BG Kritik: „Edge of Tomorrow“ („Live. Die. Repeat“)

16. Februar 2019, Christian Westhus

„Und täglich grüßt das Murmeltier“ als actionreiche Sci-Fi-Action-Alieninvasion. Tom Cruise landet ungewollt in einer Zeitschleife, ist Soldat in einem futuristischen Krieg gegen sonderbare und mächtige Aliens. Um aus der Schleife zu entkommen und der Schlacht zum Sieg zu verhelfen, muss er Nutzen aus seiner Misere ziehen, muss trainieren und den Schlüssel zum Erfolg finden. Dabei hilft Emily Blunt als gefeierte Kriegerin, die selbst ihre Bekanntschaft mit den temporären Fähigkeiten der Aliens gemacht hat.

Edge of Tomorrow (auch: Live. Die. Repeat)
(USA, Australien 2014)
Regie: Doug Liman
Darsteller: Tom Cruise, Emily Blunt
Kinostart Deutschland: 29. Mai 2014

Time is on my side, besangen die Rolling Stones. Die Zeit ist auf meiner Seite. Es ist ein Mantra, welches Protagonisten in „Time Loop“ Geschichten erst im Laufe der Zeit bewusst wird – wenn überhaupt. Bill Murray durchlief in „Und täglich grüßt das Murmeltier“ alle fünf klassische Stufen einer Depression und Trauer, hatte unzählige erfolglose Quasi-Selbstmorde hinter sich, ehe er Begann, seine Umstände aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Tom Cruise alias Cage steht in „Edge of Tomorrow“ – eigentlich – eine ähnliche Reise bevor, wenn er sie denn antritt. Cage ist eigentlich nur ein militärischer PR-Berater, ein Sprecher, ein charismatisches Gesicht, welches Werbung für den Krieg und für den Kriegsdienst macht. Seine Versetzung an die Front ist erst eine symbolische Geste, die „Infektion“ mit der a-chronologischen Alien-Fähigkeit ein dummer Zufall. Oder vielleicht auch nicht. Warum genau wurde Bill Murray ein Protagonist in einem metaphysischen Prozess? Ein guter Zeitschleifefilm kann vergessen machen, dass der Weg in bzw. zu besagter Schleife oft unbegründet oder haarsträubend konstruiert ist. Ein Glück, dass „Edge of Tomorrow“ so viel richtig macht.

Die Struktur des Scripts von Christopher McQuarrie (Regie bei „Mission Impossible Rogue Nation“ und „Fallout“) ist im Sinne dieses Sub-Genres fast klassisch. Zunächst durchlaufen wir recht ausführlich die Zeitspanne, die sich Mal um Mal wiederholen wird, die wir mit leichten Veränderungen in – nun – Dauerschleife sehen. Cage tritt widerwillig seinen Dienst an, trifft auf ein paar Kameraden, die ihm noch nicht wirklich positiv gesonnen sind, macht sich mit den futuristischen Exoskelett Mech-Anzügen vertraut und geht in seinem ersten Fronteinsatz beinahe direkt drauf. Es folgt die Ablehnung bzw. Verweigerung, das Erlebte als Time Loop zu akzeptieren. Das rationale Gehirn wähnt sich in einem Deja Vu, einem Traum, einem Hirngespinst. Was strukturell folgt, mag nach bekannten Mustern ablaufen, doch der Film holt das Maximum aus der Prämisse heraus. Mit reichlich Humor, coolen inszenatorischen Einfällen, wuchtiger Action und einem erstaunlich selbstironischen Tom Cruise können wir die „Ach ja, so läuft der Hase“ Mechanik mental vergessen und uns voll und ganz in den Sog dieser Zeitschleifen-Science-Fiction ziehen lassen.

© Warner Bros.

Die Action ist gut, das Design von Aliens, Mech-Suits und sonstigem Militärequipment effektiv, doch es ist der Humor, der bis zur ungefähren Halbzeitmarke der der Schlüssel zum Erfolg wird. Durch die ständigen Wiederholungen und die fehlenden Konsequenzen Cruises Ablebens entsteht ein zuweilen schwarzhumoriger Ton, insbesondere wenn Kämpferin Rita (Emily Blunt) als Kontaktperson hinzukommt und sich aufmacht, den militärisch nicht ausgebildeten Cage für seinen Einsatz zu stählen. Wieder und wieder muss Cage ins Gras beißen, wahlweise an der Front oder beim Training. Ein kleiner Rückschlag? Keine Zeit, diese Runde noch irgendwie zu begradigen, schnell sterben und per Neustart einen neuen Versuch starten. Blunt ist als Gegenspielerin ideal besetzt, hat eine naturgegeben „taffe“ Ausstrahlung, wirkt in Mech-Rüstung glaubhaft, verfügt aber auch über ein großartiges komödiantisches Timing.

In der zweiten Hälfte sind die notwendigen Vorkehrung einigermaßen getroffen und es geht um einen Weg aus der Krise. Wie ist eine Schlacht zu gewinnen, die aus jedweder Perspektive hoffnungslos und vergebens scheint? Hier weicht der Humor einer klassischeren Actionhandlung und emotionalen Dramatik, wenn persönliche Beweggründe ins Spiel zu kommen. Cage hat werweißwieviele Tage mut Rita verbracht, die sich jedoch nie an ihn erinnern kann, immer nur diesen einen Tag hat. Ohne dieses Dilemma zum zentralen Thema zu machen, entsteht nicht zuletzt durch Blunt und Cruise eine erstaunliche Tiefe in den Figuren und in der Beziehung untereinander. Zu schade, dass der Showdown ein wenig verflacht, zu wenige Mittel findet, die Offensichtlichkeit seiner Auflösung vergessen oder akzeptierbar zu machen. Doch trotz dieser Abzüge in der B-Note hat „Edge of Tomorrow“ einiges zu bieten. Einen Blockbuster dieser Art, der mitrißt, unterhält, emotional involviert und soger ein paar clevere Ideen bereithält, bekommt man nicht alle Tage zu sehen.

Fazit:
Originell, clever aufgezogen, mitreißend und dramatisch. Auch wenn das Finale ein wenig „gewöhnlich“ gerät, ist der Weg dorthin ein Highlight aktueller Sci-Fi Actioner.

7,5/10

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

Um an dieser Diskussion teilzunehmen, registriere dich bitte im Forum:
Zur Registrierung