BG Kritik: „Zack Snyder’s Justice League“

20. März 2021, Christian Westhus

Verloren geglaubt, durch Fan-Initiative gerettet und nun als vierstündiges Ereignis zum Streaming geschickt. Zack Snyders Rekonstruktion seiner ursprünglichen Vision für „Justice Leage“. Nach dem Tod von Superman suchen Batman und Wonder Woman nach neuen Gefährten, um eine nahende Bedrohung zu bekämpfen. Der SnyderCut, nun in der BG Filmkritik.

Zack Snyder: Justice League
(Originaltitel: Zack Snyder’s Justice League | USA 2021)
Regie: Zack Snyder
Darsteller: Ben Affleck, Henry Cavill, Gal Gadot, Ray Fisher, Jason Momoa, Ezra Miller, u.a.
Veröffentlichung Deutschland: 18. März 2021 (Sky)

[Diese Kritik geht davon aus, dass man mit der „Justice League“ Kinofassung vertraut ist.]

In seiner Entstehung ist „Zack Snyder’s Justice League“ alias der #SnyderCut ein Unikum der Filmgeschichte. Den Regisseur unter tragischen Umständen verloren, einen neuen Regisseur vorgesetzt bekommen, unfertig liegen gelassen, von Fans reaktiviert, reanimiert, neu arrangiert, als Serie geplant und schließlich als vierstündiges TV-Film Schwergewicht veröffentlicht. Das alleine macht diesen Film schon interessant und auch sehenswert, weshalb sich dieses in seiner Gesamtheit absurd teure – und natürlich nicht so geplante – Doppelfilmprojekt namens „Justice League“ vermutlich doch irgendwie rentieren wird. Doch jetzt, wo der SnyderCut nun wirklich und endgültig das Licht der Welt erblickt hat, sind die x-fach durchgekauten Hintergründe zweitrangig. Der Film will und muss liefern. Und so viel gleich vorweg: „Zack Snyder: Justice League“ ist der „Justice League“ Kinofassung, wie sie von Joss Whedon vollendet wurde, in nahezu allen Bereichen überlegen und eine glasklare Verbesserung. Minimalziel erreicht.

Dieses erste Lob hängtallerdings stark davon ab, wie bzw. wo man die Kinofassung nun einordnet. „Justice League“ war in den Augen dieses Autors 2017 eine mittelschwere Katastrophe, der man die turbulente, schwierige und ungewöhnliche Produktion jederzeit angemerkt hatte. Ein tonal schwammiges, auf irgendwie kläglich anmutende zwei Stunden runtergeschnittenes und ausgehöhltes Gerippe einer vermutlich ohnehin nicht gerade gigantischen Ursprungsvision. Der letzte Aspekt ist eine Mutmaßung, deren Aufklärung wir durch den SnyderCut nun etwas näher kommen. Doch dieser Film lag eben nicht abgedreht, effekttechnisch fertig und vollständig geschnitten seit 3+ Jahren irgendwo herum, sondern wurde ganz frisch fertiggestellt. Zumindest in der Theorie könnte daher jede inszenatorische Entscheidung Snyders auch eine Reaktion auf die Kinofassung und auf den öffentlichen Umgang mit eben dieser sein. Für den Zuschauer ist es so unmöglich wie unnötig, diese Details zu kategorisieren. Sie müssen funktionieren, schlicht und ergreifend.

© Warner Bros.

Dabei ist es interessant, welche Elemente und Szenen aus der Kinofassung erhalten blieben, also – so die Annahme und öffentliche Darstellung – Zack Snyders Vision entsprechen. Darunter fällt zum Beispiel der viel gescholtene und im „Aquaman“ Solofilm flugs gestrichene Aqua-Talk, der Unterwasser nur mit umständlich generiertem Trockenraum funktioniert. Auch hat überraschend viel Humor bei der Übertragung überlebt. Also relativ gesehen für einen recht humorresistenten Regisseur wie Snyder. Aber mit Performern wie Ezra Miller und Jason Momoa sind gewisse Dinge eben vorprogrammiert bzw. unumgänglich. So darf Barry Allen alias Flash in seiner ersten Begegnung mit Bruce Wayne auch hier wunderbar amüsanten Stuss von sich geben. Momoas Aquaman alias Arthur Curry gibt weniger dusselige „Oh yeah“ Phrasen von sich, dafür mehr ironisch-spöttische One Liner. Im Angesicht von rund 240 Minuten Laufzeit ist die Gags-pro-Minute Quote zwar verschwindend gering, doch nicht selten wurde der Humor als zentrales Unterscheidungsmerkmal zwischen Marvel und DC, aber auch zwischen Snyder und Joss Whedon herangezogen. Beruhigend daher, dass es ganz so simpel und eindeutig dann doch nicht ist.

