BG Kritik: „Glass“

16. Januar 2019, Christian Westhus

Glass
(USA, China 2019)
Regie: M. Night Shyamalan
Darsteller: Samuel L. Jackson, James McAvoy, Bruce Willis, Sarah Paulson, Anya Taylor-Joy
Kinostart Deutschland: 17. Januar 2019

Handlung:
Der „unzerbrechliche“ David Dunn (Bruce Willis), die „Horde“ (James McAvoy) und Mister Glass (Samuel L. Jackson) treffen aufeinander, als eine Wissenschaftlerin die Herkunft ihrer Fähigkeiten erkunden will.

M. Night Shyamalan ist zurück! Es ist unmöglich, über einen neuen Shyamalan Film zu reden, ohne die Entwicklung seiner Karriere mit in Betracht zu ziehen. Das traf schon immer zu, doch „Glass“ macht es unvermeidlich. Das ist durchaus hilfreich, ermöglicht es doch die Gelegenheit, für eine Weile um die Geheimnisse und überraschenden Wendungen der Geschichte herum zu tanzen. Shyamalans Rückkehr ist eine beeindruckende Leistung, denn der Regisseur, der einst als Wunderkind und neuer Spielberg bezeichnet wurde, nur um wenig später geächtet und verspottet zu werden, hat sich mit ein wenig Glück und ganz viel eigener Leistung zurück gekämpft. Seine Filme sind vielleicht nicht mehr so groß und erfolgreich wie einst, doch nach „The Visit“, „Split“ und nun „Glass“ kreiert der Name M. Night Shyamalan wieder Publikumsinteresse und positive Aufmerksamkeit.

Seit „The Visit“ befinden wir uns in der (mindestens) zweiten Phase von Shyamalans Karriere. Die kritischen und finanziellen Frontalflops wie „Die Legende von Aang“, „The Happening“ und „After Earth“ waren eine schmerzhafte Zäsur. Für einen Regisseur, der immer schon gerne selbst vor die Kamera trat und auch seinen Status als Geschichtenerzähler und Filmemacher gerne mal im übertragenen Sinn zum Thema machte, ist es irgendwie nur logisch, nun beide Phasen der bisherigen Karriere zu verbinden. Nachdem „Split“ in den letzten Augenblicken seine Position im Shyamalan Kosmos offenbarte, bekommen wir nun in „Glass“ den vorläufigen Endpunkt der Trilogie mit „Unbreakable“ und „Split“. Bruce Willis und Samuel L. Jackson sind zurück, ebenso wie James McAvoy und Anya Taylor-Joy aus „Split“ und sogar der Sohn aus „Unbreakable“. McAvoys „Horde“ mit der übermächtigen Bestie an der Spitze trifft auf David Dunn, den „unzerbrechlichen“ Mann, der als Rächer im Regenponcho heimlich (und ohne Lizenz) auf Verbrecherjagd geht. Und bald schon treffen beide in einer psychiatrischen Anstalt auf Elijah „Mr. Glass“ Price und Dr. Ellie Staple (Sarah Paulson), die glaubt, die übernatürlichen Fähigkeiten dieser Männer seien nur eingebildet.

© Universal Pictures / Walt Disney

M. Night Shyamalan ist zurück – allerdings auch mit all den negativen Elementen und Einflüssen, die seine Karriere (unter anderem!) einst beinahe ruiniert hatten. Als hätten der Fast-Absturz und die Kurskorrektur keinen dauerhaften Lerneffekt hinterlassen, sind wir zurück bei selbstgerecht „verplotteten“ Drehbüchern, Meta-Narrativen, plumpen Metaphern, Twists und störenden Cameos. Nach einem recht gelungenen Einstieg mit Willis und McAvoy wird mehr als eine gesamte Stunde mit einem Handlungsansatz verschwendet, der einfach nur zum Scheitern verurteilt ist. Dr. Staple versucht diese drei Männer und dadurch auch uns vom Gegenteil dessen zu überzeugen, was wir in „Unbreakable“ und „Split“ mühsam zu akzeptieren lernten. Wir haben es nicht gerade mit Superman und dem Hulk zu tun, doch wir haben gesehen, zu was David Dunn und die Bestie in der Lage sind – auch über die objektiven Augen Dritter. Als Zuschauer sind wir also raus, wenn Dr. Staple ihre von schreiender Unlogik und fragwürdigen Widersprüchen durchzogene Forschung ansetzt. Doch selbst handlungsintern ist es für die Figuren weder spannend noch dramatisch, weil nur in Ansätzen interessant umgesetzt wird, wie sie ihr Erlerntes in Frage stellen sollen. Wir gehen unnötig zeitintensiv Dinge durch, die eigentlich längst entschieden waren. Die Gegenwart der Figuren wird dabei durch ihre Vergangenheit informiert, also blicken wir immer mal wieder zurück. Manchmal sehen wir einen jüngeren Bruce Willis, denken „Oh, gute Verjüngungsmaske“ und fragen uns, woher plötzlich das sonst abwesende Leben in Willis‘ Augen gekommen ist, ehe wir erkennen, dass Szenen aus „Unbreakable“ (teilweise Deleted Scenes) hier verwendet wurden.

