BG Kritik: „Attack the Block“

14. Juli 2011, Christian Mester

ATTACK THE BLOCK (2011)
Regie: Joe Cornish
Cast: John Boyega, Jodie Whittaker, Nick Frost

Story:
Als eine junge Krankenschwester eines Abends von einer finsteren Jugendgang überfallen wird, werden sie zusammen plötzlich Zeuge einer Begegnung der dritten Art. Ein kleines Monster aus dem All greift sie an und nimmt fauchend Reißaus. Anstatt selbst jedoch das Weite zu suchen, krallen sich die jungen Kriminellen kurzerhand Messer und Baseballschläger und machen dem gefährlichen Ding eigenhändig den Garaus. Nachdem sie zunächst noch skeptisch sind, ob das erlegte Ungetüm wirklich ein Alien ist, offenbart sich ein unverhofftes Grauen: weitere Aliens landen in der nahen Umgebung, die jedoch allesamt wesentlich größer und gefährlicher sind. Die Gang unter Leitung ihres mutigen Anführers Moses (John Boyega) bleibt jedoch freiwillig auf dem Gelände und tut sich mit der Krankenschwester zusammen, um es auf eigene Faust zu verteidigen.

Kritik:
So vielfältig die Zahl der Filme mit außerirdischen Besuchern auch sein mag, so teilen sie sich fast alle die Tatsache, dass man als Alien stets auf dieselben Gruppen trifft. Landen sie auf der Erde, so suchen sie in der Regel meistens arglose Zivilisten auf, oder landen aber, wenn sie direkt unverblümt die Erde übernehmen wollen, im Fadenkreuz des Militärs – dann zumeist in den USA. Was aber, wenn die extra-terrestrischen Gäste zur Ausnahme einmal auf das organisierte Verbrechen stießen? Nachdem der britische Regisseur Edgar Wright mit seiner Zombie-Komödie Shaun of the Dead 2004 sämtliche Genre-Erwartungen auf den Kopf stellte und damit einen Hit schuf, der unter vielen Filmfans mittlerweile sogar als Kultfilm gilt, nahm sich nun sein Landsmann Joe Cornish einer ähnlichen Idee an. Auch in seinem Film landet das zumeist überraschend amerika-fixierte Böse auf britischem Boden, dieses Mal aber mit einer merklichen Unterschied: diese garstigen Außerirdischen legen sich mit Jugendlichen an.

Attack the Block zu kategorisieren fiele schwer, denn der Film ist zu gleichen Teilen Komödie, Horror- und Actionfilm geworden. Zu weiten Teilen funktioniert er zunächst als hervorragender Horrorstreifen: so sind die simpel, aber originell designten Aliens schaurige Gestalten, die zur blutrünstigen Gefahr werden und in vielen spannenden Sequenzen nach dem Leben der Jungs und dem der anderen Blockbewohner trachten. Highlight dieser Szenen ist eine spannende Schlacht in einem vernebelten Flur, in dem die Kids großen Mut beweisen. Bei all den rasanten Auseinandersetzungen ist Attack the Block aber auch nahezu Actiontitel: so schlägt die verunsicherte, aber höchst tapfere Gang mutig zurück und zeigt mit Baseballschlägern, Knarren und Katanas, dass sie das Wenige, das ihnen blieb, mit aller Macht zu schützen gedenken.

Überdies ist der Film aber auch eine außerordentlich lustig geratene Komödie. Nicht nur, dass sich die oftmals naiv wirkenden Kinder mit umgefüllten Wasserpistolen und einem Roller vom Pizza-Lieferdienst zu wehren wagen, so sind sie selbst auch amüsante Charaktere, die immer wieder in gelungene Situationskomik geraten; etwa, wenn ein Jugendlicher sein erstes Alien mit einem Katana erlegt und dann völlig verdutzt ist, dass das wirklich funktioniert hat, oder wenn sich der chaotischste Kiffer als Biologie-Student entpuppt und einen Nachteil der Aliens entdeckt. Dass die Kids Schulen nie lange von innen gesehen haben können, wird zwar zum Ausdruck gebracht, doch der Film macht sich dabei keineswegs über sie lustig – ganz im Gegenteil.

Dass es in England in den letzten Jahren zu verstärkten Problemen mit Jugendgangs gekommen ist, wurde bislang nur selten in Filmen verarbeitet. Die Filme Hooligans, Harry Brown und Heartless nahmen sich des Themas an, zeigten das Geschehen jedoch allesamt im distanzierten, sehr negativen Blick; perspektivlose Jugendliche waren ausschließlich Gefahren, die Unschuldigen und sich sogar gegenseitig gnadenlos an die Gurgel gingen. Attack the Block fängt zunächst ähnlich an, indem Moses‘ Gang als verabscheuungswürdige Räuberbande vorgestellt wird, zeigt dann jedoch schnell andere Facetten. Trotz Fokus auf Action, Horror und Comedy hat der Film einen sehr ernsten Charakter, ernster als das kitschlastige Super 8 aus dem Sommer. Als Parabel wird darauf aufmerksam gemacht, wieso solche Zustände herrschen, wieso sie sich nicht ändern und dass Kids wie diese völlig auf sich allein gestellt sind. So wie die Polizei auch im wahren Leben oftmals distanziert kühl bleibt, sind Beamte auch hier inmitten der Alieninvasion keine große Hilfe. Die Gangs, Pimps und Drogenabhängigen im Film sind zwar zumeist auf lustig getrimmt, aber man vergisst nie, dass ihr alienloser, eigentlicher Alltag ansonsten eigentlich nicht zum Lachen ist.

Trotz geringen Budgets und unbekannter Gesichter ist der Film in filmischer Hinsicht eine Wucht. Die Jugendgang ist ungeheuer sympathisch besetzt und wird von einem jungen Schauspieler namens John Boyega angeführt, der optisch sehr an Ausnahmedarsteller Denzel Washington erinnert und – eine ähnlich starke Ausstrahlung aufweist. Fast jeder aus Moses‘ Gang bekommt seine eigene Heldenszene spendiert und mittendrin bleibt die Krankenschwester als Vertretung eines normalen Bürgers, als der sie Gang und ihre Umgebung plötzlich in einem anderen Licht wahrnimmt.

Die Werbematerialen des Films werben damit, dass der bekannte Nick Frost aus Shaun of the Dead und Hot Fuzz mitspielt, doch seine Rolle als feiger Faulpelz ist gerademal als Cameo zu werten. Eine nette Dreingabe, die für den Film aber zudem nicht wichtig ist: er braucht Shaun’s Hilfe nicht. Cornish inszeniert seinen Debüt-Film flott, gekonnt wechselnd zwischen humorvollem und spannenden Ton, und obwohl fast der ganze Film im selben Wohnblock spielt, wird es aufgrund des hohen Tempos optisch nie langweilig. Musikalisch wird das ganze sehr atmosphärisch mit elektronischer Musik untermalt, die dem ganzen einen düsteren, aber stets treibenden Beat verpasst, der mitunter an Fight Club erinnert.

Fazit:
Attack the Block ist eine echte Überraschung: der vermeintlich nicht weiter auffällige Low-Budget Science-Fiction-Streifen aus Großbritannien ist ein beeindruckendes Debüt, dass sich gekonnt durch verschiedene Genres bewegt und in jedem davon überzeugt. Ein Pflichtfilm für jeden Filmfan und ein Muss für jeden, der die hundertsiebenundzwanzigste US-Alieninvasion satt ist und endlich mal wieder etwas Originelles sehen möchte. Vollste Empfehlung!

9 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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