Insgesamt ist Snyders „Justice League“ dennoch fraglos ein toternster und von der eigenen Bedeutsamkeit angetriebener Film. Das wird auch diesem Film ein stückweit zum Verhängnis. Es mag die dualistische und ideologische Intensität aus „Batman v Superman: Dawn of Justice“ (2016) fehlen, doch die Tendenz ist eindeutig. Die Kinofassung versuchte ihr „Bestes“, um flott-unterhaltsames Superhelden Fast-Food zu machen; die Kernabsichten der ursprünglichen Idee konnten nicht versteckt werden. Es ist nämlich ebenso erstaunlich, wie ähnlich sich beide Fassungen in groben Zügen sind. Durch die verdoppelte Laufzeit entstehen ganz naturgemäß Veränderungen und die gesamte Wirkung dieses neuen Cuts ist grundlegend anders, aber die Verwandtschaft der Handlungsstruktur ist unbestreitbar. Der SnyderCut stellt die Vorgänge der Whedon-Version nicht komplett auf den Kopf, was darauf schließen lässt, dass Snyders Vision nicht gänzlich aufgelöst und auf links gedreht, sondern „nur“ mächtig verwässert und verfälscht wurde. So haben wir es nicht so sehr mit einem radikal neuen Film zu tun, sondern mit einer aufwändig erweiterten und in Detailmomenten veränderten Rekonstruktion.

Zwei Figuren profitieren besonders von diesen Erweiterungen. Die eine Figur heißt Steppenwolf und war vor dreieinhalb Jahren noch ein käsiges Nichts von einem Schurken, ohne Charakter, ohne Tiefe, formlos aus dem Klischeebilderbuch gepurzelt. Der neue Steppenwolf sieht trotz spitzenmäßig (ähem) veränderter Rüstung zwar immer noch öde aus, ist plötzlich aber eine Figur, mit der man arbeiten kann. Wir erhalten Einsicht in seine Selbstauffassung, in seine Beziehung zu Overlord Darkseid und in seine Vergangenheit. Diese ist – im Vergleich – wirklich erstaunlich, wenn eine epische Flashbacksequenz in einem Kerndetail tatsächlich auf den Kopf gestellt wird und sich echte Dimensionen hinter Steppenwolf offenbaren. Das ist immer noch nicht außergewöhnlich gut, aber es ist eine spürbare Verbesserung. Die zweite Figur, die vom Laufzeit-Plus und von der Neuanordnung profitiert, ist Cyborg alias Victor Stone. In der Kinofassung auf eine simple Frankenstein-Symbolik reduziert, ist Cyborg hier nun aktiver, stärker beschäftigt und als Charakter greifbarer.

Sämtliche Heldenfiguren haben nun mehr zu tun, sind mehr beschäftigt. Erwartbar, angesichts der zur Verfügung stehenden Zeit. Umso bedauerlicher aber, dass der SnyderCut ein paar der wenigen charakterlichen Details der Kinofassung glattbügelt, austauscht oder gänzlich entfernt. So fehlt die „Rette eine Person“ Aufgabe für Barry beim Gefecht in der Kanalisation; der simple, aber brauchbare Impuls für Barrys Helden-Selbstwertgefühl. Stattdessen bekommen wir eine komplett losgelöste und stilistisch zweifelhafte Rettungstat vorab, die in mehr Zeit weitaus weniger leistet. Auch Diana büßt mindestens so viele Details ein, wie sie neue gewinnt. Es war im WhedonCut weiß Gott nicht toll ausgearbeitet, aber die Idee, Diana sträube sich, eine echte Führungsrolle für die Gruppe zu übernehmen, war immerhin eine Idee. Von dieser ist nun nicht mehr wirklich viel übrig. Stattdessen gibt es ein wenig Amazonen Mythologie und minimal verlängerte Actionsequenzen. Blendet man die „geerbten Hindernisse“ aus, also Details wie Superman, der im Snyder-verse nie zu dem heroischen und gefeierten Leuchtfeuer werden durfte, zu welchen er hier verklärt wird, lassen sich die charakterlichen Kernherausforderungen für fast alle Helden schlussendlich auf elterliche Probleme herunterbrechen, also „Daddy Issues“ und Co.