Das nächste Problem? Elijah Price hat keine Superfähigkeiten. In Unbreakable sucht der Comicfan nach dem Gegenstück zu seiner körperlichen Schwäche, nach einem unzerstörbaren Mann. Hier nun ist Mr. Glass plötzlich Lex Luthor, der vielleicht klügste Mensch des Planeten, der alles und jeden sofort durchschaut und manipuliert. So hat Samuel L. Jackson im späteren Verlauf der Handlung zwar einige Möglichkeiten zum unterhaltsamen Mienenspiel, doch alles steht auf wackligen und widersprüchlichen Beinen. „Comic“, ist die häufige Erklärung. Dr. Staple hält die vermeintlichen Kräfte der Männer für Einbildung, für eine „Comicheft Wahnvorstellung“. Als wären wir zurück bei „Das Mädchen aus dem Wasser“ wird der symbolische Subtext von Comics, Comichelden und auch von diesen Figuren zu bloßem Text, reiner Oberfläche, die uns wie in einer Vorlesung vorgestellt wird. Funktionen und Ursprünge werden verklärt, und in einer längeren Tirade erklärt Dr. Staple, wie und warum die gesamte Welt an den negativen Einflüssen der Comicwelt leidet. Hier spricht Shyamalan mal wieder über mehr als seine Figuren und seine Handlung, nimmt sich dem Comic Boom der gesamten Welt an – oder seiner öffentlichen Selbstwahrnehmung. Die Perspektive ist dabei natürlich entscheidend. Franchise Neuzugang Sarah Paulson hat damit den schwierigsten Job und scheitert leider daran, da sie das Script im Stich lässt. Sie muss die absurde Konstruktion der ersten Hälfte schultern, ehe der Film in der zweiten Hälfte zu dem werden kann, wie er erwartet wurde.

James McAvoy kann sich mit seinen 325 Rollen und Identitäten einigermaßen retten, bekommt eine noch größere Bühne, gehen doch auch die Wechsel zwischen Dennis, Patricia, Hedwig und der Bestie nun deutlich schneller und fordern McAvoy mehr heraus. Das ist spannend, unterhaltsam, teils (irritierend) humorvoll und mitunter sogar wirklich dramatisch. McAvoy und die wenig eingesetzte Anya Taylor-Joy funktionieren als Duo gut emotional, wie auch David Dunn und sein Sohn ein theoretisch spannendes Gespann abgeben. Doch Shyamalan will mancherorts zu viel und leistet andernorts zu wenig, um irgendwas wirklich erinnerungswürdig zu gestalten. Zu viel an „Glass“ ist zu interessant oder zumindest zu kurios und ungewöhnlich, um wirklich schwach zu sein. Doch nach der suboptimal entwickelten ersten Hälfte wird die zweite nur bedingt besser und scheitert letztendlich unter anderem an narrativem Sturrsinn, der selbstgerechten Meta-Symbolik, unfreiwilliger Komik und an einem Twist wie aus „besten“ Zeiten. Interessant kann das in der Nachbetrachtung allemal sein, doch Shyamalans bislang (auch gefühlt) längster Film ist diesen Mehraufwand eigentlich nicht wirklich wert.

Fazit:
Allemal originell, ungewöhnlich und erfrischend unangepasst für einen Film dieser Prominenz. Doch mit einem umständlich konstruierten Drehbuch, einem überambitionierten Plot und dem störenden Einfluss einiger längst vergessen geglaubter Shyamalan Spleens bleibt „Glass“ hinter den Erwartungen zurück.

4,5/10

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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