen oder aufregenden Schauwerte. Vielmehr lässt sich der Mief der glorifizierten Militarisierung irgendwann nicht mehr ignorieren, was spätestens dann seltsam erscheint, wenn sich die Grundmetapher und die daraus resultierende Kernbotschaft nicht mehr ignorieren lassen. Stichwort Wetter. „The Tomorrow War“ wäre gerne ein zweiter „Edge of Tomorrow“, muss sich am Ende jedoch strecken, um in den Bereich eines „World Invasion: Battle Los Angeles“ zu gelangen.

Fazit:
„The Tomorrow War“ gehört zu der immer häufiger auftretende Sorte eines Quasi-Blockbusters, der prinzipiell nett gemacht und problemlos guckbar ist, der aber in wenigen Tagen auch schon wieder vergessen sein dürfte. Unterhaltsam, ja, aber eigentlich sollte man von diesen Filmen mehr erwarten.

5,5/10

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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