BG Kritik: „Footloose“ (1984)

2. Oktober 2018, Christian Westhus

Der Tanz-Kultfilm mit Kevin Bacon: Aus der Großstadt kommt der junge Ren McCormack in die dörfliche Gemeinde Bomont. Dort ist Reverend Moore mit seinen strengen Ansichten zu Sitte und Anstand das moralische Vorbild, und per Gesetz steht sogar Tanzen unter Strafe, nachdem vor einigen Jahren nach einem Tanzabend ein tödliches Unglück passierte. Ren eckt mit seinem großstädtischen Gedankengut schnell an und zieht das Interesse der rebellischen Ariel an, der Tochter des Reverends. Für Ren ist irgendwann klar: Er will tanzen!

Footloose
(USA 1984)
Regie: Herbert Ross
Darsteller: Kevin Bacon, Lori Singer, John Lithgow, Dianne Wiest
Kinostart Deutschland: 18. Mai 1984

(Diese Kritik erschien ursprünglich im Vorlauf zum Kinostart des Remakes im Oktober 2011.)

„Hey, hey! What’s this I see? I thought this was a party. Let’s daaaaaance!” – Die gute alte Zeit, sozusagen. Kevin Bacon war mit Schlips und David Bowie Frisur auf dem Weg zu Weltruhm, Kenny Loggins Klassiker wurde ein echter Ohrwurm und der Tanzfilm-Hype der 80er brachte ein weiteres Jugendmärchen mit heißen Sohlen hervor. „Footloose“ hatte nie den Trash-Sex Status von „Flashdance“ und nicht im Ansatz den weltweiten Romantik-Kult-Charakter von „Dirty Dancing“. „Footloose“ war der Tanzfilm, der es sich nicht zu einfach machte, der nicht pausenloses Hüftekreisen aneinander reihte oder zum allgemeinen Schmachten einlud. Wenn man so will, dann unterscheidet sich „Footloose“ darin von seinen Kollegen, dass er eine Story hat. Und das ist für den feschen 80er-Kult gleichzeitig Fluch und Segen. Wer mehr wagt, kann auch mehr verlieren oder eben mehr falsch machen. Originalitätspreise gibt es für die geradlinige Geschichte des Neuen, der mit jugendlicher Energie gegen ein festgefahrenes System wettert, nämlich nicht. Und eigentlich ist das ganze Gerede von Tanzen als Lebensgefühl und als merkwürdig durch den Popkultur-Fleischwolf gedrehte Metapher von persönlicher Freiheit ja irgendwie arg gewollt. Von der sehr naiv ins Extrem gerückten „Tanzen ist per Gesetz verboten“ Prämisse (authentisches Vorbild hin oder her) ganz zu schweigen.

Der Reiz von „Footloose“ liegt in seinem Flair, dem Charme, der ironischen Retro-Coolness, sowie den überraschend weitreichend ausgearbeiteten Figuren. Und die Coolness beginnt schon beim grenzgenialen Intro mit den tanzenden Füßen. Ein Highlight. „Footloose“ war schon Anno 1984 ein Film, der nicht zwangsläufig zeitgenössisch sein wollte, sondern mit einem Augenzwinkern zeitlich im Lebensgefühl zurückwarf. Der zurückwarf in eine Zeit, wo das Wort eines Gottesmannes selbst die Dorfjugend lähmt, wo mobile Stereo-Player einen Diner plus gesamte Umgebung einheizen und wo das Eingeständnis nicht tanzen zu können die größte Peinlichkeit des Monats ist. Ren mit seinem schnittigen gelben VW-Käfer, sein Aufzug mit Krawatte und Lederjacke, oder der Zorn der Stadt, weil ein junges Früchtchen doch tatsächlich tanzen möchte – „Footloose“ zeigt eine nie völlig realistische, aber auch nicht total verdrehte Pop-Welt, in der authentisches Lebensgefühl pulsiert. Mal mit aller Macht gewollt, mal ganz natürlich.

