BG Kritik: „Resident Evil – Welcome to Raccoon City“

2. Dezember 2021, Christian Mester

Besser als beim ersten Mal? „Welcome to Raccoon City“ ist kein siebter Film zu den bisherigen, sondern eine neue Interpretation und damit der zweite Anlauf, die Resident Evil Spiele zu verfilmen. Dieses Mal also ohne Milla Jovovich und ohne Zeitlupen-Actionszenen.

Regie: Johannes Roberts
Besetzung: Kaya Scodelario, Hannah John-Kamen

Die Filme mit Jovovich waren zwar finanziell alle ausgesprochen erfolgreich, doch wer die Spiele kennt, durfte jahrelang mit dem Kopf schütteln. Paul WS Anderson (Regie 1,4,5,6, Drehbuch 1-6) bezeichnete sich selbst zwar als Fan der Reihe, doch schon bei seinem ersten Film war abzusehen, dass er nie wirklich vorhatte, die Spiele so umzusetzen, wie es sich Gamefans gewünscht hätten.

© Sony Pictures Releasing – Trailerscreenshot https://youtu.be/4q6UGCyHZCI

Yep, man muss es genau so formulieren und nicht „wie die Spiele tatsächlich sind“, denn da wird’s recht schnell recht haarig. Das erste Resident Evil Spiel erschien 1996 und wurde schnell zum berühmtesten Horrorgame überhaupt, mit gruseliger Atmosphäre, bluttriefenden Zombies und markerschütternden Schockmomenten. Wenn wir aber mal ehrlich sind, war es auch gleichzeitig ein Titel mit spielerisch amüsanten, aber realistisch betrachtet völlig unsinnigen Rätseln, grauenhafter Steuerung und Inventarhandhabe, mit stumpfesten Dialogen und einer nicht gerade gelungen erzählten Geschichte, die mit einem amateurhaft trashigem B-Horrorfilmintro beginnt und noch vor der Michael Bay Ära mit einem bayschen Raketenwerferklischee endet. Das macht es folglich eigentlich schwierig, wenn Fans fordern, das möglichst authentisch in einen Film zu verpacken, der denkwürdig bleiben kann.

Was Fans hingegen meinen, ist das Feeling, das sie mit dem ersten Durchlauf verbinden. Zwar gabs vor Resident Evil schon andere Horrorgames wie die Castlevania Spiele oder Alone in the Dark, aber Resident Evil sah als erster Konsolentitel gut genug aus um echte Atmosphäre aufzubauen. Dadurch auch, dass man erst nach und nach verschiedene Räume in der Spencer Mansion betreten konnte, wirkte das ganze wie eine Art Adventskalender, mit immer neuen Rätsel- oder Horrorelementen hinter jedem Türchen.

Kurzum, konnte Johannes Roberts, der mit dem Haifilm „47 Meters Down“ 1+2 zwei passable Genrestreifen abliefern konnte („The Shallows“ BG Kritik ist etwa weit besser), Resident Evil derart umsetzen? Ja und nein.

Grob gesagt schmunzelt man zunächst immer wieder, wenn man sieht, mit welcher Liebe zum Detail vieles aus den ersten beiden Spielen nachgebaut und nachgestellt wurde. Viele Locations sehen vertraut aus, und auch ganze Momente haben Wiedererkennungswert. Allerdings merkt man dann zähneknirschend recht schnell, dass Welcome to Raccoon City trotz dieser löblichen Ansätze nicht das ist, was man sich erhoffen konnte. Das hat drei Gründe:

Zum einen übernimmt man sich hier mit dem Versuch, die Handlungen der ersten beiden Spiele (mit je über 10 Stunden Spielzeit) in einen Film zu stopfen. Der Effekt? Eine sehr zerschnitten wirkende Handlung, die schnell von Punkt zu Punkt hechtet, um möglichst viel drin zu haben, ohne aber je Platz für Spannung oder natürliche Entwicklungen zu belassen.  Die anderen beiden Mäkel kann man eigentlich zusammenfassen, denn auf der einen Seite ist die Schauspielriege mittelprächtig und vom typischen Schlag Aussehen über Talent gewählt, zum anderen ist die Regie ebenso unbesonders. Der Film wirkt immer dann am besten, wenn Elemente 1-1 aus den Spielen übernommen werden, aber die selbst geschaffenen Sequenzen funktionieren ebenso wenig wie der Gulaschtopf von allem zusammen.

Dass das Studio wenig Interesse an einer guten Umsetzung hatte, zeigt sich auch an den Sparmaßnahmen. Im Gegensatz zu den Anderson Filmen sieht dieser immer wieder billig aus, und wenn man bedenkt, dass der erste der alten Filme schon 21 Jahre her ist, ist die Qualität der Computereffekte im neuen eine kleine Schande. Zu guter letzt weiß der Film auch oft nicht, welchen Ton er fahren soll. Viel zu oft nimmt er sich einer Ernsthaftigkeit an, die Regie, Darsteller, Effekte und Sets nicht unterstützen können, dann gibt es auch immer wieder Versuche, die Spannung aufzulockern. Dabei traute man sich aber auch nicht, wie etwa Millas letzter „Monster Hunter“, B-Blödsinn mit einem Augenzwinkern zu tragen.

Fazit:

Anders ist leider nicht immer besser. Für alle Nostalgie- und Authentizitätspunkte springt „Welcome to Raccoon City“ leider nicht spektakulär durch Fenster, sondern landet auch immer mal wieder an der Hauswand. Dass das Studio nicht sonderlich viel ausgeben wollte, merkt man an allen Ecken und Enden, und so bleibt ein billiger Nachtrag, der eine Menge grüne Herbs bräuchte, um so gut wie beispielsweise der erste „Silent Hill“ Film zu sein.

4/10

254 Kommentare

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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