Treasure Tuesday Spezialkritik: Die Falschspielerin (1941)
Gemeinsam tolle Filme kennen lernen. Zum Beispiel einen der ausgewählten Schätze, die wir wöchentlich beim Treasure Tuesday vorstellen. Vergessene Filme, unterschätzte Filme, alte Filme, fremdsprachige Filme. Filme, die sich lohnen, auch wenn gerade nicht die halbe Welt über sie spricht. Heute machen wir einen kleinen Ausflug ins klassiche Hollywood, zu einem Evergreen der sogenannten Screwball Comedy: Preston Sturges‘ „The Lady Eve“ alias „Die Falschspielerin“ mit Barbara Stanwyck und Henry Fonda.
Die Falschspielerin
(Originaltitel: The Lady Eve | USA 1941)
Regie: Preston Sturges
Darsteller: Barbara Stanwyck, Henry Fonda, Charles Coburn u.a.
Was ist das für ein Film?
Ein Klassiker der Screwball Comedy von Regisseur Preston Sturges. Jean Harrington (Barbara Stanwyck) und ihr Vater, Colonel Harrington, sind professionelle Trickbetrüger, die ihre Opfer um Geld und Habseligkeiten erleichtern. Auf einem Ozeandampfer nähern sie sich ihrem neuen Opfer, dem etwas naiven und unerfahrenen Brauereierben Charles Pike (Henry Fonda). Sturges verdreht die gewohnten Geschlechterrollen und lässt die kokette Jean forsch und zielstrebig ihren Haken auswerfen, an dem Charles bald schon baumelt. Doch es wäre keine Screwball Komödie, würden sich die Vorzeichen nicht bald ändern oder zumindest um die eine oder andere Komponente erweitert werden. So ahnt Pikes Assistent bald, dass Vater und Tochter Harrington schlechte Absichten haben könnten. Und Jean selbst empfindet irgendwann Mitleid mit ihrem Opfer, womöglich sogar ernsthafte Zuneigung, sodass sie gegen ihren Vater spielen und verhindern will, dass dieser den armen Charles komplett ausnimmt. All dies ist der Vorlauf zu einer zweiten Hälfte, die die Stühle noch einmal verdreht und vertauscht, Schauplatz und Ausrichtung ändert, aber nichts von der witzig-romantischen Pfiffigkeit einbüßt.
Warum sollte mich das interessieren?
Schaut man sich die Highlights (und nicht nur die) der 1930er und 40er Jahre an, als das Hollywoodkino aus der Screwball Komödie einen Genrestandard machte, der in Produktionsmenge und Klassikeranzahl durchaus mit dem Western mithalten konnte, wird noch einmal deutlich, wie sehr wir heutzutage mit Mittelmäßigkeiten abgespeist werden. Die Filmwelt hat es zum allergrößten Teil verlernt (oder hat das Interesse verloren), romantische Komödien zu machen. Produziert werden Filme, die entweder nicht wirklich romantisch oder nicht wirklich witzig sind und selbst wenn, nicht den unbeschreiblichen Charme der großen und mittelgroßen Klassiker aus dem Goldenen Zeitalter Hollywoods aufbringen können. „Die Falschspielerin“ ist so ein Klassiker, wenn auch in Sachen Popularität und Status rein gefühlsmäßig hinter Filmen wie „Es geschah in einer Nacht“, „His Girl Friday“, „The Philadelphia Story“ und „Leoparden küsst man nicht“ angesiedelt. Und alle diese Filme sind fraglos wunderbar, doch „Die Falschspielerin“ ist ein irgendwie besonderer Evergreen.
Selbst innerhalb der Filmographie von Regisseur Preston Sturges steht der Film allerhöchstens in zweiter Reihe, überschattet von „Sullivans Reisen“, der den Status eines All-American-Classics auf dem Level eines „Casablanca“ oder „Citizen Kane“ innehat. „Die Falschspielerin“ zeigt Sturges, der auch Drehbuchautor war, als Meister des Handlungsaufbaus, als Spezialist für pfiffige Figuren und zündende Dialoge. Es ist die ideale Schnittmenge aus Hollywood-mäßig „geerdeter“ Emotionalität und kurioser Albernheit, die nie so ganz in die schrille Absurdität eines „Leoparden küsst man nicht“ abrutscht und damit ins Schwarze trifft. Durch seine drei perfekt aufeinander abgerichteten Akte (man könnte auch sagen: durch die drei perfekt abgestimmten Ebenen aus Täuschung, Irrtum und emotionaler Begierde) hat der Film einen exzellenten Erzählfluss und fühlt sich dennoch immerzu leicht, lässig und entspannt an. Das führt unweigerlich zum dritten „Dieser Film lohnt sich“ Faktor nach Genre und Regisseur: die Stars.
Henry Fonda verbindet man für gewöhnlich mit seinen Westernrollen, mit Darbietungen als aufrechter Gesetzeshüter oder als kaltblütiger Schurke („Spiel mir das Lied vom Tod“), von seiner Klassikerrolle in „Die 12 Geschworenen“ ganz zu schweigen. Entsprechend spannend ist es, ihn als liebenswert-simplen Naivling in einer Komödie zu sehen. Noch viel spannender allerdings Barbara Stanwyck, die – zugegeben – eine absolute Favoritin dieses Autors ist und den Status einer Audrey Hepburn haben sollte, diesen aber auch eigentlich gar nicht nötig hat. Durch die spielerische Wandlungsfähigkeit des Scripts und der Rolle kann Stanwyck das komplette Spektrum ihres Charmes und ihres Könnens aufbieten. Der freche Spott der berühmten Handspiegel-Szene zu Beginn, der durchtriebene Bezirz-Charme der frühen Momente, die kessen Tricks der gloriosen Kartenspielszene, die köstliche Ironie der zweiten Hälfte und natürlich die ernsthafte Emotionalität, die all dem zugrunde liegt. Wer ein Stanwyck-Fan werden will, macht mit diesem Film einen guten Anfang.
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