BG Kritik: „Revanche“ (Treasure Monday)

9. Juli 2018, Christian Westhus

Erstklassiges österreichisches Thrillerdrama: Um mit seiner Freundin ein neues Leben anzufangen, raubt Alex (Johannes Krisch) eine Bank aus. Doch der Coup hat folgenschwere Konsequenzen. Alex taucht bei seinem dörflich lebenden Großvater unter. Ganz in die Nähe des Polizisten, der am Ausgang des Überfalls beteiligt war.

Revanche
(Österreich 2008)
Regie: Götz Spielmann
Darsteller: Johannes Krisch, Andreas Lust, Irina Potapenko, Ursula Strauss u.a.
Kinostart Deutschland: 12. Februar 2009

(Diese Kritik erschien im Rahmen der Kritikenreihe Treasure Monday, ursprünglich veröffentlicht im August 2014.)

Im Genre liegt die menschliche Wahrheit. Götz Spielmann lässt sich in „Revanche“ vom Genrekino inspirieren und dreht so ein ganz und gar auf seine Figuren zugeschnittenes Drama. Das brachte sogar eine Oscarnominierung ein, doch in erster Linie ist „Revanche“ eins: ein äußerst guter Film.

Ex-Knacki Alex arbeitet im Bordell von Konecny als Handlanger, Saubermacher und notfalls auch Mann fürs Grobe. Mit der Prostituierten Tamara verbindet ihn mehr als nur eine Beziehung in der Horizontalen. Als Tamara ein schwammiges Angebot vom bedrohlichen Konecny erhält, weckt dies Beschützerinstinkte in Alex. Er selbst hat den aktuellen Zustand satt, doch erst die Chance Tamara zu befreien, ihr Held und Beschützer zu sein, motiviert ihn zum Handeln. Und erst die emotionale Reaktion nach dem Bankraub zeigt uns, wie fragil Alex als Held ist, wie sensibel er ist und wie echt und innig das Verhältnis zu Tamara ist. Womöglich war ihm das zuvor selbst noch gar nicht so bewusst.

„Geschnappt werden nur diejenigen, die keinen Plan haben“, sagt Alex, der einen Plan hat. Planmäßig läuft der Bankraub dennoch nicht. Regisseur Spielmann bringt den Zufall als unvorhersehbaren Manipulator menschlicher Schicksale ins Spiel. Tamara scheint etwas zu spüren, betet zum Herrgott. Und dann ist da Polizist Robert, ganz zufällig und unerwartet in der Nähe. Dass Robert mit seiner Frau unweit des kleinen Bauernhofs des Großvaters lebt, kann Alex nicht wissen, als er dort untertaucht. Großvater und Enkel haben sich länger nicht gesehen, aber vielleicht war da doch so eine Ahnung. Dass Roberts Frau Susanne zur Stippvisite zum Großvater kommt und nun regelmäßiger vorbeischaut, scheint zunächst auch nur einer von Götz Spielmanns schicksalhaften Zufällen zu sein, mit denen er seine Handlung auf überraschende und faszinierende neue Wege lenkt.

© Prismafilm / Movienet

In der zweiten Hälfte zeigt sich, wie effektiv der Film Genre-Elemente aufgreift, sie dann aber erweitert oder gänzlich fallen lässt, um die eigentliche Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte von Menschen als Opfer des Zufalls, über die Grauzone zwischen Wahrheit und Gerechtigkeit. Spielmann lässt seine Figuren ins Unheil laufen und doch merkt man jederzeit einen Optimismus, merkt man den Wunsch, den Figuren möge ein glücklicher Zufall zu Hilfe kommen. Spielmanns unaufgeregte Inszenierung, in ruhigen, aber glasklaren Bildern, ohne effekthascherischen Zusatz, zieht sich nicht zugunsten der Figuren zurück, sondern bietet ein realistisch wirkendes und doch scharf entworfenes Panorama, vor dem die Figuren agieren.

Spielmann baut bewusst Parallelen zwischen den verschiedenen Figuren auf, zwischen den Frauen und ganz besonders zwischen den Männern. Großvater und Enkel sind sich, obwohl entfremdet, gar nicht so unähnlich. Und andernorts sind bald zwei Männer auf unterschiedliche Weise von derselben Frau verfolgt. Alex ist kein gewöhnlicher Genreheld, kein gewöhnlicher Dieb aus einem Genrefilm. Faszinierend vage gespielt von Johannes Krisch ist Alex ein knorriger Einzelgänger, ein mittelmäßiger Kerl, der gut arbeiten kann, wie Konecny, aber auch der Großvater bestätigen, dem aber jeglicher Glanz fehlt. Alex ist grob und plump, nicht immer freundlich, obwohl im Innern viel kleiner, als er von außen wirkt. Spielmann entwirft so und auch durch Robert ein neues oder zumindest anderes Bild des Mannes, der gewisse starke Rollen auszufüllen hat, ob er das will oder nicht. Dies ist nur eine zahlreicher Facetten eines Films, dessen Ende auf den ersten Blick vage und ziellos wirkt, der aber nur so enden konnte. Denn Hollywood und seine Genres wurden schon längst zurückgelassen.

Fazit:
Menschlich faszinierendes und trotz bedächtiger Inszenierung überaus spannendes Thrillerdrama.

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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