BG Kritik: „Die fantastische Welt von Oz“ („Oz the Great and Powerful“)
Die Vorgeschichte zum Zauberer von Oz: Kansas, kurz nach der Jahrhundertwende. Zirkusmagier Oscar „Oz“ Diggs (James Franco) träumt vom großen Ruhm, ist sich aber auch für Betrügereien nicht zu schade. Durch einen Wirbelsturm wird er mit einem Ballon ins fantastische Wunderreich Oz getragen. Dort trifft er auf Hexen und sprechende Affen, die ihn für den in einer Prophezeiung angekündigten Retter ihrer Welt halten. Zauberer Oz genießt den plötzlich Ruhm, während die böse Hexe plant, ihn aus dem Weg zu schaffen.
Die fantastische Welt von Oz
(Originaltitel: Oz the Great and Powerful | USA 2013)
Regie: Sam Raimi
Darsteller: James Franco, Michelle Williams, Mila Kunis, Rachel Weisz
Kinostart Deutschland: 07. März 2013
(Diese Kritik erschien ursprünglich zum Kinostart des Films im März 2013.)
„Pay no attention to the man behind the curtain.“ So lautet einer der markantesten Sätze aus Victor Flemings legendärer 1939er Verfilmung des L. Frank Baum Buchklassikers „Der Zauberer von Oz“, einem der größten Filme überhaupt des amerikanischen Kinos. Wir sollen also dem Mann hinter dem Vorhang keine Aufmerksamkeit schenken. Doch plötzlich kommt dieser neue Film daher und erzählt nichts weiter, als wie ein erfolgloser Illusionist aus Kansas zu eben diesem besagten Mann hinter dem Vorhang im Zauberland Oz wurde. Hollywoods schon seit längerer Zeit anhaltende Vorliebe für Vorgeschichten etablierter Filme und Figuren macht auch vor den ganz großen (und alten) Klassikern nicht Halt. In diesem Fall kommt für die ganze Sache noch die undurchsichtige Rechtegrundlage hinzu. MGM produzierte den 1939er Klassiker, basierend auf L. Frank Baums „The wonderful Wizard of Oz“, doch Disney hält die Rechte an den übrigen Geschichten Baums aus der Welt Oz. Im Windschatten des aktuellen Märchen- und Fantasy-Hypes, der zum Beispiel Tim Burtons „Alice im Wunderland“ auf noch immer unfassbare Eine Milliarde Dollar an den Kinokassen brachte, karrte man für die Enttarnung des Mannes hinter dem Vorhang beim Disney Konzern mal wieder Unsummen heran.
Herausgekommen ist dabei ein überwiegend gefahrloser, äußert bunter, aber nicht sonderlich gehaltvoller Ritt durch relativ bekanntes und in dieser Form ausgetretenes Terrain. Mit dem Personal an Hexen und einigen Designs hält sich dieser Film eher an das Hollywoodvorbild, denn an Baums Romane. Und wer gesehen hat, wie Judy Garland mit Vogelscheuche, Blechmann und Löwe zur Smaragdstadt marschierte und Liedchen trällerte, für den birgt diese Vorgeschichte so gut wie keine Überraschungen. Man kann mit einer Checkliste dabei sitzen und alle paar Minuten einen Haken machen. Die Yellow Brick Road, die Munshkins, die geflügelten Affen und die Smaragdstadt selbst sind nur leicht modernisiert, effekt- und ausstattungstechnisch aufgehübscht, aber ansonsten eben genau diese Welt von Oz, wie wir sie kennen. Zumindest an der Oberfläche. Auf die Vogelscheuche wird hingewiesen und wir lernen, wie der Löwe zu seiner Feigheit kam. Und als wäre die Besetzung nicht schon offensichtlich genug, läuft es auch bei den drei Hexen genauso ab, wie man sich das vorstellt. Man könnte sogar auf die Idee kommen, die halbseidene Verschleierung sei überhaupt nicht dazu da, hinters Licht zu führen und Spannung aufzubauen. Warum man dann aber einen Film macht, den man ab Oscars Landung in Oz mehr oder weniger identisch selbst zu Ende erzählen kann, bleibt offen. Das vielleicht bekannteste Detail des filmischen Vorbilds bleibt jedoch unerwähnt, was im Umkehrschluss schon wieder irritiert und verwundert.