© Warner Bros. / HBOMax

Überhaupt wird relativ schnell deutlich, dass der Maximum Snyder-Fruchtgehalt nicht immer die optimale Lösung für diesen Film-Drink darstellt. Auf vier Stunden aufgeblasen fühlt sich „Justice League“ dann eben auch aufgeblasen an. Das Material war da, so die Vermutung, also darf es auch verwendet werden. Da ist eine Szene, die wir fast genauso bereits aus der Kinofassung kennen. Die noch unfertige Heldengruppe aus Batman, Wonder Woman, Flash und Cyborg erforscht die Kanalisationstunnel unter Rikers Island und soll dann auf Alfreds Hinweis folgend eine hochgelegene Treppe samt Plattform erreichen. In der Kinofassung eine simple und schulbuchmäßige Sache aus Schuss, Schnitt und Anschluss. Im SnyderCut schwillt mal wieder Musik an und wir sehen die Gruppe noch ein paar zusätzliche Stufen erklimmen, ehe man die Plattform erreicht. Es sind nur ein paar Sekunden und für sich genommen ist es keine große Sache, doch Momente wie diese verdeutlichen, warum mehr nicht immer besser ist. Hier steht nicht mehr die höchste Effizienz einer Szene oder einer Einstellung im Vordergrund, sondern das vollkommene Auskosten der üppigen Spielzeit und das Verwenden des reichhaltigen Materials. Keinen gedrehten Frame ungenutzt lassen. Die unterschiedlichen Zuschauerreaktionen zu veränderten Szenen, auch wie Steppenwolf z.B. an die dritte Mother Box gelangt, dürften nicht zuletzt über das jeweilige Gelingen oder Scheitern des Films entscheiden.

Letztendlich ist der SnyderCut aber auch so etwas wie der ultimative Director’s Cut. Zack Snyder ist ein Filmemacher mit einem ausgeprägten und leicht parodierbaren Stil. Das ist erst einmal nichts Negatives, gilt für Snyder wie auch für Leute wie Tarantino, Wes Anderson oder Terrence Malick. Gewisse Snyder-ismen häufen sich nun. Musikeinspieler und Montagen in Zeitlupe beherrschen insbesondere die ersten beiden Teile des Films. Und Snyder bleibt sich in seiner Musikauswahl treu, was je nach Auslegung mutig oder plump erscheint. Wurde Aquaman in der Kinofassung etwas arg plump und hip durch „Icky Thump“ von den White Stripes begleitet, wird die Szene nun durch eine Nick Cave Ballade komplett verändert, obwohl in groben Zügen dieselben Bilder zu sehen sind. Musikalisch unterstreicht dieser Film aber auch einen anderen Aspekt, einen positiven. Obwohl „Man of Steel“ ein ähnlich unrunder Film wie sämtliche Snyder-verse Filme war, obwohl er gar kein Interesse an einer heroisch ikonischen Darstellung Supermans hatte, ist das Musikthema hängen geblieben. Das ist eine Leistung der Komposition, sicher, aber irgendwie auch des Films. Es braucht exakt zwei Töne und die Sachlage ist klar. So klar, dass Snyder gefühlt dutzendfach darauf zurückgreift. Abgesehen vom Avengers Hauptthema kann das Marvel Universum von einer derartigen Assoziations- und Emotionsabkürzung nur träumen.

Als Actionregisseur und Stilist bekommt Snyder natürlich reichlich Raum, sich auszutoben. Verschwunden ist die grausige Farbgestaltung des Finales und erweitert sind insbesondere der erste Kampf bei den Amazonen und besagter Flashback. Das hat Kraft und Wumms, ist aber auch hier keine komplett neue, sondern nur eine mal mehr, mal weniger stark veränderte Erweiterung bereits bekannter Szenen. Dabei können ‚Kraft‘ und ‚Wumms‘ nicht dauerhaft über die unzureichende Dramatik und Dringlichkeit hinwegtäuschen. Denn auch auf vier Stunden gestreckt ist „Justice League 2021“ immer noch eine recht geradlinige und teils erschreckend simple Angelegenheit. Dafür, dass Snyders Bild- und Musiksprache derart auf die Pauke haut, ist der Ertrag überschaubar und wird durch die Last aus zu viel Laufzeit noch verwässert. Womöglich zielte Zack Snyder in seiner ursprünglichen Idealversion wirklich auf gut drei Stunden ab, also irgendwo zwischen den beiden Fassungen, die wir nun haben. Die theoretische Freiheit dieser Neufassung macht den SnyderCut zu einer spannenden Angelegenheit, ohne Frage, doch verdeutlicht sie auch, warum Kompromisse und Beschränkungen im Filmgeschäft nicht immer negativ aufgefasst werden müssen.

Fazit:
„Zack Snyder’s Justice League“ ist klar und eindeutig der bessere, kohärentere und rundere Film im Vergleich zur damaligen Kinofassung. Die aufgeblasene Laufzeit hält aber nicht nur Positives, sondern auch reichlich Ballast bereit. So ist man für gut und gerne drei der vier Stunden eher damit beschäftigt, die beiden Filmversionen miteinander zu vergleichen, was auch daran liegt, dass Figuren, Bedrohung und Geschichte auch in dieser ultimativen Snyder-Version nicht übermäßig originell oder mitreißend sind.

6,5/10

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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