BG Kritik: „Rambo 5 – Last Blood“ (Mester)

20. September 2019, Christian Mester

Als Rambo 4 erschien, war Rambo als Franchise und Stallone selbst schon so alt geworden, dass es als ständiger Witz herhalten musste, nicht geglaubt werden konnte. Beachtlich trotzte er aber aller Kritik und servierte schulterzuckend den blutigsten Actionfilm seiner Dekade, mit einem Wumms, der Slys Alter völlig gleichgültig erschienen ließ. Kein Film für jeden, aber es gab genug, die genau das mochten. Und jetzt sind wieder 10 Jahre vergangen und plötzlich läuft wieder ein neuer Rambo in den Kinos an – kein Remake, ein echter fünfter Teil. Wieder mit Stallone, dieses Mal 73 Jahre alt. Würde es dieses Mal der Witz werden, den alle erwartet hatten?

Beruhigenderweise nicht, denn Stallones John Rambo kann als Figur erneut einen respektablen Auftritt hinlegen – wenn auch in einem merklich schwächelnderen Film als je zuvor. Jep, Rambo 5 ist der Rocky 5 seiner Art geworden. Was das heißt? Es ist ein nettes Wiedersehen mit einer ikonischen Kultfigur, die man so durchaus feiern kann, die man sich so aber auch hätte sparen können. Rocky 5 war kein wichtiger Rocky, und Last Blood ist kein wichtiger Rambo.

© Balboa Productions

Erstmal sei ja bestimmt gefragt, ob der neue Film die allgemeinen Erwartungen erfüllt. Kommt drauf an. Von der Action von 4 ausgehend? Also, wer sehen will, wie ein ergrauter Stallone mit Dackelblick einige Zeit vor sich hernuschelt, bevor er dann halb so alte Recken rücksichtlos mit allerlei Waffenarsenal zerlegt – natürlich, das gibt’s. Und genau wie bei 4 wieder äußerst blutig. Zwar gibt es hier keinen einzelnen Moment, der so denkwürdig in Erinnerung bleiben mag wie Rambos Einsatz des Stand-MGs, aber spätestens die „Kevin allein zuhaus“ Neuinterpretation (Home Stallone!) und die allerletzte Aktion dürfte für schmeckendes Popcorn sorgen – wenn es denn schon reicht, simplifiziert böse Leute zermalmt zu sehen. Und das auch nur, wenn man geduldig ist, denn in den 90 Minuten Laufzeit geht’s eigentlich erst im letzten Drittel los. Bis dahin ist es seichtestes Thrillerdrama, das die ernsten Unterhaltungen aus 4 wie Apocalypse Now aussehen lässt.

Erwartungen…. von 2+3 ausgehend? Rambo 2 wurde von Sly und James Cameron geschrieben, Rambo 3 war 1988 der teuerste Film überhaupt. Bei 2 und 3 war demnach bay-sches, infernales Spektakel angesagt, also wurde mit Hubschraubern gekämpft, mit Panzern gefahren und ganze Landstriche in Flammen gesetzt. Krieg als Actionfilm, der die Surroundanlage ausreizt. 4 reduzierte das Ausmaß ja schon mal deutlich, wenn auch recht geschickt kaschiert, doch 5 wirkt nun noch kleiner. Nicht schlimm, müsste man sagen, immerhin haben 47 Hours alias Taken 1, No Country for Old Men und Sicario auch nur so wenig Budget zur Verfügung gehabt. Alles super, hochwertig aussehende Filme, allerdings nur, weil jemand mit Geld umgehen konnte. Hier konnte man es offensichtlich nicht, denn immer wieder schaut Rambo 5 aus wie ein typische DVD-Produktion. Autofahrten passieren amateurhaft vor einer Leinwand, Wassersturz-, Explosionen- und Feuereffekte sind von 2003er Rechnern gerendert, einige Bluteffekte sehen arg künstlich aus, und das ganze Finale passiert in einem überall gleich aussehenden Tunnelsystem, das auch aus dem kommenden Doom DVD-Film stammen könnte. Klar hat keiner vermutet, dass Rambo 5 die Blockbusterepik eines Hobbs & Shaw annehmen würde, doch die Einsparungen schmerzen. Kaum zu glauben, dass Sly den Film so als fertig durchwinken konnte.

Dabei hätte man ein höheres Budget an sich nichtmal groß gebraucht, denn ein fähigerer Regisseur hätte den Film fraglos als modernen Western aufziehen können, mit seiner spärlichen Gegend und kleineren Konflikten, die aber in großen Bildern eingefangen wird – als wenn man Sly nicht wie Clint Eastwood in Erbarmungslos inszenieren könnte. Den Auteurenversuch gibt es hier gar nicht, stattdessen schienen alle Messer drauf geschliffen worden sein, besser einen ähnlichen Film wie Rambo 4 zu liefern. Das klappt mit stark zugedrücktem Augen, hält einem Vergleich mit dem anvisierten Vorgänger aber nicht stand. Der Neuling Adam Grünberg kann Regisseur Stallone schlichtweg nicht das Wasser reichen, und lässt ihn damit schlechter aussehen, als er es verdient gehabt hätte.

