Treasure Tuesday Spezialkritik: „Grosse Point Blank: Ein Mann, ein Mord“

23. Februar 2021, Christian Westhus

John Cusack als Auftragskiller, der zu seinem Klassentreffen in der alten Heimat geht. Die schwarze Komödie „Grosse Point Blank“ (1997), unser heutiger Treasure Tuesday Tipp. Jeden Dienstag auf Erkundungstour gehen. Wir stöbern nach vergessenen Filmen, unterschätzten Filmen, alten Filmen, fremdsprachigen Filmen. Nach Filmen die sich lohnen, auch wenn gerade nicht die halbe Welt über sie spricht.

© Buena Vista / Walt Disney Studios

Grosse Point Blank: Ein Mann, ein Mord
(Originaltitel: Grosse Point Blank | USA 1997)
Regie: George Armitage
Darsteller: John Cusack, Minnie Driver, Dan Aykroyd, u.a.
Kinostart Deutschland:

Was ist das für ein Film:
„Lange nicht gesehen. Und, was machst du so?“ – „Ich bin Auftragsmörder.“ Martin Blank (John Cusack) macht keinen selbstironischen Spruch, wenn er seinen Beruf derart beschreibt. Er ist tatsächlich ein Profikiller, der für Geld mordet. Doch so langsam hat er genug vom Job, gerade jetzt, wo ihn Kollege Grocer (Dan Aykroyd) nötigt, einer Killer-Gewerkschaft beizutreten. Doch Martin lehnt ab. Auch die Einladung zum Klassentreffen, zehn Jahre nach dem Abschluss der High School, will Martin zunächst ablehnen, doch sein Psychiater und seine Assistentin (Joan Cusacks, Johns Schwester) halten die Rückkehr in die alte Heimat und die Auseinandersetzung mit der eigenen Jugend für eine gute Idee. Als ihn ein neuer Auftrag ganz in die Nähe bringt, schaut Martin dann doch in der Kleinstadt Grosse Point vorbei, wo er einst aufwuchs. Er trifft alte Bekannte, alte Freunde und sucht insbesondere den Kontakt zu seiner alten Flamme Debi (Minnie Driver), die er damals beim Abschlussball wortlos sitzen ließ. Doch da ist immer noch der Auftrag, da ist der drängende Grocer und irgendwie wird Martin von zwei NSA-Agenten verfolgt und beschattet, die nur darauf warten, dass das Gesetz übertreten wird.

Warum sollte mich das interessieren:
Diese kleine, aber feine schwarze Komödie aus den 90ern steht und fällt mit den Vergleichen, die man ihr zumutet. Der Name „Tarantino“ schwebt wie ein Damoclesschwert über dem Film und hat doch nahezu gar nichts hier zu suchen. Dabei ist die Grundidee – insbesondere als „Grosse Point Blank“ Anno 1997 erschien – recht eindeutig: ein etwas lustlos gewordener Killer mit Alltagssorgen, ein schwarzer Anzug und viel schwarzer Humor zwischen Mord und Dialogen. Es ist ein Film, der „Pulp Fiction“ Fans vermutlich gefallen könnte, aber nicht gefallen muss, denn „Grosse Point Blank“ geht eben leicht andere Wege. Hier wird die Situation ganz bewusst ins Absurde getrieben bzw. das Absurde der Situation wird offenbart, jedoch ohne ein Genre oder Filmgeschichte aufzubrechen, sondern, um den amerikanischen Mittelklasse-Alltag zu durchleuchten. Oder zu durchlöchern.

Für dieses Vorhaben ist John Cusack der ideale Schauspieler. Er ist einer dieser Darsteller, die sich vermutlich wundern, warum sie nie in einem Coen Brüder Film gelandet sind. Auch die Coens sind so ein potentiell gefährlicher Vergleich, der einigermaßen Sinn macht, aber auch leicht falsche Erwartungen schüren kann. Cusack versprüht eine ganz eigentümliche Art von wilder Energie, gibt im gleichen Augenblick aber auch den lustlosen oder halb ernsten Schluffi. Die Figuren dieses Films sind – wie auch die wunderbaren Dialoge – leicht erhöht, leicht überspitzt, aber nie komplett unglaubwürdig. Der Verrückteste ist noch – natürlich – Dan Aykroyd als Killer-Kollege, doch bei den übrigen Figuren regiert allerhöchstens der Wahnsinn des Alltags und des Spießertums. Denn Martin Blank ist bei seiner ungewollt-nostalgischen Selbstreflektion regelmäßig ehrlich zu den alten Bekannten und Schulkollegen, die von ihren eintönigen Jobs, gescheiterten Ehen und oberflächlichen Erfolgen berichten. „Ich ging zur Armee und bin heute Profikiller“, erklärt Martin mehr als einmal, jedoch mit dieser Schulterzuck-Gleichgültigkeit, die für die Gesprächspartner wie ironische Übertreibung und daher wie eine Scherzantwort wirkt.

Die Schicksale der alten Klassenkameraden sind ein spannender Zerrspiegel für Martin, der ein selbiger auch für die Kameraden ist. Aus der Ferne dirigiert die wunderbar quirlige Assistentin (Joan Cusack, Johns Schwester) den laufenden Auftrag und der Psychotherapeut (Alan Arkin) will seinen Klienten loswerden. Also nicht loswerden, wie Martin Leute loswird, aber er will nicht länger mit einem Auftragskiller im selben Raum sein. Debi (Minnie Driver) weiß hingegen noch nichts von Martins Lebenswandel bzw. nimmt die Auskunft noch nicht für voll. Das erstaunlich romantische und gewitzte Wieder-Kennenlernen zwischen beiden ist charmant, bis sich Martins Beruf nur noch schwer leugnen lässt. Die Actionszenen sind keine ausgefeilten Schießereien, kein ironisches „Knall und weg“, sondern ein ungestümes Geballer als Kontrast zur lakonisch-trockenen Attitüde des Restfilms. Es ist eine Kombination – in Stil und Ton – die mehr als aufgeht.

„Grosse Point Blank“ ist auf DVD erschienen und bei den meisten Anbietern digital leih- und kaufbar. Außerdem ist der Film ganz frisch durch das Starz Update bei Disney+ gelandet.

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Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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