BG Kritik: „Laura“ (Treasure Monday)

28. Juli 2019, Christian Westhus

Ein Film Noir und Mystery Klassiker: Die erfolgreiche Geschäftsfrau Laura Hunt wird ermordet in ihrer Wohnung aufgefunden. Ermittler McPherson versucht herauszufinden, wer die attraktive und beliebte Frau getötet hat und findet sich bald in einem wendungsreichen Fall wieder.

Laura
(USA 1944)
Regie: Otto Preminger
Darsteller: Dana Andrews, Gene Tierney, Clifton Webb, Vincent Price
Kinostart Deutschland: 09. Mai 1947

(Diese Kritik erschien im Rahmen der Kritikenreihe Treasure Monday, ursprünglich veröffentlicht im Juli 2015.)

Während andernorts der 2. Weltkrieg tobte und sein Kontinente überragendes Unheil verrichtete, drehte man in Hollywood weiter Filme und dabei gelegentlich auch Meisterwerke wie dieses. Nicht immer waren die Filme der Kriegszeit positivistische Ablenkung oder politisches Instrument, wie man vielleicht denken könnte. „Laura“ ist ein faszinierend unbequemes Thrillerdrama, inszeniert von Otto Preminger, einem in die USA emigrierten österreichisch-ungarischen Regisseur.

Im Prinzip haben wir es hier mit einem Whodunit zu tun, einem mörderischen Rätselkrimi, wie es ihn wahrlich hundert- und tausendfach gibt. Eine Person ist tot, ein Ermittler tritt auf, wie haben eine überschaubare Anzahl Verdächtiger und wenn der Film seine Karten richtig spielt, glauben wir alle zwanzig oder dreißig Minuten an die Unschuld einer Figur, die kurz zuvor noch zu 99,9% der Mörder sein musste. Auch „Laura“ spielt dieses Spiel, doch der eigentliche Reiz der Handlung liegt an den vielschichtigen und spannenden Charakterbeobachtungen. Drei Jahre, nachdem Orson Welles und „Citizen Kane“ das Kino, wie man es zuvor kannte, grundlegend revolutioniert hatten, entspinnt sich auch Premingers „Laura“ als perspektivisch aufgefächerter, gezielt widersprüchlicher Blick auf eine Frau, die in den Leben einiger Männer und Frauen einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat.

© 20th Century Studios

Auch Ermittler McPherson, den Dana Andrews im gekonnten Mittelweg aus raubeinig, cool und menschlich spielt, ist bald von der Toten, dieser geheimnisvollen Laura Hunt fasziniert, die er nur über das große Gemälde in ihrer Wohnung und die Berichte ihrer Wegbegleiter kennen lernt. Per Rückblenden sehen wir, wie Laura als junge, aufstrebende Frau den Intellektuellen Lebemann Waldo Lydecker aufsucht und mit einer Geschäftsidee bedrängt. Waldo, der sich als enger Freund der Verstorbenen sieht, der aber auch ein gewiefter Journalist ist, folgt McPherson, wenn dieser Lauras Verlobten Shelby Carpenter (ein junger Vincent Price) befragt, oder Misses Treadwell, eine reiche Tante Lauras, aufsucht. Auch diese beiden Zeugen lassen uns in Lauras Vergangenheit blicken.

Preminger verzichtet in seiner Inszenierung auf stilistische Spitzen, die einige zeitgenössische Krimi Kollegen weltberühmt machen. Ihm ist mehr an den Emotionen gelegen, selbst in den Wendungen, die mehr sind, als ein überraschender Schock. Jede neue Information, jede 180 Grad Drehung, jede plötzliche Offenbarung hat ein selten gesehenes Gewicht, auch dank der geschickten Kameraarbeit von Joseph LaShelle, der das Bühnenhafte der Geschichte noch stärker hervorhebt. Das macht „Laura“ zu einem Film, über den man bei der Erstsichtung möglichst wenig wissen sollte. Doch mit seinen exzellenten Darstellern und seinem ausgeklügelten dramatischen Fundament ist es der seltene Fall eines Krimirätsels, welches auch bei einer zweiten und dritten Sichtung noch seine Reize hat.

Fazit:
Spannende, clevere und charakterlich faszinierende Krimi-Mystery. Zu Recht ein Klassiker.

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

Um an dieser Diskussion teilzunehmen, registriere dich bitte im Forum:
Zur Registrierung