BG Kritik: „Rush – Alles für den Sieg“
Rush – Alles für den Sieg
(Originaltitel: Rush | USA, UK, Deutschland 2013)
Regie: Ron Howard
Darsteller: Chris Hemsworth, Daniel Brühl, Olivia Wilde, Alexandra Maria Lara u.a.
Kinostart Deutschland: 03. Oktober 2013
Story:
Die wahre Geschichte der Formel 1 Rivalen James Hunt und Niki Lauda in den 1970er Jahren. Angefangen in der Formel 3 geraten beide Rennfahrer mit unterschiedlichen Lebensauffassungen und demselben unstillbaren Willen zum Sieg immer wieder aneinander, bis Lauda einen schweren Unfall erleidet.
(Diese Kritik erschien ursprünglich zum Kinostart September/Oktober 2013.)
Ron Howard ist ein erfolgreicher Regisseur. Der Filmemacher hinter „Apollo 13“, „A Beautiful Mind“ und „The Da Vinci Code“ hat Oscars gewonnen und regelmäßigen Erfolg beim Publikum. In gewisser Weise gehört Ron Howard zu den erfolgreichsten Handwerkern Hollywoods. Ein Regisseur, der nicht selbst schreibt, der mit Genres variiert, ohne wirkliches übergreifendes Thema, ohne dominanten eigenen Stil. Ron Howard liefert in der Regel gefahrlos-solide Werke ab, die ihren Zweck erfüllen und vielleicht deswegen einen großen Publikumszuspruch erreichen. „Rush“ aber wirkt zwischenzeitlich wie Ron Howards stilistisch experimentellster und auffälligster Film, wie ein bewusster Versuch, als Regisseur, als Mann hinter dem Vorhang, hervorzutreten. Gleichzeitig rutscht der Film regelmäßig in Mittelklasse-Drama Terrain ab, wenn Howard in seinen so gefahr- wie farblosen Stil zurückfällt. „Rush“ ist ein ganz und gar zwiegespaltener Film. Springend zwischen zwei Extremen, so wie Hunt und Lauda auf und neben der Strecke.
Die Formel 1 ist ein ungewöhnliches Thema für einen amerikanischen Film. Das rennbegeisterte Land hat mehr Interesse an Nascar und braucht in „Rush“ gar nicht erst nach einer amerikanischen Hauptfigur Ausschau halten. Es ist ein Film, der Motorsportfans wahrscheinlich mit der Zunge schnalzen lässt, der aber anhand des Rennsports eine emotional und charakterlich spannende Geschichte erzählen will. Diese Geschichte der Rivalität zwischen dem Briten James Hunt und dem Österreicher Niki Lauda hat genügend Konfliktpotential und Drama für drei Filme. Das wäre vielleicht auch besser gewesen, denn trotz historisch ziemlich authentischer Ausstattung und Handlung schleppt der Film die übliche Biographie-Film Krankheit mit sich. Ein zu großer Zeitraum mit zu vielen Details, als dass sie in zwei Stunden wirklich ausreichend behandelt werden können.
In der Formel 3 treffen Lauda und Hunt erstmals aufeinander. Zwei Rennfahrer, wie sie unterschiedlicher nicht sein können, die dennoch einiges gemeinsam haben. Die von Neid, Hass und Missgunst geprägte Rivalität wird nicht immer subtil behandelt. Unsauberes Fahrverhalten, arrogantes Gehabe nach dem Rennen, sogar die Ausdauer im Bett wird schon früh als Konfliktpunkt zwischen den beiden etabliert. Wellensittich-Liebhaber Hunt ist ein Playboy, ein spontaner Heißsporn, der das unbeschwerte Freiheitsgefühl der Swinging 60s auslebt. Er kann nichts, sagt er selbst, außer Rennen zu fahren. Und da er reiche Freunde hat, bahnt er sich seinen Weg in die Formel 1. James Hunt lebt Rennen, Niki Lauda kennt Rennen. Lauda hat ein unglaubliches Verständnis von Mechanik und Feinabstimmung, ist ein akribischer Arbeiter, versucht sich und das Auto immer weiter zu verbessern. Er ist aber auch ein Spießer, ein Langweiler, der sich selbst nicht gönnt, mal einfach zu leben. Die Möglichkeit eines Unfalls wägt er in Prozent ab und wenn es ihm nutzt, nimmt er es mit den Regeln auch mal besonders genau – oder eben nicht so genau. Von der Zeit in der Formel 3 bis zur folgenschweren Formel 1 Saison 1976 sind wir bei Hunt und Lauda hautnah dabei.
