BG Kritik: „Speed Racer“ (Treasure Monday)

16. Juli 2018, Christian Westhus

Die Matrix-Regisseure adaptieren die Anime-Serie: Jahre nach dem Unfalltod von Rex Racer feuert die Rennsport begeisterte Familie Racer nun Sohnemann Speed (Emile Hirsch) an, der erfolgreich Rennen fährt. Als Speed ein lukratives Angebot des superreichen Motorsportinvestors E.P. Royalton (Roger Allam) ablehnt, gerät er auf die Abschussliste von Royalton Industries. Speed und seine Familie stellen sich als kleines Familienunternehmen einem Kampf, der auf der Rennstrecke ausgetragen wird.

Speed Racer
(USA, Deutschland, Australien 2008)
Regie: Lilly Wachowski, Lana Wachowski
Darsteller: Emile Hirsch, Christina Ricci, John Goodman, Susan Sarandon, Matthew Fox, Roger Allam
Kinostart Deutschland: 08. Mai 2008

(Diese Kritik erschien im Rahmen der Kritikenreihe Treasure Monday.)

Ein finanzieller Flop, kindisch, albern und viel zu bunt. Das sind die generellen Kritikpunkte, mit denen man „Speed Racer“ häufig begegnet. Die finanzielle Enttäuschung ist nicht zu leugnen, war aber auch noch nie ausschlaggebend für die Qualität eines Films. Vielmehr ist es ein Ausdruck dafür, dass die Welt beim Erscheinen des Films 2008 noch nicht bereit war für diese einzigartige und überbordend kreative Wundertüte der „Matrix“ Regisseure Lilly und Lana Wachowski.

Basierend auf der vergleichsweise bodenständigen japanischen Animationsserie „Speed Racer“ (oder „Mahha GōGōGō“) sprengen die Wachowskis einmal mehr sämtliche Vorstellungen dessen, was im Kino möglich ist. Wenn „Speed Racer“ ein paar Macken und Fehler hat, dann häufig nur, weil die Geschwister zu groß träumen. Ein „Kritikpunkt“, den sich jeder Filmemacher eigentlich mit Stolz als Tugend ans Revers heften sollte. „Speed Racer“ ist kindisch, ist zuweilen albern und ist bunter als Willy Wonkas Unterwäsche. Aber genau darin liegt doch auch der Reiz. Eine jederzeit unwirkliche, überstilisierte „Mario Kart“ Welt, die die Fähigkeiten der digitalen Effektkünstler hinter den Kulissen häufig bis an die Grenzen und auch darüber hinaus fordert. „Speed Racer“ ist ein einzigartiger, ungewöhnlicher Spaß und allein das ist schon etwas, das man wertschätzen sollte.

© Warner Bros.

Die Handlung des Films ist gleichzeitig simpel und doch klassisch effektiv. Wir haben das junge Rennfahrer-Protegé, der zurückliegende Unfalltod des Bruders, die Verlockungen von Geld und Berühmtheit, die Familie und der familiäre Kleinbetrieb – all das fügen die Wachowskis zusammen, um irrwitzige Rennszene an irrwitzige Rennszene zu hängen. Ob dabei unbedingt ein Film von 135 Minuten Länge hätte herauskommen müssen, sei mal dahingestellt, doch die Geschichte von Speed und der Familie Racer, die sich als familiäre Gemeinschaft neu erfinden, die sich gegen den übermächtigen Konzern auflehnen, ist nicht einfach nur banaler Zeitvertreib zwischen diesen irrwitzigen Rennszenen. Speeds Weg zur Selbstverwirklichung führt nur über die Rennstrecke, über Geschwindigkeit, mit einem donnernden Gefährt unter ihm, mit dem unstillbaren Willen zum Sieg. Im Laufe der Handlung hat Speed mindestens drei gute Gründe, warum er im entscheidenden Turnier gewinnen muss, womit die Wachowskis erneut zeigen, dass sie Heldentum besser verstehen als eine erschreckende Mehrheit sonstiger Unterhaltungsfilmregisseure.

Inszenatorisch ist „Speed Racer“ der helle Wahnsinn. Es ist überflüssig zu betonen, dass ein Film namens „Speed Racer“ in den Rennszenen schnell ist. Wie schnell, rasant und filmtechnisch atemberaubend der Film aber wirklich ist, ist kaum zu beschreiben. Die Melange aus retrofuturistisch designten Rennwagen und halsbrecherischen Carrera-Rennbahnen in Hochglanzprimärfarben wird im Geschwindigkeitsrausch irgendwann pulverisiert, zerspringt fast wortwörtlich vor unseren Augen zu einem abstrakt zerfließenden Gebilde aus Formen und Farben. Der Schnitt ist messerscharf, die Autos vollführen irre Stunts, benutzen herrlich alberne Waffen, der Sound donnert von allen Seiten und ohne es zu merken befinden wir uns zeitgleich an drei verschiedenen Orten. In jeder einzelnen Szene wird das komplette Bild genutzt. Der Hintergrund öffnet sich für Parallelmontagen, für Flashbacks, für stilisierte Emotionen. Ständig ist Bewegung drin, auch abseits der Piste.

Die Welt des Films sieht nun mal so aus, als sei ein kunterbuntes Kinderzimmer explodiert, in dem ein überzuckerter 8-Jähriger seine Rennautos wild überschlagend zusammenkrachen lässt. Sich in filmischen Kinderträumen kindlichem (bzw. kindischem) Humor anzupassen, sollte seine Grenzen haben, aber in filmischen Kinderträumen kindischen Slapstick einzubauen, sollte nicht überraschend wirken. Speeds kleiner Bruder, ein eben solcher überzuckerter Junge, ständig begleitet von einem ihm intellektuell mindestens ebenbürtigen Affen, kann zuweilen anstrengend sein. Doch seine turbulent-dämlichen Eskapaden, seine Suche nach Spaß, nach Süßigkeiten und dummen Streichen ist kein Fremdkörper in einem Film, dessen Hauptfigur Speed Racer heißt. Vorname Speed, Nachname Racer. Benno Fürmann, als Inspektor von der Rennkontrolle, heißt allen Ernstes Inspector Detector. Für manche Zuschauer mag der Film an der Stelle schon verloren haben. Alle Anderen wissen sich hier schon auf einen unverklemmt-jovialen Unterhaltungsfilm der Marke „Kindertraum“ einzustellen.

Fazit:
Ein inszenatorischer Overkill, der ohne Rücksicht auf Verluste die Grenzen der Fantasie einzureißen versucht. Ein hyperaktiv-rasanter Renn-Film, dessen kindisch-jugendliche Heldengeschichte besser funktioniert als in vielen anderen Unterhaltungsfilmen mit ähnlicher Zielgruppe.

8,5/10

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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