BG Kritik: „Wolfman“

24. Juni 2010, Christian Mester

Regie: Joe Johnston
Darsteller: Benicio del Toro, Emily Blunt
Release: 2010

Story:
Als Schauspieler Lawrence Talbot (Benicio del Toro) beim Besuch seines alten Elternhauses eines Nachts von einem Werwolf gebissen wird, ist auch er im Zeichen der Bestie verflucht. Eine Jagd gegen die Zeit beginnt, denn während die andere Kreatur noch immer blutig wütet und das Leben seines Vaters (Anthony Hopkins) und der Witwe seines Bruders (Emily Blunt) bedroht, versucht ein Ermittler (Hugo Weaving), Talbot die Krallen zu stutzen…

Kritik:
Was darf man von einem Werwolf-Streifen erwarten, der rund 100 Millionen Dollar Budget zur Verfügung hat, zwei Oscargewinner vorweist, drastisches Blut nicht scheut und mehr als zwei Jahre in Produktion war? Nicht viel, zumindest wenn man als regelmäßiger BG-Leser längst vom Hintergrund der konfliktreichen Neuverfilmung weiß. „The Wolfman“ sah sich schon im Vorfeld zahlreicher Probleme gegenüber: ein plötzlicher Regiewechsel, schlechte Testscreenings, nachträgliche Änderungen, Budgetprobleme, Streits mit Effektgestaltern und Komponisten nagten an den Erwartungen und ließen den Film zum größten Sorgenkind der letzten Monate werden. Probleme, die im Endergebnis leider zu sehen sind; der Wolfsmensch haart.

Gassen im viktorianischen London, neblige Sümpfe im Hinterland, einsame Herrenhäuser – finster malerische Szenerien, die für einen Horrorfilm nicht einladender, nicht unheilvoller sein könnten. Bilder, die schon bei der geringsten Vorstellung Gruselatmosphäre schaffen, schade nur, dass es im Film nicht wirkt. Nicht ein einziges Mal. „The Wolfman“ findet trotz seines Themas nie zu echter Spannung. Sämtliche Begegnungen mit den zwei Wolfsmenschen laufen zu rasch ab, haben keinerlei Aufbau. Die Szene aus dem Trailer, in dem Emily Blunt sich ängstlich hinter einen Baum lehnt und der Wolfsmensch im Hintergrund grimmig nach ihr schnuppert? Viel mehr ist da schon nicht mehr.

Joe Johnston („Jurassic Park 3“), der eigentlich Actionfilme dreht, hat kein Gefühl und hetzt seine Neuauflage des Klassikers rastlos mit ruhelosem Gedrängel von Auf- zu Abspann. Was Horror betrifft, greift man auf das billigste, nervigste Klischee zurück, das das Genre zu bieten hat: der elende Buh-Moment. Fünf- oder sechsmal gibt es Szenen, in denen Talbot auf einmal eine Fratze sieht und der Soundmann hart in die Tasten kloppt. Eine lahme Wahl, weiterhin unterboten von unnötigen „es war nur ein Traum“-Szenen. Einzig Danny Elfmans hervorragender Score lässt gen Mond heulen.

Was den Blutgehalt betrifft, ist der „Wolfman“ nicht ohne. Körperteile fliegen, Blut spritzt, Köpfe rollen und der Bodycount ist hoch. Das Manko ist jedoch, dass es einem egal bleibt. Es bleibt einem egal, weil man sich nicht in den Film hinein finden kann. Größte Schwäche ist die Tatsache, dass die wichtigsten Figuren versagen. Benicio del Toro ist einer der begabtesten Schauspieler seiner Altersklasse, doch in seinem neusten Film sieht man nichts davon. Die meiste Zeit abwesend wirkend, hat er nichts, das ihn sympathisch oder tragisch macht. Waren die anderen Menschenmonster Edward Norton und Tim Roth in „Der unglaubliche Hulk“ (Kritik), Jeff Goldblum in „Die Fliege“, Katherine Isabelle in „Ginger Snaps“, vielleicht sogar John Malkovich in „Mary Reilly“ alle auf ihre Art interessant, ist Lawrence Talbot nichts als ein Kleiderbügel für FX Make-Up.

Es ist unglaubwürdig, dass Emily Blunts Figur sich in ihn verliebt, ihr Leben aufs Spiel setzt, ihn sogar retten / töten will (sie ist sich da nicht sicher). Blunt, ansehnlich anzusehen, bemüht sich zwar mehr als jeder andere im Film, ist aber mit undankbarer Rolle verflucht, die ihr nichts bietet. Einziger Lichtblick bleibt Hugo Weaving (Agent Smith aus „The Matrix“), der als smarter Ermittler Francis Abberline wenigstens etwas Intensität mit einbringt. Eine große Enttäuschung ist Anthony Hopkins, der offensichtlich unmotiviert war. Seine Figur, ein alter Großwildjäger und Weltenbummler, ist ein unsympathischer Mistkerl, der niemanden mag und damit auch die ihn drehende Filmcrew einzuschließen scheint. Gelangweilt trottet er mit süffisanter Gleichgültigkeit durch die Sets, rasselt lieblos Texte runter und scheint zu portraitieren, dass das Ding schon während des Drehs zum Scheitern verurteilt war.

