BG Kritik: „James Bond 01: James Bond jagt Dr. No“

17. September 2015, Christian Mester

Als ein Außenposten des britischen Geheimdienstes in Jamaika überfallen und ermordet wird, schickt der MI6 den jungen Agenten Bond (Sean Connery) um der Sache auf den Grund zu gehen. Vor Ort entdeckt Bond, dass ein gewisser Dr. No (Joseph Wiseman) auf einer abgelegenen Insel finstere Pläne schmiedet…

JAMES BOND JAGT DR. NO
DR. NO (1962)
Regie: Terence Young
Cast: Sean Connery, Joseph Wiseman, Ursula Andress

Wenn man dem ersten Bond eins zuschreiben darf, dann, dass er sehr spätjugendlich ist. Als schnieker Geheimagent macht der 32jährige Sean Connery zwar von Anfang an eine gute Figur, und glaubhafte, mutig allein hinter einem Agentenmörder herzuforschen, doch hinter seinem selbstbewussten Auftreten gibt es eine spürbare Unsicherheit, ein fehlendes letztes Quantum Reife. Bond wird zwar als kompetenter Agent vorgestellt der schon einige Zeit arbeitet, das aber nicht unfehlbar. Sein Boss M ist sichtlich unzufrieden mit ihm, kritisiert, dass Bond zuvor wegen eines Fehlers Monate im Krankenhaus lag und dem Tode nur knapp entkam. Bond wird also geprüft, was perfekt zu Connery passt, der sich nach Ausstechens vieler Konkurrenten für die Rolle ebenfalls einem gewaltigen Erwartungsdruck ausgesetzt sah. Der ständige Schweiß auf seiner Stirn, die manchmal knapp durchschimmernde Angst in Actionszenen, Furcht vor einem nächtlichen Tarantelbesuch, das manchmal deplatzierte Auftreten im Anzug in jamaikanischen Gefilden: es ist klasse, denn es macht Bonds erstes Filmabenteuer sehr menschlich. Er ist (noch) nicht der unbesiegbare Überagent, der alles kann, aber einer, der weiß, dass er das Zeug dazu hat und der sich bemüht und überwindet, das zu erreichen. Es formt Bond zu einem interessanten Charakter, der ein für ihn spannendes und wichtiges Abenteuer bestreitet. Die drei Frauen, mit denen er dann zu tun hat – Sylvia Trench, eine Spielerin, die er im Casino kennenlernt, die böse Miss Taro, die ihn ablenken soll, und später das Bikiniblondchen Honey Rider spiegeln daraufhin die drei Frauentypen wieder, die Bonds Liebesleben in Frage stellen.

Trench ist die treue normale Frau, mit der ein normales Leben führen könnte. Sie braucht keinen Actionhelden, für sie ist er schon gefährlich genug, wenn er cool rauchend beim Poker blufft. Miss Taro hingegen ist das personifizierte Risiko, das sein Ichwill-Machogehabe anspricht: obwohl Bond weiß, dass sie zur bösen Seite gehört, und er auf dem Weg zu ihr schon von Killern verfolgt wurde, und er mitkriegt, dass sie weitere Verstärkung ruft, schläft er in Seelenruhe zweimal mit ihr und kann hier seinen Sexismus ausleben („Ich sollte doch vorbeikommen, weils in ihren Bergen so hübsch ist *Telefon klingelt* Oh, jetzt sollte wohl einer von uns rangehen“). Seiner Mission bringt es nichts, aber er sieht die Chance auf Sex und nutzt sie, auch weil es ihm dem Kick gibt, zu wissen, dass dabei jederzeit sein Ende kommen könnte. Honey Rider (was in den 60ern quasi „Reiterstellung“ bedeutete) ist dann tumbste Helden-Fantasie: das Playmate, das einfach mal random knapp bekleidet und nass auftaucht, und daraufhin als Prinzessin aus einer Fabel gerettet werden muss: in Form eines angemalten Panzers gibt es einen Drachen auf der Insel, und Bond rettet sie aus dem Schloss eines bösen Königs. Um sie dann anschließend in Ruhe vernaschen zu können… obwohl Trench weiterhin in England auf ihn wartet (sie spielt auch im zweiten Film mit). Auch hier zeigt sich die Unsicherheit Bonds, die sich bald nochmal näher definieren würde: er braucht die Bestätigung, der Held zu sein, will unabhängig sein, kann nur im Risiko und im Bestehen eines solches Glück finden. Deswegen kann er mit Moneypenny auch immer nur flirten – würde mehr draus, würde er ihr früher oder später das Herz brechen, da sie eine echte Frau ist.