Immerhin ist Illusionist Oscar ganz interessant und steht klar im Zentrum, was der amerikanische Filmtitel wesentlich deutlicher macht als der deutsche. Oz bewandert den klar gezeichneten Entwicklungsbogen eines Helden, der vom Schicksal geführt in eine bedeutungsvolle Rolle gerät und diese ausfüllen muss, in sie hineinwachsen muss. James Franco spielt ihn zu Beginn in Kansas, wenn sich der Film mit Schwarz-Weiß-Look und quadratischem Filmformat erneut ganz klar beim 1939er Film bedient, als egoistischen, eitlen, unehrlichen und undankbaren Schwerenöter, dessen Karriere versandet, der die Finger aber nicht von diversen Frauen lassen kann. Für einen provinziellen Karnevalsmagier kurz nach der Jahrhundertwende sind die Tricks von Oz eigentlich gar nicht so schlecht, dennoch bleibt der Erfolg aus. Nicht zuletzt auch, weil Oz zu viel will, seine Wirkung aufs Publikum durch Lügen, Täuschungen und einem großen Egoismus nicht sehen will. Franco setzt zunächst auf sein eigenes, ganz bewusst präsentiertes Image als undurchschaubarer und leicht arroganter Showbiz-Typ. Oscar ist ein Charmebolzen, aber irgendwie auch ein fieser Mistkerl. In der Beziehung zu den drei Hexen, in der Freundschaft zum lieben fliegenden Affen Finley und als väterlicher Beschützer für ein kleines Porzellanmädche, muss Oscar seine Erfahrungen machen und reifen, seine wahre Bestimmung erfahren. Das ist immerhin eine klassische und runde Sache, relativ simpel, aber mit einem ganz ansprechend visualisierten Finale, das die Macht des Helden geschickt in Szene setzt.
Das übliche Personal bekommt diese Art von Charakterbogen nicht. Das geschickt animierte Porzellanmädchen ist noch ein kleines Effekt-Highlight als absolut knuffig-niedliche Begleiterin des noch nicht ganz sattelfesten Helden. Affe Finley ist der launische Begleiter, und die drei Hexen machen genau das, was man von ihnen erwartet, obwohl Mila Kunis und Michelle Williams mit der gekünstelten Sprache und der zuckersüßen Polarität aus Klar-gut und Klar-böse nicht ganz so gut umgehen, wie das bei Rachel Weisz der Fall ist. Sie tragen interessante Kostüme zur Schau und lassen bunte Lichter durch die Luft zucken, bis man auf die Idee kommt, einer der Damen ein unfassbar misslungenes Make-up zu verpassen. L. Frank Baums Welt ist in der Filmversion keine überbordende Wundertüte aus fantastischen Einfällen. Regisseur Sam Raimi und sein Effekt- und Designteam setzen auf grelle Farben, ein paar relativ geschickte 3D-Spielereien und beschränken sich überwiegend auf das, was es 1939 schon gab bzw. daran erinnert. Ein paar gigantische Glockenblumen und die Porzellanstadt sind die Ausnahmen, doch die sind nichts gegen den visuellen Einfallsreichtum des wahrscheinlich am nächsten liegenden Vorbilds Lewis Carroll. Dessen Wunderwelt funktionierte selbst in Tim Burtons Kuddelmuddel-Adaption noch ausgesprochen gut, während „Oz“ verhältnismäßig bodenständig bleibt. Raimis Umsetzung ist nicht der erwartete Effektoverkill, aber schon ziemlich künstlich. Dennoch ist „Oz“ als Gesamterlebnis runder, wenn auch überraschungsärmer, als der megaerfolgreiche Vergleichsfilm. Ein wenig zu lang, ein wenig arm an echten Höhepunkten, aber ein gefahrloser Zeitvertreib, der auch leicht schlimmer hätte aussehen können. Wie sehr das nun als Kompliment aufgefasst werden kann, muss jeder für sich selbst herausfinden.
Fazit:
Die Vorgeschichte des „Zauberers von Oz“ ist ein kunterbuntes, unterhaltsames, aber überwiegend spannungsarmes Fantasy-Märchen mit klarer Botschaft und immerhin einer recht interessanten Hauptfigur. Wer schon mal in der Wunderwelt „Oz“ war, dem wird vieles bekannt vorkommen. Große Überraschungen bleiben aus.
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