Ein gruselloser Horrorfilm mit Tempo, lässt demnach auf etwas anderes schließen. „The Wolfman“ schiebt sich eher in Richtung „Underworld 3“ (Kritik) und akzentuiert seine Action, die sich mit blutigem Dauergehacke vor allem an jene richtet, die selbst keine Geduld haben und nur ins Kino gehen, „um ein paar starke“ Szenen zu sehen (auch wenn sich die grundsätzliche Handlung erstklassig für ein wirkungsvolles Drama eignen würde). Wer sich also gern darauf beschränkt, den Wolfsmenschen Leute in Stücke reißen zu sehen, wird großen Gefallen dran finden, muss allerdings auch hinnehmen, dass die Effekte für so einen teuren Film oft unzureichend sind. Sie sind prinzipiell nicht schlecht und die Designs der Gegend und der Wolfsmenschen sind ausgesprochen hervorragend, aber dass es unecht ist, schimmert immer wieder durch. Die erste große Verwandlung Talbots zeigt einmal mehr, wie man CGI falsch einsetzen kann.

Del Toros Knochen knacken, er bekommt lange Haare und sein Gesicht ändert sich, das Gesehene sieht jedoch unecht, unfertig aus. Es sieht aus wie beim Norton-Hulk, nur, dass es da um eine ohnehin vollkommen surreale Comic-Figur ging und in diesem Fall um ein Wesen, das glaubhaft und furchterregend wirken soll. Computereffekte werden zuhauf eingesetzt und so sieht oftmals nicht nur der Wolfsmensch deplatziert aus, auch die im Computer geschaffenen Wälder, Abgründe und vor allem das Computer-London machen es schwer, sich jemals ins Geschehen zu finden (teilweise fühlt man sich sogar an „Van Helsing“ und „Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“ erinnert). Wieso man bei all dem Geld dann nicht doch zu überzeugenderen praktischen Effekten gegriffen hat, bleibt ein Rätsel. Selbst der billige „Dog Soldiers“ hat zuweilen überzeugendere Szenen als sein x-fach teureres Pendant.

Die Action, die übrigens immer nur daraus besteht, dass der Wolfsmensch wegläuft und zukünftige Opfer wie Ray Charles auf ihn schießen, kulminiert abschließend in einem albernen, hulkesken Fight zweier Wolfsmenschen, der betrübt im Sessel sinken lässt und fast schlechter wirkt als der Wolf-Wolf Kampf in „Wolf“. Da das so noch nicht reicht, ist auch die Story teils mächtig verfilzt. Obwohl die Bürger wissen, dass ein Wolfsmensch wütet, bringen sie sich nicht in Sicherheit; obwohl die Bürger genau wissen (was unsinnig ist, da jemand den Fluch aus dem Ausland brachte und der Wolf danach über 20 Jahren nicht mehr gesehen war), wer der Wolfsmensch ist, nehmen sie es hin; obwohl ein Wolfsmensch die Londoner Innenstadt in ein Blutbad verwandelt, kommt Abberline mit nur einer handvoll Leuten zum Showdown, ein irrsinnig vorbereiteter, indischer Superkämpfer endet kampflos als Garderobe und Talbot träumt von Leuten, die er selbst nie, andere aber persönlich getroffen haben.

Kurzum: „The Wolfman“ wirkt trotz seiner überdurchschnittlich langen Schaffensphase unfertig. Der Schnitt ist holprig und talentlos zusammen geschnippelt, die Effekte scheinen oft unfertig, die Story löchrig. Wer nun weiß, dass Johnston ganze 18 Minuten Material vor Kinorelease entfernte, um den Film schneller zu machen (Johnstons Aussage: „Die Leute haben im Kino keine Geduld für so etwas, schauen sich lieber als Extended Edition auf DVD an“ / Anmerk.: was, Mr. Johnston, ist mit „Herr der Ringe“, „Avatar“ (Kritik), „Harry Potter“ (Kritik), „Titanic“ und den vedammten „Transformers“ (Kritik)?), darf selbst Haare kriegen: graue.

Fazit:
Die Neuauflage des Universal-Klassikers, der eigentlich der beste, aufwendigste, größte Werwolffilm aller Zeiten werden sollte (und hätte werden können), ist nichts als ein mittelmäßig gemachter, mittelmäßiger Actioner mit nervtötenden Buh!-Momenten und fehlender Spannung. Oberflächliches Gehacke, eine nur ausreichende Enttäuschung.

4 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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