© Balboa Productions

Erwartungen… von 1 ausgehend? Schade ist, dass Sly dieses Mal nicht mehr den Mut hatte, den Sprengbogen zum ersten Teil zu spannen. Das Ende von 4 hat das vage andeutend wesentlich eleganter geschafft, doch mit 5 hätte er sich dem noch stärker widmen können: Rambos Selbstwahrnehmung, seine Perspektive des Krieges und Gewalt, die ihn immer wieder heimsucht, hätten Kern des Films sein können. Daran hat der Film leider null Interesse – die Zweifel und Traumata die er hat, bedient er stumpf mit Pillen. Auch gibt es generell nichts zu erzählen oder auszusagen. Ein paar unbesondere Menschenhändler entführen Rambos Ziehtochter, weil sie aus eigener Dummheit in einer schlechten Gegend Mexikos herumläuft, und dann zieht er los, sie da wieder heraus zu holen (ein Schema wiederholt sich? Schon in 4 zog Rambo los, um eine naive Frau zu retten). Hier ist es ein bisschen ernüchternd, dass Sly wirklich nichts Originelles eingefallen ist, weder beim Hauptbösewicht, noch beim Casting, noch sonstwo.

Nachdem Kartelle in den letzten Jahren mehrfach interessant gezeigt wurden, etwa in Narcos, Sicario oder auch Breaking Bad, ist es in Rambo 5 nicht einmal ein wirkliches Kartell: es ist ein Möchtegern Brüderpaar, das eine handvoll Handlanger hat und bloß Ambitionen hat, sich einem Kartell anzuschließen. Wer meint, dass sich Rambo hier mit echten Spezialisten anlegt, die taktisch besser ausgerüstet sind als örtliche Sonderkommandos, irrt gewaltig. Das sind alles nichtssagende Tölpel, die achtlos in jede erdenkliche Falle latschen. Der Werbespruch, dass sich Rambo dieses Mal mit dem schlimmsten (!) aller Kartelle anlegt? Das ist ein tatsächlicher Witz, wie der Anführer dieser Jungs, der völlig fehlgecastet ist.

Wird es, sollte es der letzte Film der Reihe sein? Das letzte Bild des Films deutet es an, vor allem mit dem marvelhaften Abspann, der nochmal ehrend alle fünf Teile zeigt, aber dann folgt noch eine Szene, die fast triumphierend Ja schreien will. Ein Spoiler? Nein, denn in welche Richtung mag es damit gehen? Ist der nächste Schritt ein Rambo Prequel? Gibt Rambo den Bogen etwa ab, wo doch er und seine Ziehtochter auffällig auf gleiche Weise mit einem V wie Rambo V gebrandmarkt werden? Spielt Trautman überraschend eine Rolle? Spoilt der Titel Last Blood, dass Rambo sein letztes Blut gibt, um sie und den Franchise zu retten? Oder lässt Rambo die Gewalt jetzt doch final mal gut sein, weil genug Blood vergossen worden ist? Ein Rambo, der es selbst sein lässt und die Behörden ruft, wäre doch beinahe ein Twistende.,, wäre es das? Vielleicht entlarvt sich der gejagte Kartellaspirant ja auch als verdeckter Ermittler? Rambo 5 hat eigentlich eher wenige Überraschungen, kaum eine größer als die, dass es überhaupt ein fünfter Rambo Film ins Kino geschafft hat, 40 Jahre nach Teil 1. Er stellt aber eine Fragen, darunter auch, wieso Sly bei aller Würde seiner gesamten Karriere so einen unfertigen, vermutlich zu schnell abgesegneten Film veröffentlichen lässt.

Fazit:
Gut möglich, dass Stallone Rambo 5 eher aus einem Gefallen für Producerkumpel und Studioboss Avi Lerner gemacht hat, anstatt aus echtem eigenen Interesse. Es wirkt auf jeden Fall an vielen Stellen des Films so, als reiche es doch. Es ist doch Action drin, Sly ist drin, es gibt eine ausreichende Handlung als Rahmen – das muss doch genügen? Wieso mehr Zeit, Aufwand, Mühe und Geld investieren? Ja, wenn man echt geringe Erwartungen hat, aber dann hätte man den Film auch anders nennen können. Dass Slys Shootout: Keine Gnade nicht sonderlich wichtig geworden ist, spielt keine Rolle, weil sich da niemand mehr dran erinnert. Rambo wird aber eine fortbestehende Reihe bleiben, wie Rocky, und fortan wird es leider wohl heißen, dass 5 der schwächste war. Nichts im Film liefert ein Argument dagegen. Eine totale Enttäuschung? Keineswegs, Rambo kann seinen Sprengbogen noch immer heben und mit seinen dicken Armen ziehen, doch trifft er jetzt eher die Scheune hinter dem Ziel. Nicht weil ers nicht mehr anders kann, sondern weil ihm falsch zugerufen wird. Das hätte ein derartiger Veteran wie Sly hören müssen.

4/10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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