BG Kritik: „Krieg der Götter“ – „Immortals“

2. Januar 2020, Christian Westhus

Regisseur Tarsem Singh begibt sich in die Welt der griechischen Mythologie. König Hyperion (Mickey Rourke) will die Götter des Olymps stürzen, indem er die seit Äonen im Berg Tartaros eingesperrten Titanen befreit. Dafür benötigt der finstere Hyperion einen magischen Bogen, die ultimativen Waffe, um den schwer bewachten Berg einzunehmen. Hyperions Armee überschwemmt das Hellenenreich und zwischen den Soldaten und Flüchtigen sticht bald der junge Theseus (Cavill) heraus.

Krieg der Götter
(Originaltitel: Immortals | USA, Kanada, UK 2011)
Regie: Tarsem Singh
Darsteller: Henry Cavill, Freida Pinto, Mickey Rourke u.a.
Deutscher Kinostart: 11. November 2011

(Diese Kritik erschien ursprünglich zum allgemeinen Kinostart im November 2011.)

Seit den seligen Zeiten von Ray Harryhausen waren die alten Griechen und ihre Mythen nicht mehr so populär. Helden, Götter und Monster tauchen seit ein paar Jahren immer mal wieder auf, beeinflussten „300“, wurden in „Percy Jackson“ mit einer an „Harry Potter“ erinnernden Grundhandlung kombiniert, bis schließlich „Kampf der Titanen“ voll im Saft stehende Mythen-Action sein wollte. Bis auf Zack Synders arisch-kriegsgeilen „300“ waren die bisherigen Ausflüge in die griechische Sagenwelt blitzsauberes Big-Budget-Hollywood-Allerlei, denen etwas Markantes fehlte, um sich im allgemeinen Fantasy-Wahn, der seit „Herr der Ringe“ noch immer anhält, als eigenständige Unterkategorie zu etablieren. Da kommt ein Regisseur wie Tarsem (vollständig Tarsem Singh Dhandwar) wie gerufen. Der Inder ist sicherlich kein großer Geschichtenerzähler, aber er ist ein visueller Zauberer, mit einem unnachahmlichen Stil. Besser noch als in der so eigenartigen wie beeindruckenden Traumwelt-Fantasy-Erzählung seines letzten Films „The Fall“, bietet die Mythologie den idealen Spielraum für Tarsems visuellen Ideenreichtum. Ohne die ganz großen Geschütze aufzufahren mit so etwas wie einem mythologischen Stil-Realismus, drückt er der Sagenwelt seinen Stempel auf. „Krieg der Götter“ ist genau das Austattungs- und Design-Ausrufezeichen, das dem Mythologie-Film gefehlt hat.

© Constantin Film

Sei es der Kerker im Tartaros, in dem die Titanen gefangen sind, ein labyrinthisches Mausoleum oder der Olymp selbst – kein anderer Film, kein anderer Regisseur lässt seinen bizarren Design-Ideen so gekonnt freien Lauf; auch kein Terry Gilliam. Tarsems Ideen – in großer Kooperation mit Kostümdesign-Ikone Eiko Ishioka und Ausstatter Tom Foden – sind hart an der Grenze zu Kitsch, Karneval und Homoerotik. So erstrahlen dann auch die olympischen Götter als freizügige Background-Tänzer mit urigen Helmen und Gold, Gold, Gold. Das kleine Bauerndorf, in dem unser Held Theseus lebt, sinnfrei aber überwältigend schön in den Fels geschlagen, ist ein beeindruckendes Set, das man auch durch das halbwegs gelungen nachkonvertierte 3D mit Genuss erkundet. Auf der Gegenseite stolziert Mickey Rourke als eigenwillig, aber unvergesslich maskierter und behüteter König Hyperion zwischen zerstörten Statuen, gusseisernen Rindern und einer Wasserstelle aus dem letzten Armani Werbeclip herum. Wenn überhaupt erinnert Tarsems (für seine Verhältnisse bodenständiger) Design-Wahn an die 70er Jahre Arbeiten von Alexandro Jodorowsky. Wie der chilenische Avantgarde-Regisseur ist auch Tarsem ein Freund von Ornamenten, Formen, Farben und bisweilen aufdringlicher Symbolik, in einem Mix der Kulturen, Religionen und Epochen. Und im Gegensatz zu Jodorowsky hatte Tarsem hier Geld zur Verfügung, einhergehend aber sicherlich auch mit kreativen Einschränkrungen.

