Treasure Tuesday Spezialkritik: Kung Fu Hustle

30. Juni 2020, Christian Westhus

Lasst uns alte-neue Filme entdecken. Zum Beispiel einen der ausgewählten Schätze, die wir wöchentlich beim Treasure Tuesday vorstellen. Vergessene Filme, unterschätzte Filme, nicht ganz aktuelle Filme, fremdsprachige Filme. Filme die sich lohnen, auch wenn gerade nicht die halbe Welt über sie spricht. Heute geben wir uns leicht, locker, unterhaltsam und ein bisschen verrückt in Stephen Chows KUNG FU HUSTLE (2004).

© Sony Pictures

Kung Fu Hustle
(Originaltitel: Kung fu (功夫) | Hongkong, China, USA 2004)
Regie: Stephen Chow
Darsteller: Stephen Chow, Yuen Qiu, Yuen Wah u.a.

Was ist das für ein Film?
Wunderbar überdrehtes Kampfkunst-Kuriosum von Stephen Chow. Wir befinden uns im China der 1940er Jahre. Die Städte werden von kriegerischen Gangs vereinnahmt, allen voran die (erstaunlich tanzbegabte) Axt Gang, die nicht ohne Grund Axt Gang heißt. In den verarmten Randvierteln und auf dem Land braucht man sich vorläufig noch nicht vor den Banden zu fürchten. In Frieden leben können die Bewohner eines ärmlichen Wohnkomplexes dennoch nicht, unterstehen sie doch der Gerissenheit des schleimigen Vermieters und dem lautstarken Terror seiner rabiaten Frau. Und nur einer der beiden hat wirklich die Hosen an. Der Mieterstress verblasst allerdings, als dann doch die Axt Einzug ins Wohnareal erhält. Denn zwei angebliche Bandenmitglieder kommen irgendwann vorbei und wollen sich einen kostenfreien Haarschnitt (beim etwas zu talentierten Friseur) und ein paar Extras erpressen. Doch die Bewohner lassen das nicht mit sich machen. Unter ihnen stecken erstaunlich viele topfitte Kämpfer und meisterhafte Kampfkunstexperten, die es sogar mit einer halben Axt-Armee aufnehmen. Der Anführer der Äxte kann diese peinliche Herabwürdigung nicht hinnehmen, also plant er, den Wohnkomplex anzugreifen und zu zerstören, indem er die fiesesten Kampfkunst-Superkiller losschickt, die er auftreiben kann. Eine entscheidende Rolle spielen dabei aber auch die beiden falschen Äxte, insbesondere der dummdreiste Sing (Regisseur Stephen Chow selbst).

Warum sollte mich das interessieren?
Weil KUNG FU HUSTLE pure Unterhaltung ist. Regisseur, Autor, Produzent und Hauptdarsteller fühlt sich höchstens teilweise inspiriert von klassischen Shaw Brothers Keilereien der Vergangenheit, verdreht seine Actionkomödie zunehmend ins Slapstickhafte, garniert mit zunehmend absurden Einfällen. Wer Chows herrlichen SHAOLIN SOCCER (oder generell irgendeinen Film des idiosynkratischen Regisseurs) gesehen hat, wird sich halbwegs ein Bild machen kann, was einem hier bevorsteht. Denn der Filmemacher kennt keinerlei Ängste, seine wilden Ideen bis zur letzten Finesse auszuleben, völlig egal, wenn er dabei auf qualitativ nicht wirklich standesgemäße Computereffekte zurückgreifen muss. Die Idee, die daraus resultierende Energie oder der Gag-Effekte sind hier wichtiger als die Makellosigkeit der technischen Umsetzung.

Die Actionchoreographien sind dabei immer mindestens eine Spur „drüber“, kommen aber dennoch mit einer ansehnlichen Finesse daher. Insbesondere der erste gemeinsame Auftritt der drei großen im Geheimen lebenden Meisterkämpfer fühlt sich größtenteils wie unterhaltsames klassisches Wuxia-Actionkino an. Doch dieser Eindruck ist bei Stephen Chow immer nur eine Zwischen- und Durchgangsstation. Dieser Einfallsreichtum sprengt nicht nur physikalische Grenzen, sondern auch stilistische. Als „lebendig gewordener Anime“ mit Anleihen an Roadrunner Cartoons könnte man manche Passagen beschreiben, um den Seheindrücken auch nur annähernd zu entsprechen. Dass diese klamaukige Action-Hommage nicht wenigen Zuschauer schlicht zu blöd und zu albern sein könnte, scheint den Verantwortlichen komplett egal zu sein. Pech gehabt, wer sich diesem Spaß nicht anschließen kann, denn so grelle Unterhaltung findet man schwer ein zweites Mal.

Dabei werden auch gewisse US-Filme aufs Korn genommen, die sich beim asiatischen Film bedienten, beispielsweise KILL BILL oder MATRIX, nur glücklicherweise ohne diese zu billig nachzustellen und nachzuäffen. Überhaupt gehen hier Parodie, Selbstironie und liebevolle Hommage Hand in Hand. So verhält es sich auch mit den Figuren. Chow zieht seine ganz gezielt überspitzt klischeehaften Charaktere gleichermaßen durch den Kakao und hat sie doch alle irgendwo lieb gewonnen. Das ging zwar leider offenbar nicht ohne eine kleine Homosexuellen-Stereotype, doch immerhin ist dieser Charakter einer der stärksten Kämpfer. Die unscheinbarsten Gesichter entpuppen sich hier als Kampfkunstmeister, allesamt mit einem speziellen Stil, einem speziellen Gimmick und/oder einem eigenen Spezial-Move. Es kann nur Zufall sein, doch die Axt Gang schickt hier tatsächlich zwei Chinesen mit dem Kontrabass los, um im Wohnkomplex für Ruhe zu sorgen. Nun gut, der Kontrabass ist eine Guzheng, aber trotzdem. Es macht einfach Laune. Um viel mehr geht es hier nicht und genau deshalb unterhält KUNG FU HUSTLE so gut – wenn man sich darauf einlassen kann. Frei nach dem Motto: „Wer wirft hier mit Messergriffen?!“

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Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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