Treasure Tuesday Spezialkritik: „Body Double – Der Tod kommt zweimal“

13. April 2021, Christian Westhus

Schrill-satirischer Thriller mit Hitchcock-Grundlage von Kultregisseur Brian De Palma. „Der Tod kommt zweimal“ alias „Body Double“ (1984), unser heutiger Treasure Tuesday Tipp. Jeden Dienstag auf Erkundungstour gehen. Wir stöbern nach vergessenen Filmen, unterschätzten Filmen, alten Filmen, fremdsprachigen Filmen. Nach Filmen die sich lohnen, auch wenn gerade nicht die halbe Welt über sie spricht.

© Columbia TriStar / Sony Pictures

Der Tod kommt zweimal
(Originaltitel: Body Double | USA 1984)
Regie: Brian De Palma
Darsteller: Craig Wasson, Melanie Griffith, Deborah Shelton, Gregg Henry, u.a.
Kinostart Deutschland: 25. Januar 1985

Was ist das für ein Film?
Schauspieler Jake Scully (Craig Wasson) erlebt eine schwere Phase. Seine Karriere ist ohnehin noch nicht da, wo er sich selbst sehen würde, doch selbst als Nebendarsteller in billigen B-Filmen läuft es gerade nicht besonders gut, nicht zuletzt aufgrund seiner Klaustrophobie. Dann erwischt er auch noch seine Freundin beim Fremdgehen und sitzt praktisch auf der Straße, denn besagter Freundin gehörte das Apartment. Ohne Bleibe, ohne Geld und mit einem am seidenen Faden hängenden Job fällt Jake plötzlich unverhofft Glück in die Hände. Er soll den flüchtigen Bekannten Sam Bouchard (Gregg Henry) vertreten, auf die Designer-Luxuswohnung eines Freundes aufzupassen. Jake ist für mehrere Wochen Housesitter in einem abgespaceten Apartment mit ganz besonderer Aussicht. Jeden Abend kann er über ein Fernrohr beobachten, wie sich eine junge und attraktive Nachbarin minimal bekleidet durch ihr Schlafzimmer räkelt und nichts von Jakes voyeuristischen Blicken zu merken scheint. Jake ist hin und weg von der ihm eigentlich unbekannten Frau, nähert sich ihr bald auch tagsüber und stellt fest, dass sie von einem ganz zweifellos böse gesinnten Fremden verfolgt wird. Und ja, Hitchcock-Fan Brian De Palma verdreht hier „Das Fenster zum Hof“ zu einem ganz eigenen Mix.

Warum sollte mich das interessieren?
Es wird gerne mal vergessen, dass Brian De Palma zu den Kernfiguren des „New Hollywoods“ gehört, zur Clique von insbesondere Regisseuren, darunter Steven Spielberg, Martin Scorsese, Francis Ford Coppola und George Lucas, die in den späten 60ern und 70ern eine neue Ära des amerikanischen Films einläuteten. „Body Double“ ist vielleicht nicht das ultimative Meisterwerk des späteren „Mission: Impossible“ Regisseurs (das wäre vermutlich „Blow Out“, 1981, oder gar „Carrie“, 1976?), aber es ist der ultimative Brian De Palma Film, der „meiste“ De Palma, der stilistisch reichhaltigste und unverkennbarste. Sämtliche inszenatorischen und erzählerischen Kniffe und Vorlieben des Regisseurs lassen sich hier hochdosiert finden. Und Brian De Palma hatte einen reichlich ausgeprägten Stil, war in seinen Vorlieben und Inspirationen fast so freigebig und lesbar wie ein Quentin Tarantino. Die Schwierigkeit – oder der Reiz – von „Der Tod kommt zweimal“ liegt darin, die Eindrücke zu bewerten und einzuordnen. Denn nur zu leicht könnte man diesen Film als wild fetischisierten und nicht erst nach heutigen Maßstäben problematischen Exploitation-Trash verstehen. Genau das ist hier womöglich auch der Fall, nur eben nicht ausschließlich.

„Body Double“ ist eine Farce, eine grelle und böse Sezierung des Systems Hollywood. Natürlich lassen es sich Script und Inszenierung nicht nehmen, gewisse Kritikpunkte selbst auszukosten. Der so erotische wie sinnlose Tanz von Nachbarin Gloria wird ausgiebig gezeigt und ausgekostet, doch nicht nur Pino Donaggios halbseidene Musik und das halbdebile Starren von Hauptfigur Jake (bzw. Hauptdarsteller Craig Wason) geben der Szene irgendwann einen irrealen Touch. Der gesamte Film ist von Minute 1 an überzeichnet und losgelöst von Konventionen, wenn der trashige Vampirfilm im Film den Anfang beeinflusst. Es ist irgendwann irgendwie erwartbar und nur passend, dass De Palma Hollywood und die Pornoindustrie verschmelzen lässt, Dialoge hierhin und dorthin schießen lässt. In Wasson hat er dabei einen perfekten Hauptdarsteller, der Jake als Loser und als notgeiler Gaffer überzeugend darstellt, ohne zur Karikatur zu werden. Das übernimmt die Inszenierung, die eine unerwartete Kussszene vollkommen und bewusst ad absurdum führt. Entsprechend wenig überrascht ist man, vielmehr entzückt und unterhalten, wenn die Dreharbeiten eines Pornofilms zu einem Musikvideo für „Frankie goes to Hollywood“ werden. Die Bedrohung durch den „Indianer“, dessen Äußeres und Konzept nur zu leicht einen gegenteiligen Effekt beim Zuschauer haben könnte, ist der Antrieb der zweiten Filmhälfte und die nächste Ebene der beißenden Kritik. Das Showbiz-System wird insbesondere Frauen zum Verhängnis. Auftritt Melanie Griffith als kesser Pornostar Holly Body, die Wasson bzw. Jake in wenigen Momenten um Kopf und Kragen spielt. Die „Das Fenster zum Hof“ Grundlage dient als Gerüst, als Leinwand, über welcher böser Spott und garstige Anklagen verspritzt werden können. Hitchcock-Fan Brian De Palma hält den Film trotz absurder Überzeichnungen und vermeintlich trashiger Stil-Spielereien immerzu auf Kurs, um letztendlich auch einfach „nur“ ein fieser kleiner Thriller zu sein.

„Der Tod kommt zweimal“ ist quasi überall digital leih- und kaufbar, zum aktuellen (04/2021) Zeitpunkt zudem über Sky Cinema im Abo guckbar.

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Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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