BG Kritik: „Frau im Dunkeln“ (Netflix)

4. Januar 2022, Christian Mester

Maggie Gyllenhaal (Rachel aus „The Dark Knight“) liefert mit The Lost Daughter alias „Frau im Dunkeln“ ihr Regiedebüt ab und schafft es direkt, damit größer auf sich aufmerksam machen. Bei den Filmfestspielen von Venedig konnte sie bereits den Preis für das beste Drehbuch einheimsen, dazu gab es zwei Golden Globe Nominierungen. Ein möglicher Oscartitel? Jetzt auf Netflix.

Regie: Maggie Gyllenhaal
Besetzung: Dakota Johnson, Olivia Colman, Peter Saarsgard

Auf den ersten Blick erscheint „Frau im Dunkeln“, schon vor der ersten Kamera aufgrund des deutschen Titels an wie ein Thriller, oder Mysterythriller. Die Handlung fängt spannend und obskur an. Eine ältere Professorin namens Leda (Olivia Colman) macht Solo-Urlaub in Griechenland und scheint auf den ersten Blick nett zu sein, eckt aber mehrfach komisch mit den örtlichen Nachbarn (u.a. Ed Harris) und anderen Touristen an. Als dann die Tochter der hübschen Nina (Dakota Johnson) verschwindet, ist Leda erst die große Retterin, die die Kleine wiederfinden kann, behält dann aber heimlich deren Spielzeugpuppe für sich. Wieso?

© Netflix – Trailer Screenshot https://youtu.be/xNq9YOfL0Zs

Wer sich Spannungskino erhofft, schraubt seine Erwartungen besser gleich zurück. Auch wenn Gyllenhaals gelungene Regie Genre kameratechnisch immer wieder andeuten mag und sie sich als exzellentes Auge erweist, ist „Frau im Dunkeln“ ganz klar ein Charakterdrama geworden, und gewiss kein einfaches oder gemütliches.

Während wir Leda bei ihrem schier banalen Alltag beobachten, zeigen eingestreute Rückblicke, wie sie (ebenfalls klasse: Jessie Buckley) als Studentin gelebt hat und welche großen Probleme sie in ihrer Rolle als Mutterfigur zweier Mädchen hatte. Wie sich herausstellt, stellt der Film recht schnell in den Fokus, wie Leda mit anderen Mutterfiguren in ihrem Umfeld umgeht, diese betrachtet und bewertet, und wie sie ihre eigene Rolle als Mutter projeziert. Da sie nicht gerade Mary Poppins ist, ergibt das immer wieder einen eher ungemütlichen Film. Dennoch ist es Olivia Colman zu verdanken, dass man trotzdem Mitleid entwickelt und sie nicht einfach als lieblose Rabenmutter abkanzeln kann.

Was die immer unscheinbar aussehende Colman allein mit ihrer Mimik hervorbringen kann, ist beeindruckend, und könnte ihr wirklich eine weitere Nominierung einbringen. „Frau im Dunkeln“ spielt gekonnt mit Gefühlswelten und ist so tiptop inszeniert, dass einem kaum auffallen mag, dass plottechnisch relativ wenig passiert.

Fazit:

Top inszeniertes, klasse gespieltes kleines Drama über ein gewagtes, eher schwieriges Thema. Colman und Gyllenhaal bestechen in ihren beiden Positionen und liefern eine starke Charakterstudie ab.

7/10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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