BG Kritik: „It Follows“ (2015)

18. Oktober 2020, Christian Mester

Auch dieses Jahr wollen wir euch mit Horrortipps für den schaurigen Oktober nicht alleine lassen und bieten deshalb täglich einen neuen Beitrag aus unseren Horror-Archiven…und nicht immer muss es ein Tipp sein, sondern auch mal eine Warnung…

It Follows (US 2015)
Regisseur: David Robert Mitchell
Cast: Maika Monroe

Story:
Die junge Jaime wacht nach ihrem ersten Mal mit ihrem Freund gefesselt auf. Scheinbar wahnsinnig erzählt er ihr, dass sie nun verflucht sei, und dass etwas Böses nun hinter ihr her sei – so lange, bis sie den Fluch via Sex weitergebe. Sie lernt es dann auch direkt kennen, und es folgt ihr…

Das etwas andere Geschenk.

(diese Kritik wurde erstmals im Juli 2015 veröffentlicht)

Was für eine dröge Zeit für Freunde des gepflegten Gruselns. Lässt man James Wan (Saw, Insidious, Conjuring) mal weg, blicken wir auf eine äußerst uninteressante letzte Zeit zurück, in der es kaum nennenswerte Horrorfilme zu sehen gab, geschweige denn neue Klassiker. Als Fan großer Titel wie Halloween oder Nightmare on Elm Street gibt es viel zu seufzen, bleiben neue Highlights doch meistens aus. It Follows ist nun kein solcher Film, den unbedingt jeder gesehen haben muss, aber endlich mal wieder ein hervorragender, und einer, der über die Jahre vielleicht irgendwann kleiner Klassiker genannt werden könnte.

Horror wird oft darauf reduziert, bloß zu schockieren und Spannung zu schaffen (was man auch erst einmal schaffen muss), aber eine große Stärke des Genres ist natürlich seine Vielseitigkeit. Dieser Film macht auch glücklicherweise was Originelles, und macht es größtenteils gut. Das namenlose Böse im Film ist schnell erklärt, aber dennoch voller Rätsel. Es ist ein frisch erdachtes Wesen, das durch Sex verfluchte Menschen gemächlich Schritt für Schritt verfolgt, für alle außer seine Opfer unsichtbar ist und überdies das Aussehen verschiedenster Menschen annehmen kann. Mag unspektakulär klingen, doch der Punkt ist, dass es wirklich unaufhaltsam scheint. Tapst es als alte Oma am hellichten Tag auf einen zu, kann man einfach ins Auto steigen und davon fahren. Doch egal wohin man fährt – sofern es nicht gerade die ISS Raumstation ist, wird es früher oder später ankommen. Manche der Attacken mögen anfangs albern wirken, da es sich mitunter auch als nackte Leute präsentiert, doch die Unerbittlichkeit dreht es schnell wieder ins Schaurige zurück.

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© Northern Lights Films / Animal Kingdom / Two Flints

David Robert Mitchell inszeniert die Schrecken von It Follows mit großem Talent, und lässt es gleichgültig werden, ob es Tag oder Nacht ist. Unterlegt mit einem wundervollen Synthi-Score samt genialer Theme, die John Carpenter Stolzestränen in die Augen treiben müsste, liefert It Follows in Sachen Horror kaum typische Katzen-Schocks, sondern primär ungemütlichen Paranoia-Horror. Es lauert irgendwo da draußen, und die wachsende Erkenntnis der Betroffenen, dass sie wohl nicht viel dagegen tun können, ist hervorragend. Was einigen jedoch missfallen könnte ist die Tatsache, dass der Film nicht auf Konfrontationen aus ist. Es gibt keine größeren Kämpfe gegen das Ding, der Bodycount ist gering, und auch sonst ist es kein Horrorspektakel mit plötzlichen Überraschungen oder vielen Wendungen. Vielmehr ist der Film ein slow burn Erlebnis, das durchaus Geduld erfordert.

Hat man die und lässt sich auf die Hauptfiguren ein, findet man darin gutes Jugenddrama. Die junge Jaime kriegt den Fluch ab, und ihre Freunde, endlich mal keine dümmlichen 0815 Horrorfilmteenies, versuchen ihr mit Beistand zu helfen. Die Freunde wirken sehr echt, und sind mal angenehmerweise keine US Stereotypen für Sportass, Promqueen, Nerd und übergewichtige. Den Fluch kann man durch Sex an andere weitergeben, aber was für manche theoretisch ein leichtes Unterfangen wäre, ist für dieses eher schüchterne junge Mädchen kein leichtes. Zumal es weiß, dass jede Weitergabe mehr oder weniger ein Todesurteil ist. Sie ringt also schwer mit sich, und die angebotene „Hilfe“ ihrer männlichen Freunde ist nichts leichtes. Natürlich muss man bei der Prämisse direkt vermuten, dass der Film rein allegorisch ist. Tod als Strafe für Sex, Es als manifestiertes HIV, das unaufhaltsam nachkommt und irgendwann zuschlägt, und für jeden weiteren Sexpartner ansteckend ist. Das funktioniert, doch zum Glück interessiert sich Mitchell nicht bloß dafür. Er nutzt die Allegorie recht interessant, will in erster Linie dann aber doch einen albtraumhaften Horrorfilm erzählen, und das macht er weitestgehend gut.

Weitestgehend, denn ihm folgen dann doch einige Schwächen. Mit seinen 100 Minuten fühlt der Film sich ein klein wenig zu lang an, eine konkret gezeigte Todesszene fällt sehr schwach aus und das Auftreten des Dings wäre eventuell noch viel effektiver, würde es im Film weit weniger vorkommen. Auch darf man sich hier keinesfalls mit Logik beschäftigen, denn so manches Auftreten oder Verhalten des Wesens macht bei genauerer Betrachtung nicht den meisten Sinn.

Fazit:
Verlangt Geduld, doch die lohnt. It Follows ist einer der interessantesten Horrorfilme der letzten Jahre, und ein vielversprechendes Debüt eines großen Talents.

8/10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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