BG Heimkino Check: „Brahms: The Boy 2“ auf 4K UHD

5. Juli 2020, Daniel Schinzig

Oh Junge, oh Junge, ein neuer Junge. „The Boy“ war 2016 ein durch und durch solider, wirkungsvoller, kleiner Horrorfilm, der zwar nicht lange im Gedächtnis der Genrefans blieb, aber für eine gute, gruselige Zeit sorgte. Ob die Fortsetzung ähnlich einzuordnen ist? Die Heimkinoveröffentlichung von „Brahms: The Boy 2“ ist ein guter Anlass, dieser Frage nachzugehen. Spoiler: Auch der neue „The Boy“ kann was, hat aber mit zwei riesigen Problemen zu kämpfen. Und die Frage, ob zur Blu-ray oder zur 4K UHD gegriffen werden sollte, ist gar nicht so leicht zu beantworten.

Wir erinnern uns (Und wer sich nicht erinnern kann, sollte nun gewarnt sein, dass der erste „The Boy“ leicht gespoilert wird): Im ersten Teil nimmt eine junge Amerikanerin in einem großen englischen Herrenhaus einen Babysitter-Job an. Das ältere Ehepaar wirkt erst etwas verschroben, dann nimmt die ganze Situation eine skurrile Entwicklung: Der Junge, der beaufsichtigt werden soll, ist eine Porzellanpuppe. Und vor der scheinen die Eltern große Angst zu haben, geben Kindermädchen Greta sogar eine Liste mit merkwüdigen Regeln an die Hand. Was ein Unsinn, aber ein offenbar sehr anspruchsloser Job. Denkt Greta zuerst. Doch nach und nach macht die Puppe beunruhigende Sachen, scheint sich zu bewegen und Greta zu beobachten. Ist die Puppe etwa lebendig? Oder kommt Greta mit der Einsamkeit in dem großen Anwesen nicht klar?

Ich glaub, ich sehe doppelt: Wer ist denn jetzt Junge und wer Puppe?

© Capelight

Eine Frage, von der „The Boy“ lebte. Schon die Ausgangslage – junge Frau soll auf Porzellanpuppe aufpassen – wirkte beunruhigend. Die Unsicherheit, was denn nun mit der Puppe abgeht, war ein effektiver Spannungsauslöser. Regisseur William Brent Bell verstand es vortrefflich, diese Trumpfkarte der Unsicherheit lange auszuspielen. Wir bekamen kaum mehr mit als die Protagonistin auch. Wir sahen nicht, wie sich die Puppe hinter dem Rücken der jungen Frau bewegte, sondern nur das Ergebnis: Die Kopf der Puppe stand beim erneuten Betreten des Zimmers anders als zuvor. So stellten wir uns eben auch immer die Frage: Geht hier tatsächlich etwas Übersinnliches vor sich oder gibt es doch eine weltliche Erklärung?

Und jetzt zum bereits angekündigten Spoiler: Es gab eine weltliche Erklärung. War sie hanebüchen? Eventuell. Aber der Weg, dem Puppenhorror konsequent seiner übernatürlichen Ebene zu berauben, war äußerst lobenswert und reizvoll. Cool soweit. Aber warum steht hier jetzt ein so langer Prolog über „The Boy“, wo es hier doch um „Brahms: The Boy 2“ gehen sollte? Weil all das elementar wichtig ist, um zu verstehen, warum die Fortsetzung auf einigen Ebenen kolossal scheitert.

Die Geschichte von Greta war offensichtlich auserzählt und so spielt sie im Grusel-Sequel keine Rolle mehr. Ein verschmerzbarer Verlust, denn Lauren Cohan war im Vorgänger sympathisch, aber blieb auch nicht wirklich in Erinnerung. Nun lernen wir direkt zu Beginn eine neue Familie kennen. Größter Name in der neuen Darsteller-Riege dürfte Katie Holmes als Familienmutter Liza sein. Und es dauert keine fünf Minuten, da werden sie und ihr Filmsohn Jude Opfer brutaler Einbrecher. Eine Tat, die Spuren hinterlässt und eine wichtige Richtung des Films vorgibt.

