BG Kritik: „Time Bandits“ (Treasure Monday)

8. Juli 2019, Christian Westhus

Bildgewaltige Fantasy von Monty Python Terry Gilliam: Der junge Kevin wird eines Nachts von einer Grupp Kleinwüchsiger überrascht, die sich als zeitreisende Diebe entpuppen, die Kevins Zimmer als Zeitportalzwischenstation nutzen, um vor ihrem Arbeitgeber zu flüchten. Kevin schließt sich den Männern an, nicht wissend, dass das personifizierte Böse hinter ihnen und der Zeitreisekarte her ist.

Time Bandits
(UK 1981)
Regie: Terry Gilliam
Darsteller: Craig Warnock, Kenny Baker, Jack Purvis, David Rappaport, David Warner, uvm.
Kinostart Deutschland: 18. März 1982

(Diese Kritik erschien im Rahmen der Kritikenreihe Treasure Monday, ursprünglich veröffentlicht im Januar 2015.)

Terry Gilliam nahm als Amerikaner, als Regisseur und Animationskünstler – nicht unbedingt als Darsteller – eine Sonderrolle bei Monty Python ein. Seine surrealen, aber zusehends ernster werdenden Regiearbeiten der post-Python Ära zeugen fast immer von einer schier grenzenlosen Kreativität, doch selten – vielleicht mit Ausnahme von „Brazil“ und „12 Monkeys“ – kam bei Gilliam ein so geschlossenes Wunderwerk heraus, wie es bei „Time Bandits“ der Fall ist.

Womöglich ist die noch enge Verbindung zu den Pythons ein Schlüssel zum Erfolg. Michael Palin zeichnete sich zusammen mit Gilliam fürs Drehbuch verantwortlich und so bietet insbesondere die erste Hälfte reichlich pythoneske Absurditäten und Humorszenen, die man bei Gilliam sonst nicht findet, jedenfalls nicht in dieser Häufigkeit. So scheint ein Besuch der zeitreisenden Diebe bei Robin Hood (gespielt von Python John Cleese) explizit ein separater Monty Python Sketch zu sein, der sich in diesen Film verirrt hat. Und es ist herrlich. Der Rächer vom Sherwood Forrest hat ganz eigene Vorstellungen, was mit dem Diebesgut der Zeitreisegruppe zu tun ist, alles präsentiert mit einer bissigen Quasi-Höflichkeit, die durch Cleeses unnachahmliche Art schnell ins Gegenteil kippen kann. Auch bei Napoleon schaut unsere Diebesbande vorbei. Man kann sich vorstellen, wie dieser Napoleon (der alte Bilbo Beutlin Ian Holm), als brachiale Verkörperung eines Mannes mit Körpergrößen-Minderwertigkeitskomplex, auf eine Gruppe Kleinwüchsiger und einen Zehnjährigen im Wachstum reagiert.

© Concorde

Die erste Hälfte des Films ist noch episodisch, mit den Zeitsprüngen und versuchten Raubzügen, immer unterbrochen von einem Running Gag mit Shelley Duval und Drehbuchcoautor Michael Palin, die als Liebende in verschiedenen Rollen der Geschichte auftauchen und deren Leben durch unsere Helden ein wenig durcheinander gebracht wird bzw. werden. Doch dann erfährt Evil, das personifizierte Böse, von der Zeitreisekarte unserer Helden. Mit dieser Karte will er sich endlich der Macht des Schöpfers entziehen und selbst über die Welt und die Zeit herrschen. Ja, unsere abenteuerlustig-dreisten Kleinganoven geraten in einem existentiellen Konflikt zwischen dem Guten und dem Bösen, Gott und Teufel.

„Time Bandits“ funktioniert so gut, da Gilliam weiß, was er will. Es ist ein Kinderfilm, ein Kinderabenteuer. Zumindest für Kinder ungefähr so alt wie Hauptfigur Kevin. Mit der nötigen Leichtigkeit, Humor und Abenteuerlust, aber auch mit einer befremdlichen Finsternis, die insbesondere das letzte Drittel beherrscht. David Warner als Evil ist die perfekte Verkörperung dieses gradwandlerischen Ansatzes. Mit spürbarer Spielfreude ist Warner wunderbar fies zu seinen tumben Handlangern, jongliert süffisant mit den spielerisch „bösen“ Dialogen, kann aber auch ernsthaft bedrohlich und unheimlich sein. Sein Aussehen, irgendwo zwischen HR Giger und Star Treks Borg, funktioniert wunderbar und wenn alle Stricken reißen, verwandelt sich der Meister des Bösen in eine Art Kirmeskarussell, um Angriffe abzuwehren.

Nach einem kuriosen Intermezzo mit einem Riesen erreichen unsere Helden die Stadt der ewigen Finsternis. Gilliams Film überzeugte zuvor schon mit visuellem Einfallsreichtum mit kleineren surrealen Einschüben. Doch das Schlussdrittel ist ein Meisterstück in visueller Kreativität, auch weil Gilliam weiß, dass „weniger“ ab einem gewissen Punkt „mehr“ ist. Er ertränkt das Finale seines wunderbar unterhaltsamen Abenteuers nicht, wenn Kinderzimmer lebendig (Lego!) und die Möglichkeiten der Zeitreise genutzt werden. Evils Festung, seine Handlanger, die knochenschädligen Sonderkommandos, die Seilpartie an den Käfigen – „Time Bandits“ ist nahezu perfekt ausbalanciertes Fantasy Abenteuer, bis zum eigenartig befremdlichen Schlusspunkt, den man so schnell nicht vergessen wird.

Fazit:
Wunderbar verspieltes Fantasy-Kinderabenteuer mit viel Humor und einem Berg an Kreativität. Eine einzigartige Verknüpfung von kindlichem Schabernack, absurdem Humor und einer nicht zu unterschätzenden Dunkelheit.

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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