Nur inhaltlich sieht es bei Tarsem kaum gleichwertig faszinierend aus. Bei „Krieg der Götter“ wird aus einem narrativ eher beliebigen Mythologie-Klopper visuelle Pionierarbeit fürs Genre. Es ist die absolut geradlinige, charakterarme Geschichte eines unscheinbaren Helden, der sich als Auserwählter höherer Mächte gegen das übermächtige Böse zur Wehr setzen soll. Ein Schicksalsschlag, eine persönliche Fehde mit dem Schurken, eine Frau an der Seite und ein paar Handlanger anbei – mehr braucht es nicht. Bald-Superman Henry Cavill leiert die mitunter etwas schiefen und albern theatralischen Dialoge nicht wirklich glücklich herunter, während er immerhin körperliche Präsenz zeigt. Freida Pinto hat nicht viel zu tun, die Götter meinen zu lange, sich nicht einmischen zu dürfen, und so ist es lediglich Rourke, der mit brutalem Stoizismus und ans Parodistische grenzender Körpersprache einen passend eindimensionalen Schurken abgibt, dessen eine Motivation für den Sturm auf den Olymp ausreichen muss. Es ist ein rein funktionelles Script – nicht sagenhaft einfältig, lediglich leicht zufrieden zu stellen. Denn es geht um andere Dinge. Eine göttliche Arschbombe ins Meer ist so eine hübsch anzusehende Nichtigkeit, und die Zukunftsseherei des Orakels ist irgendwann so beliebig, dass man sich dem gänzlich entledigt.

© Constantin Film

Interessant ist der Film inhaltlich nur dann, wenn er sich mit Heldenmut und Nachruhm befasst. Unangebracht schnell gefällt sich Theseus in der Rolle der Ein-Mann-Armee, von den Göttern auserwählt und scheinbar der einzige Mutige im Angesicht von Hyperions Heerscharen. Um das Sokrates-Zitat an Anfang und Ende wirklich für voll zu nehmen, muss man schon mindestens ein Auge fest zudrücken, aber mit dem besonders im Finale mehr als offensichtlich thematisierten Diskurs über Ansehen und Ruhm, der das eigene Leben überdauert, der zum Mythos wird, bietet „Immortals“ (Originaltitel) immerhin mehr als der biedere Mythen-Reißer „Kampf der Titanen“. Letztendlich gibt es hier ja auch tatsächlich Titanen, die aber leider nur als grunzendes Prügel-Kollektiv auftreten. Dass unter den Titanen eigentlich auch Kronos und Rhea, die Eltern von Zeus, Hades, Hera und Co., zu finden sind, interessiert in diesem Film niemanden. Die Götter haben selbst ihre kleinen Familiendiskurse und greifen erwartungsgemäß erst spät aktiv in die Handlung ein. Dass die güldenen Recken im wahrsten Sinne im unbesiegbaren God-Mode unterwegs sind, verleitet Tarsem zu nicht unsinnigen Zeitlupe-Spielereien Marke Zack Snyder. Und insbesondere beim Finale mutiert der Film zu einem Schlachtfest der unerwartet brutalen Sorte, wenn computergeneriertes Blut und Gekröse nur so spritzt, bis dem Script urplötzlich einfällt, dass die Götter doch nicht so unbesiegbar sein dürfen. Muss ja spannend bleiben.

Charakterlich passiert da wenig, auch nicht aus der Schicksalsverwandtschaft von Theseus und Hyperion. Was bleibt sind enorm schicke Dekors und ein pompöses Finale, das im ständig auf und ab bebenden Musikschwall kurzweilig fetzig über die Leinwand donnert. Mit Tarsems visuellen Fähigkeiten bekommt der Mythologie-Film im neuen Jahrtausend endlich mal einen ausdrucksstarken Film. Das kann vorerst reichen, denn nicht jeder Film (genauer gesagt: eigentlich gar kein Film) sieht so aus wie dieser. Und das ist als Kompliment zu sehen. Der nächste Schritt: Eine gute Handlung. Das Geschehen hier funktioniert, bleibt aber in allen Belangen unterentwickelt und hat zudem äußerst wenig mit der tatsächlichen Mythologie zu tun hat, ist streng genommen zusammengeklaubter Quatsch mit Soße ist. Das ist für den Filmgenuss an sich kaum von Bedeutung, aber wie hier durch Namen, Orte und Erzählungen gepflügt wird, lässt zumindest Irritation zurück. Und das bei einem Script – welch Ironie – von zwei Griechen.

Fazit:
Inhaltlich eine 0815-Heldengeschichte und auch als Mythologiefilm etwas zu frei. „Krieg der Götter“ funktioniert als einzigartig visualisierter Fantasyfilm mit aufregenden Bildideen und einem immerhin mitreißenden Finale.

7/10

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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