Denn um das Trauma zu überwinden – Liza hat Angstzustände, Jude spricht seit dem Überfall nicht mehr – ziehen sie mit Ehemann und Vater Sean in ein Haus mitten in einem einsamen Waldgebiet. In ein Haus, das zum großen Anwesen, in dem die Geschehnisse des ersten Teils stattfanden, gehört. Und so dauert es nicht lange, bis der junge Jude im Wald eine Porzellanpuppe findet und unbedingt behalten möchte. Und wie das so ist: Einem traumatisiertem Jungen schlägt man keinen Wunsch ab, und wenn das neue ins Herz geschlossene Spielzeug noch so einen starren Blick draufhat.

Und tatsächlich scheint die aufblühende Freundschaft zwischen Junge und Puppe erst einen positiven Aspekt zu haben: Denn der monatelang erstummte Jude spricht auf einmal wieder, auch wenn nur in unbeochteten Momenten und auch nur zum Brahms getauften neuen Spielgefährten. Doch schon bald findet vor allem Liza die Jungen-Puppen-Freundschaft bedenklich. Jude wird immer mehr von der Puppe eingenommen, verschließt sich, kleidet sich wie Brahms. Und die Puppe selbst scheint auch etwas im Schilde zu führen.

Nun sind wir wieder an dem Punkt, der mit dem ersten Film eigentlich schon abgeackert war: Ist die Puppe etwa besessen oder steckt etwas weltliches dahinter, ist der damalige Strippenzieher eventuell sogar wieder zurück (was zwar inhaltlicher Mumpitz wäre, aber es gibt da ja noch so ein oder zwei andere Horrorfilmikonen, die mehrere unmögliche Wiederauferstehungen erfahren haben…)? Eine Frage, die an Reiz verloren hat. Gehen wir davon aus, dass eine Fortsetzung vor allem von Zuschauern gesehen wird, denen der Erstling bekannt ist, dann ist sie schlicht und einfach schon beantwortet und die eigentlich Frage, der nachgegangen werden müsste, wäre die nach dem neuen oder neuen alten Täter. Filmsprachlich versucht uns „Brahms“ aber noch einmal dieselbe Prämisse wie Teil 1 neu zu verkaufen. Dadurch verpufft die ansonsten wieder sehr gelungene Inszenierung – erneut hat Regisseur William Brent Bell die Zügel in der Hand – zum Teil. Und zur Vollständigkeit: Sollte „Brahms“ für Zuschauer ein Erstkontakt mit der Horrorfilmreihe darstellen, hat der Film noch mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Denn wo sich Teil 1 viel Zeit mit der Etablierung der Regeln nahm und das merkwürdige Verhältnis zwischen lebloser Puppe und Kindermädchen beleuchtete, werden diese Punkte hier nur am Rande behandelt. Es fällt für Neulinge schwerer, in die Situation hereinzufinden. So muss sich „Brahms“ den Vorwurf gefallen lassen, für Kenner des Vorgängers zu viel Altes wiederholt durchzukauen und für Neulinge eine zu rasche Einführung in die Umgangsweise mit der Puppe zu haben.

Egal für welche Art von Zuschauer bleibt der Kritikpunkt, dass auch die psychologische Prämisse – Puppe hat für traumatisierten Jungen therapeutische Funktion, ehe es in Wahn umkippt – nur oberfächlich abgegrast wird. Und doch sind das alles fast nur Kleinigkeiten im Vergleich zu dem, was uns „Brahms“ im Finale beschert. Nun, es gibt Wendungen in der Filmgeschichte, die nicht ganz so effektiv sind und mit Ungereimtheiten zu kämpfen haben. Dann gibt es Wendungen, die eine schlechte Auswirkung auf den ganzen Film haben. Und dann gibt es Worst-Case-Wendungen, die nicht nur den Film, sondern alle vorhergehenden Teile nach unten ziehen. „Brahms“ ist genau solch ein Worst-Case-Fall, stellt sich am Ende noch einmal ganz anders auf und negiert damit einen großen Teil der reizvollen Aspekte des Vorgängers. Was besonders schockierend und gruselig sein soll, verpufft als billiger Geisterbahneffekt. Eine narrative Nullnummer, die die eventuell vorhandene Lust auf einen dritten Teil mit einem Schockeffekt auslöscht. Das ist wahrlich Horror, wenngleich so sicher nicht gewollt.