Die Stärken des Films liegen auf der Piste. Kameramann Anthony Dod Mantle filmte zuvor „Slumdog Millionär“ und einige Filme Lars von Triers. Mit einem unglaublichen visuellen Talent gesegnet, lässt sich Dod Mantle bei den womöglich zu zahlreichen, aber fraglos atemberaubenden Rennszenen ausgiebig gehen. Obwohl wir fast immer nur Schnipsel und nie ein Gefühl für das Rennen als Ganzes bekommen, fegt uns der visuelle Sturm glatt um. Per Nahaufnahmen am Kolben, der bebende Heckflügel des Boliden, der röhrende Auspuff, oder knapp über der Grasnarbe, wenn die Renner lautstark vorbeirasen. Dod Mantle und Howard, unterstützt vom energetischen Schnitt, nutzen Perspektive, Abspielgeschwindigkeit und Farben, um die Höllenfahrten der Formel 1 lebendig zu machen. In einer Zeit, als Sicherheitsvorkehrungen im Rennsport noch wenig Platz hatten, als Reporter direkt am Fahrbahnrand stehen konnten, um Fotos zu machen, geht von der maschinellen Gewalt der Renner eine ungeheure Kraft aus. Kamera, Schnitt, das brachiale Tondesign und Hans Zimmers Musik sorgen für mehrere starke Rennsportmomente. Doch Howard erweitert den visuellen Stil auch auf Momente abseits der Strecke. Laudas brutale Kampf-Reha nach dem Unfall, Hunts Partyleben, Hochzeiten, Flitterwochen – Stilisierung wann immer es passt. Und wenn es nicht passt. Das lässt die übrigen Handlungsszenen plötzlich aber auch noch deutlicher wie Howard’scher Einheitsbrei aussehen.
„Thor“ Darsteller Chris Hemsworth und der Deutsche Daniel Brühl sind hervorragend in ihren Rollen. Während Hemsworth ideal besetzt scheint und sich ansonsten glaubwürdig der Rolle widmet, hat Brühl mehr zu tun. Eine inkonsequente Erzähler-Rahmung macht aus Lauda praktisch die Hauptfigur und die charakterlich schwierigere Figur noch dazu. Brühl kämpft mit überwiegend glaubwürdigem Dialekt und engagiertem Spiel gegen die Banalisierung und Karikierung des akribischen, humorlosen Deutschen, äh, Österreichers. Das Script ist eigentlich gut darin, beiden Fahrern Tugenden und Fehler zu verpassen, bringt den andauernden Dualismus der Männer gut, wenn auch überdeutlich auf den Punkt. Das führt aber auch dazu, dass Hunt und Lauda mal Held, mal Depp sind, mit unsubtilen Klischees und überdramatisierten Momenten zugeschmissen werden. Brühl und Hemsworth halten das nicht immer ausgewogene Script auf der Strecke, da sie ihre Figuren verinnerlicht haben und auch die manchmal arg platten Dialoge abfedern können. Für die Nebenfiguren, u.a. Alexandra Maria Lara und Olivia Wilde als jeweilige Ehefrauen der Fahrer, geht das nicht immer so gut aus.
Fazit:
Blendend inszenierter, mitreißender Rennsportfilm, dessen audiovisuelle Techniken einige herausragende Momente produzieren. Die Hunt/Lauda Rivalität ist spannend, angenehm vieldeutig und gut gespielt, auch wenn der Film abseits der Strecke regelmäßig an Qualität einbüßt.
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