© Universal / Paramount

Kevin Bacon nimmt man den selbstbewussten Lausebengel aus der Großstadt jederzeit ab. Mit Respekt vor den Erwachsenen, in den richtigen Momenten bescheiden, aber von einer unbändigen Lebenslust getrieben. Herrlich sinnbefreit, aber vom Feeling her wunderbar beispielsweise sein emotionaler Tanz-Ausraster in einer abbruchreifen Halle. Der Tanzstil des top-trainierten Bacon ist eigenwillig, aber durchaus cool. Das erste Treffen mit Kumpel Willard ist furztrocken und höchst amüsant, wie Willard eh eine wunderbar sympathische Figur ist, dem sogar eine spaßig alberne Trainingsmontage (Even Rocky had a montage!) spendiert wird. John Lithgow gibt den Gottesmann mit der nötigen inneren Sorge, die sich nach außen in übereifrigen Vorsichtsmaßnahmen äußert. Ihm zur Seite steht mit Dianne Wiest eine Charaktermimin in kurzer Nebenrolle, die in ihren wenigen Momenten gekonnt und leise die Situation im Elternhaus von Ariel ausweitet und charakterlich interessanter macht. Ariel selbst ist ein flotter Feger, aus der mal sehnlichst erhoffte Freiheitsphrasen sprudeln, die dann aber auch ganz gezielt den Jungs den Kopf verdreht. Ariels Rebellion gegen das restriktive Elternhaus, das sich auf die gesamte Stadt ausgeweitet hat, wirkt glaubwürdig, wenn auch nicht frei von Klischee. Ein solches ist natürlich – es muss ja so sein – Ariels Freund Chuck, der ganz genregetreu ein ausgemachter Idiot ist. Und selbstverständlich eckt unser Ren mit eben diesem Redneck-Maulhelden an.

Manchen Szenen merkt man sofort an, wie konstruiert und unpassend sie sind, und dennoch kann man sich ihrer Wirkung selten entziehen. Sei es Ariels „Tanz“ zwischen zwei Autos oder das völlig bescheuerte Chicken-Race, zu dem natürlich Bonnie Tylers „Holding out for a hero“ aus den Lautsprechern röhrt. „Footloose“ ist ein Film fürs Feeling und bis auf ein schwaches Schlussdrittel gibt es viel zu holen. Die jugendliche Revolution soll gestartet werden, man will den spießigen Alten die Stirn bieten, ihnen quasi auf der Nase herumtanzen. Nur je näher man der plötzlich eigenartig brav geäußerten Revolution kommt, desto mehr geht dem Film die Puste aus. Ohnehin schon eher rar mit echten Tanzszenen gesät, fehlt es im Schlussdrittel plötzlich für längere Zeit an Tanz und Musik. Nebenfiguren fallen für eine Weile durchs Rost und auf Dauer macht man es sich zu leicht, wird es zu oberflächlich, wie Motive, Gesinnungen, Probleme und Lösungsansätze durcheinander gewirbelt werden und auf die Schnelle ein für beide Seiten befriedigendes Endergebnis erwirken. Dazu eine strukturell unpassend gesetzte (und überraschend brutale) Prügelszene am Ende, sowie ein zunächst lauwarmes, antiklimatisches Finale. Wobei die Tatsache, dass fast alle Dorfkids, bei denen Tanz verboten ist, begnadete Tänzer sind, den Pop-Märchen Charakter des Films durchaus gut abrundet. „Let’s hear it for the boy…“

Fazit:
Der nicht ganz so kultisch verehrte 80er Tanz-Klassiker. Coole Typen, gut entwickelte Figuren und eine Story, die sich immerhin bemüht, heben „Footloose“ über einen Großteil der Konkurrenz hinweg. Viele tolle Szenen, schmissige Musik und einfach dieses Feeling überzeugen. Trotz eines lahmen Schlussdrittels.

6,5/10

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

Um an dieser Diskussion teilzunehmen, registriere dich bitte im Forum:
Zur Registrierung