Für Genre-Fans lohnt es sich dennoch, reinzuschauen – und das soll bei den großen Fails, die die Macher sich hier leisten, was heißen. Denn inszeniert ist das Ganze wieder super, die Atmosphäre stimmt, die Darsteller sind topp, einige Momente funktionieren für sich wunderbar, Langeweile kommt nie auf. Aber ob diese Liste an positiven Aspekten jetzt bedeutet, dass „Brahms: The Boy 2“ trotz seiner Fehler etwas für euch ist oder eher dazu führt, dass die leider nicht gerade kleinen Probleme des Sequels umso ärgerlicher sind, bleibt euch überlassen.

Irgendwas ist komisch mit dieser Puppe…

© Capelight

Eine eindeutige Empfehlung, zu welcher Veröffentlichung ihr am besten greifen solltet, ist ebenfalls kaum möglich. Denn auf Blu-ray und DVD liegt der Film ausschließlich im Director’s Cut vor. Der zeichnet sich durch viele kleine Mikroänderungen aus, die kaum bis gar nicht auffallen. Mit einigen Ausnahmen: Wo das Verhalten der Puppe in der Kinofassung schon früh überraschend übersinnlich wirkt – der Kopf dreht sich sichtbar, im Finale gibt es einen krassen visuellen Schockmoment – fährt der Director’s Cut an diesen Stellen wieder mehr einen geerdeteren Weg. Tatsächlich wirkt der Film so eine lange Zeit lang etwas weniger offensiv, der Grusel entfaltet sich unterschwelliger. Das dürfte für viele ein Grund sein, eher zu dieser Fassung zu greifen. Doch wie sooft macht es uns das Leben nicht leicht, denn es gibt ja noch die 4K UHK:  Bild- und Tonqualität der 4K Disc sind sensationell gelungen. Schon eine der ersten Einstellungen, ein Kameraflug über die nächtliche Großstadt, wirkt mit den vielen hellen Spitzlichtern fantastisch. Erneut darf man seinen TV mit schönsten HDR-Aufnahmen beglücken. Und selbst in den dunkelsten Gruselmomenten ist alles erkennbar, stets wird eine erstaunliche Tiefenwirkung erreicht. So macht es Spaß, einen Horrorfilm im abgedunkelten Heimkino zu schauen. Jetzt aber das Aber: Auf 4K UHD erscheint lediglich die Kinofassung. Und so heißt die Entscheidung: Entweder den Director’s Cut oder die bestmögliche Bild- und Tonqualität. Oder aber zur Limited Collector’s Edition greifen, denn da sind im Mediabook einfach beide Discs enthalten.

„Brahms: The Boy 2“ – seit 25. Juni 2020 erhältlich auf 4K UHD, Blu-ray und DVD sowie als Limited Collector’s Edition im Mediabook.

Für welche Version ihr euch auch entscheidet: Kaufen könnt ihr sie im Capelight Shop.

An dieser Stelle sei einfach mal eine alte klassische Gruselfrage erlaubt: Was ist euer Lieblingshorrorfilm? Gehört „The Boy“ dazu? Freut ihr euch schon auf neue Horrorfilme wie „Body Cam“? Und meint ihr, die Kinder im geplanten „Dorf der Verdammten“-Remake werden genauso gruselig wie die im Original? Verratet es uns und diskutiert mit uns über all das und noch viel mehr im Forum.

Und damit habe ich zumindest ein Drittel meines Versprechens im Heimkino Check der vergangenen Woche erfüllt. Und zumindest um den blauen Igel werde ich mich wirklich noch kümmern. Freut euch auf den Heimkino Check am nächsten Sonntag.

 

 

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