Ähnliche Unsicherheit lässt sich bei Vorstellung des Bösewichts finden. Der ominöse Dr. No, offensichtlich ein Dr. Fu Manchu Verschnitt (für den Film wollte man sogar erst Christopher Lee haben, übrigens Ian Flemings Cousin, der ja dann später noch Der Mann mit dem goldenen Colt wurde), hat vieles, was den späteren Bondbösewicht ausmachen sollte: eine geheime, schick eingerichtete Basis (großartiges Setdesign für damalige Verhältnisse), eine Eigenart: aufgrund eines Strahlungsunfalls Stahlprothesen als Hände, einen verrückten Plan mit Superwaffe, und die vielparodierte Einfältigkeit, Bond nicht konsequent umzubringen, sondern ihn fahrlässig zu seinem Ende werden zu lassen. Aber so wirklich ausgearbeitet ist es hier noch nicht: der Masterplan erscheint bescheuert (’62 hatte die Raumfahrt noch großen Stellenwert, doch spätestens bei Herausfinden seiner Position hätte man No einfach ins Nirvana gebombt – was No mit dem Überfall auf den MI6 Posten selbst herbei beschwört), trotz starker Eisengriffel hat No keine wirkliche Zweikampfchance gegen Bond und als dieser den ganzen Plan sabotiert – laufen alle seine Henchmen weg. Es ist also kein allzu großer Akt, No aufzuhalten.

Diese Schwächen liegen unter anderem auch in Youngs Missgelingen, die rare Action interessant umzusetzen. Der Film meidet Action weitestgehend, und wenn sich die Henchmen No’s nicht schon selbst umbringen (einer schluckt eine Giftkapsel, andere sind zu dämlich auf der Bergstraße zu bleiben), ist die vorhandene Action klein und kaum der Rede wert. Dafür lässt sich loben, dass der Film den Spionagefall relativ spannend aufzieht. Wie Bond bleibt man lange im Dunkeln, was da los ist, wer dahinter steckt – so wird Dr. No erst nach 87 Minuten überhaupt das erste Mal gezeigt. Auch fehlt auch noch einiges im Bondversum: Q hat seinen Namen noch nicht, es gibt keine Prologsequenz, keine Gadgets, die Titelsequenz ist ohne Frauenkörper inszeniert (nur farbige Kreise) und es gibt keinen Theme Song, nur die instrumentale Bond Theme. Etwas fragwürdig ist heutzutage allerdings der Umgang mit den Nichtkaukasiern: so nennen die schwarzen Jamaikaner Bond „Master“, „Captain“, „Sir“ und dürfen ihm einmal sogar die Schuhe holen. Und dann darf man raten, wer beim Inselbesuch vom Drachenpanzer getoastet wird: Bond, Bondgirl oder – jetzt kommts doppelt – der schwarze Bootsmann mit dem rotem T-Shirt.

Fazit:
Der erste Film schwitzt und rückt sich den Kragen zurecht, ist aber ein guter Einstand in den Bond Mythos. Hier gibt es einen Bond zu sehen, wie es ihn später nie wieder gab: neu, unsicher, aber mir Bravour bestehend. Ein Meilenstein seiner Historie, aber selbst ein nur guter, aber nicht herausragender Spionagethriller.

7 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

Um an dieser Diskussion teilzunehmen, registriere dich bitte im Forum:
Zur Registrierung