BG Kritik: „James Bond 24: Spectre“

28. September 2018, Christian Mester

Das letzte Kapitel? Durch ein Vermächtnis der alten M auf eine neue Spur gebracht, entdeckt James Bond einen heimlichen Erzfeind: Spectre. Ein gewaltiges Verbrechersyndikat, dessen Machenschaften er bereits seit Jahren regelmäßig vereitelte, dessen Handlanger und Unteroffiziere er immer wieder außer Gefecht setzte. Mit Schrecken stellt Bond fest, wie tief Spectre eigentlich mit seiner eigenen Vergangenheit verflochten ist…

SPECTRE (2015)
Regie: Sam Mendes
Cast: Daniel Craig, Christoph Waltz, Lea Seydoux

Kritik (spoilerfrei):
Was ist es nur immer an den Folgefilmen immens erfolgreicher Filme, dass sie nie mit ihren Vorgängern mithalten können? Ob The Matrix Revolutions, Pirates of the Caribbean 3: Am Ende der Welt oder The Dark Knight Rises, jedes Mal wird groß aufgefahren, um Vergleichbares zu liefern, doch in der Regel lassen sie dann stattdessen alle ein wenig nach.

Selbiges trifft nun auch auf Spectre zu, der nach dem übertrieben erfolgreichen Skyfall, der ja „nur“ sehr gut, aber längst kein Ausnahme-Bond war, in ähnliche Fußstapfen tritt. Prinzipiell ist man sich schnittig treu geblieben. Keine Experimente, kein erhöhter Einsatz von Gadgets oder Humor, eine vollkommen gewöhnliche Handlung in altbekannter Struktur, inklusive Abhakens aller typischen Elemente, die man kennt, und, offen gesagt, so ja auch jedes Mal in neuer Variation erwartet. Zwei Einschränkungen halten Spectre jedoch davor zurück, denkwürdiger zu sein. Das eine wäre die Tatsache, dass die Actionsequenzen, die, bis auf ein paar unfertig wirkende Greenscreeneffekte in der Mexiko-Sequenz, alle gut gemacht und unterhaltsam aufgezogen sind, leider nie so richtig in die Vollen gehen. Bond jagt Jeeps mit einem Flugzeug, fährt ein Wettrennen durch die Straßen Roms und prügelt sich in einem Zug ebenso geschmeidig wie an Bord eines herumwirbelnden Hubschraubers. Das ist alles unterhaltsam, doch bleibt das Empfinden, dass es noch dramatischer sein könnte, Bond seine Gegner noch aufregender oder cleverer besiegen könnte. Das heißt nicht, dass er auf Eisschollen vor einem Superlaser davonsurfen sollte und die Action unrealistischer werden muss, aber man braucht sich bloß Sachen wie die Kran-Parcourkletterei aus Casino, die Gerüstjagd aus Quantum oder die Hüttenbelagerung aus Skyfall ansehen, die alle was Besonderes boten.

Im Zuge dessen fällt auch die Wiederholung bereits gesehener Elemente auf. Beispielsweise wird Bond auch in diesem Film an einen Stuhl gefesselt und tüchtig gefoltert, und auch hier begegnet er der großen Qual mit Galgenhumor. Dass es das schon mal gab, ist dabei nicht das Problem, schließlich gab es in den über zwanzig Filmen schon mehr als genug Wiederholungen. Nein, problematisch ist es, wenn eine solche Szene weniger Wirkung hat als ihr Vorbild, keinen eigenen besonderen Kontext, keine eigene besondere Note hat. Das trifft hier einige Male zu. Es bedeutet zwar nie, dass die Szenen je nicht unterhaltsam wären, doch wenn man schon 300 Millionen Dollar Budget zur Verfügung hat, darf man ruhig noch ein klein wenig mehr Qualitätskontrolle, bzw. Qualitätsausschöpfung erwarten.

