BG Kritik: „Mandy“

7. Januar 2019, Christian Mester

Als eine merkwürdige Sekte seine zurück gezogen lebende Freundin entführt, schnappt sich Holzfäller Red (Nicolas Cage) seine handliche Kettensäge und macht sich grimmend auf, sie zu befreien. Nicht einmal eine Bikergang aus der Hölle soll ihn aufhalten können…

Mandy
Originaltitel: Mandy
Regisseur: Panos Cosmatos
Cast: Nicolas Cage, Andrea Riseborough

© RLJE Films

Hm, eine entführte Frau, eine Sekte, die Hölle, Nicolas Cage. Kommt einem irgendwie bekannt vor, denn Ähnliches gab es ja bereits in Drive Angry: Fahr zur Hölle zu sehen. Oder auch nicht, denn obwohl Mandy und Drive Angry inhaltlich glasklar Parallelen aufweisen, könnten sie inszenatorisch nicht unterschiedlicher sein. Tatsächlich unterscheiden die beiden sich so sehr, dass man vermutlich nur einen von beiden mögen kann. Drive Angry war ein gewöhnlich aussehender, rasanter Actioner mit einem gefassten Cage mit Sonnenbrille, der seine Gegner in immer wieder vercoolten Shots zur Hölle schickte. Mandy hat nichts dergleichen.

Die größte erkenntliche Differenz liegt direkt im Tempo, denn Mandy nimmt sich alle Zeit der Welt und verläuft im Schneckentempo. Zeitlupen und lange, ausgedehnte Beobachtungen zwingen zum geduldigen Abwarten. Visuell sehen wir gar eins der auffälligsten Werke des Jahres, denn Panos Cosmatos, Sohn von George P. Cosmatos, der Rambo 2 gedreht hat, schafft einen überwältigenden Farbenrausch. Wie schon bei seinem Erstling, dem ebenso farbenprächtigen wie konfusen Beyond the Black Rainbow, interessiert sich Cosmatos jr. weit weniger für Handlung und Charaktere als für Stimmung, und die wird fachmännisch fett aufgekleistert, vor allem mit rotem Farbfilter, die Mandy oftmals wie ein verträumtes Metal-Musikvideo aussehen lassen. Die Waldgegend, in der der Film spielt, wird ständig in starke Farben getunkt. Zusammen mit den langsamen Bilderwelten und einem mächtigen, eindringlichen Synthi-Score pinselt Mandy unheilvollste Atmosphäre auf.

Dementsprechend lässt sich bezüglich der Narrative eher weniger erwarten. Die Sektenheinos bleiben blass und banal, und Andrea Riseborough aus Oblivion als Cages Freundin, die titelgebende Mandy, sieht den ganzen Film aus über krankhaft bleich aus und bleibt in einer nie groß erklärten Schwermut. Und dann ist da noch Nicolas Cage, der plötzlich mal wieder auffällt. Nur mal kurz zurückgespult: seit 2014 hat Cage insgesamt 19 Filme (!) gedreht. Nur ein einziger davon lief im Kino, Snowden, und da hatte er nur eine kleine Nebenrolle als Schreibtischtyp. Fast alle der letzten 19 Filme waren DVD-Schrott. Schnell gemachte, billig gemachte Filme. Dass ein Format von Cages Größe so viel Zeit mit so viel Schrott verschwendet, macht traurig und lässt mit dem Kopf schütteln. Aber. Nachdem der kürzlich erschienende Mom and Dad schon gar nicht mal schlecht war, ist Mandy eine glorreiche Rückkehr. Was Cage hier bietet, ist grandios und teils auf Oscar-Niveau. Zwar spricht sein Holzfäller nicht sonderlich viel, aber was er da emotional raushaut, ist umwerfend und erinnert immer wieder an Apocalypse Now. Highlight dürfte eine Szene in einem Badezimmer sein, in der Cage im Schlüpfer völlig ausrastet. Eine Szene, die für viele andere Schauspieler schlicht peinlich und erniedrigend sein könnte, doch Cage packt so ein breit gefächertes Repertoir an Emotionen und Intensitäten aus, dass man schlicht und einfach gebannt ist.

© RLJE Films

Zugegeben, die Actionszenen des Films – wenn man sie bei dem schnarchlangsamen Tempo überhaupt so nennen darf – sind von der Choreografie und Originalität her keine großen Reißer, doch es macht immens was aus, einen blutüberströmten Nicolas Cage zu sehen, der wie einst Dennis Hopper in The Texas Chainsaw Massacre 2 grinsend in ein Kettensägenduell gegen einen Verrückten einsteigt – und es mit der Ernsthaftigkeit spielt, als stecke er in einem Oscar-Drama. Auch darf er sich blutrünstig um eine Mad Max artige Gimp-Bikergang kümmern. Wohlbemerkt, das ist ein 54jähriger Nicolas Cage. Leaving Las Vegas, Adaptation, Vermächtnis der Tempelritter Cage. So stimmungsvoll die Bild- und Tongewalt sein mögen, bleibt der Effekt allerdings den ganzen Film über recht ähnlich, wandelt sich nicht und steigert sich auch in kein wirkliches Crescendo. Das heißt fraglos – auf Dauer wird’s ein bisschen anstrengend, und sofern man sich keine Drogen eingeworfen hat und bereits transzendental zwischen den Farbsphären des Films herumfliegt, kann Mandys immerkirschrote Bildmacht ein bisschen ermüden. Dafür, dass der Film Mandy und nicht Red heißt (und er sollte unbedingt Red heißen, weil der ganze Film red ist, und Red das Rot aus den Leuten rausholt), bleibt besagte Mandy eher langweilig, und wirklich markanter wäre alles wohl geworden, hätte man Cage einen vergleichbar fähigen und bekannten Darsteller gegenüber gestellt. Dieser macht zwar grausame Sachen, entpuppt sich aber schnell als Waschlappen und kann Cage noch weniger die Stirn bieten als der Antagonist aus Drive Angry, der von Bellas Dad aus den Twilight Filmen gespielt wurde.

Fazit:
Mandy ist ein sehenswerter Farbfilterwahnsinnstrip, der trotz seiner Schwächen zu den originellsten Filmen des Jahres gehört. Von dem Thema und den Gerüchten bezüglich der Derbheit des Films sollte man sich allerdings nicht allzu viel von der Action erwarten.

5 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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