Eine große Neuerung gibt es jedoch als zweiten großen Punkt, und die ist ebenso mutig wie konfliktbehaftet. In den früheren Bond Filmen gab es gelegentlich kleinste Anknüpfungen an ältere Fälle, aber Spectre greift konkret die gesamte Handlung der aktuellen Ära auf und schnürt ihr ein rundes Ende. Das gab es so noch nie, und es schließt auch noch so bündig ab, dass ein weiterer Film mit Craig als Bond eine echte Überraschung darstellen würde. Es fühlt sich an, als sei bei Abspann alles gesagt. Gespoilt sei hier noch nichts, gesagt sei nur, dass alle bisherigen Bösewichte bereits direkt oder indirekt für den Anführer Spectres gearbeitet haben, und dass dieser einen persönlichen Bezug zu Bond hat. Schon Skyfall holte Geister aus Bonds Vergangenheit hoch. Mendes inszenierte eine große metaphorische Familientragödie, in der Bond der brave Vorzeigesohn Ms darstellte, und Silva ihr hasserfülltes, im Stich gelassenes Erstkind. Spectre nutzt nun sehr, sehr ähnliche Motive mit anderen Figuren, macht das aber weniger effektiv. Geplant war die Story so auch nicht, so hatte man die Organisation im zweiten Film ja zunächst Quantum genannt. Ein Rechtedisput sorgte dafür, dass man den Begriff Spectre aus den alten Connery Filmen auf einmal wieder verwenden konnte, also wurde Quantum mal eben nachträglich zu einer Unterorganisation Spectres degradiert. Das ist ebenso haarig wie die Bekanntgabe, dass alle vorherigen Gegner auf einmal für den gleichen Mann gearbeitet haben sollen. Mendes verzichtet auf Flashbacks oder nähere Erklärungen, sodass man vor vollendeten Tatsachen steht und es einfach mal klamm hinnehmen muss. Eine effektvolle Überraschung, wie etwa der Twist im MCU, dass ganz SHIELD von Hydra unterwandert war, bleibt aus. Fraglich ist auch, wieso Bond sich immer wieder völlig unvorbereitet dem Feind ausliefert; dass er dann trotzdem immer wieder entkommen kann, verdankt er nur dem bereits in den Austin Powers Filmen persiflierten Klischee, dass die Bösen immer reden, anstatt zu schießen, und dass auch die Security des mächtigsten Kartells der Welt auf offener Fläche grundsätzlich nichts trifft. Dass man das so nutzt, wirkt fürchterlich faul, in seiner Dreistigkeit allerdings auch schon fast wieder charmant.

Waltz hat einige Schwierigkeiten, seine Ansprachen zu verkaufen. Er ist zwar nach wie vor eine großartige Präsenz und greift auch wieder auf sein perfides Ausnahmegrinsen und seine teuflische Schleimkunst zurück, doch obwohl das Script dick aufträgt, was drohende Gefahr betrifft, ist sein Charakter recht plump. Das, was Raoul Silva im letzten Film so interessant gemacht hatte, die Mischung aus unberechenbarer Psychose und gefährlichem Intellekt, will hier nicht ganz sitzen. Hier wirkt das Script unfertig, denn anstatt Entdeckungen aktiv in die Handlung unterzubringen, gibt es leider wie bei den Star Wars Prequels häufiger Szenen, in denen Charaktere sitzen oder zusammen ein Stück gehen und dabei ellenlang Exposition besprechen.

Lea Seydoux darf dafür die facettenreichste Bondgespielin seit Vesper Lynd sein. Ihre Madeleine darf glücklicherweise mehr als pure Eroberung sein, beweist einen starken Willen und erreicht Bond ähnlich wie es Lynd tat, nur warmherziger. Moneypenney, Q und M kommen zum Einsatz, bleiben aber nach wie vor kleine Randfiguren. Zwar dürfen sie dieses Mal einen ganz eigenen Gegner konfrontieren, doch der Nebenplot schwächelt und lenkt nicht lohnend genug von der Hauptgeschichte ab. Überzeugender ist dafür Dave Bautista als Waltz’s Handlanger Mr Hinx, der Bond ordentlich Paroli bietet und ihm unterhaltsam auf die Pelle rückt. Ihre Actionszenen hätten zwar wie gesagt noch besser sein können, und er als Figur noch mehr vorkommen können, doch Mr Hinx ist fraglos der beste Handlanger seit Zao aus Stirb an einem anderen Tag, und der erste der Craig Handlanger, der denkwürdiger ausfällt.

Musikalisch greift Thomas Newman scheinbar einige Male auf die Klangwelt seines Jarhead Scores zurück, was gut funktioniert. Dass Mendes den legendären Kameramann Roger Deakins gegen den ebenfalls bekannten Hoyte van Hoytema austauschen musste, fällt indes nicht auf, schließlich hat der Holländer zuletzt ja zwei andere der schönsten Filme der letzten Jahre inszeniert, Interstellar und Her. Bond steht für Stil und Globetrotting, und das bekommt man hier wieder in umwerfenden Bildern präsentiert. Der eher mäßige Song Sam Smiths unterstreicht eine sehr merkwürdige Introsequenz, in der Bond zweimal mit nacktem Oberkörper posiert, als gehöre er zur Magic Mike Truppe, und in der zudem überraschend Hentai-Motive vorkommen, wenn nackte Frauen von Krakententakeln umgarnt werden. Ob den Machern die Assoziation bewusst war?

Fazit:
Spectre wirkt etwas unüberlegt zusammengestellt und verpasst dadurch so manche Stärken, doch das Ergebnis kann sich dennoch sehen lassen. Ein würdiger neuer Bond, ein eventuell solider Abschluss der Daniel Craig Reihe und ein sehenswerter Spionage-Actioner, insbesondere für all jene, denen die Mission Impossible Filme zu übertrieben erscheinen.

7,5 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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