BG Kritik: „James Bond 02: Liebesgrüße aus Moskau“

17. September 2015, Christian Mester

Die russische Agentin Tatiana Romonova (Daniela Bianchi) erzählt dem MI6, dass sie überlaufen will und ihnen zum Dank die Code-Dechiffriermaschine LEKTOR ermöglichen kann. Bond soll sie treffen und die Maschine auftreiben, durchaus ahnend, dass mehr dahinter steckt, ohne aber zu wissen was genau…

JAMES BOND: LIEBESGRÜSSE AUS MOSKAU
FROM RUSSIA WITH LOVE (1963)
Regie: Terence Young
Cast: Sean Connery, Robert Shaw, Daniela Bianchi

Viele halten „Liebesgrüße aus Moskau“ für den besten aller Bonds, oder zumindest für den besten bis „Casino Royale“, was verständlich ist. Nicht unbedingt, weil er der beste ist, sondern weil er zum Großteil anders ist als fast alle anderen. Hatte Dr No junge Naivität als Thema, ist Liebesgrüße im Vergleich hartes Erwachsen werden. Die Probezeit ist rum: das zeigt sich vor allem in der ersten Hälfte, in der Bond weitaus mehr Verantwortung aufertragen bekommt. Natürlich ist es wieder ein Außenauftrag mit attraktiver Frau, aber Bond weiß um ihre Wichtigkeit und die der Maschine: die LEKTOR könnte es ermöglichen den Kalten Krieg zu entscheiden. Es gibt deutlich weniger Gelegenheiten zum lässig sein, Bond trägt fast nur Anzug und obgleich er mit Tatiana schmunzelnd in die Betten steigt („Ich glaub mein Mund ist etwas groß“ „Nein ist gerade richtig… für mich“), gibt es wieder Unsicherheit. Nicht die gleiche wie im ersten Teil, als er sich sichtlich nicht sicher war, ob er der Lage gewachsen ist – hier ist es professionelle ernste Nachdenklichkeit, da die Gegner dieses Mal weit kompetenter sind und eine Chance besteht, dass sie gewinnen. Lange Zeit ist Bond mit dem erfahrenen Agenten Kerim unterwegs, bei dem klar wird, dass Bond eigentlich grün hinter den Ohren ist. Bei einem Überfall Krilencus auf einen Zigeunerunterschlupf hält er irgendwie die Lage im Gefecht, nicht ahnend, dass Grant ihm hier das Leben rettet, weil er ihn noch braucht.

Nach dem im ersten Teil nur knapp vorgekommenen Dr. No und seinen schlechten Handlangern haut Liebesgrüße diesbezüglich in die Vollen: mit Klebb, Kronsteen, Grant und Krilencu gibt es gleich vier namhafte Probleme für Bond, wobei Grant zweifellos der interessanteste ist. Gespielt von Robert Shaw, dem Captain aus Der weiße Hai, ist Grant eine ältere, ernstere Bond-Variante der Gegenseite: anfangs wird gezeigt, dass er wie Bond holdes Weib mag, aber er ist fokussierter, stiller und weniger aufs Coolsein bedacht als Bond. Er ist ein Ivan Drago Bond; durchtrainiert, eisern und landesloyal (und blond). Der Film zieht große Spannung aus dem irgendwann unvermeidlichen Treffens der beiden und inszeniert den Weg dahin, sowie die Konfrontation an sich als fesselndes Spionagekino… das sehr an Hitchcock erinnert. Natürlich, denn Anfang der 60er war Hitchcock König des Thrillerkinos, hatte er doch gerade Der unsichtbare Dritte, Psycho, Vertigo, Der Mann der zuviel wusste und Die Vögel ins Kino gebracht. Bis auf eine weitestgehend normale Kameraführung wirkt Liebesgrüße sehr nach des Meisters Hand gemacht (mit dem Connery übrigens kurz darauf Marnie machen sollte).

Leider nicht ganz in derselben Qualität wie viele Hitchcockwerke, da trotz starker Story manches Figurenverhalten plump ist – insbesondere Tatiana, die Bond nackt im Bett liegend kennenlernt, Bond einige Zeit nur Mitläufer ist, der Film sich etwas zieht und die Bösewichte etwas überladen viel sind. Dementsprechend wird der Film später bei einer Zugfahrt im Orientexpress deutlich besser, als sich nur noch wenige Figuren zusammen befinden und Bond endlich auf Grant trifft. Wiederum überrascht dann das letzte Viertel, das plötzlich äußerst typisch Bond ausfällt: nach dem Kampf im Zug folgt eine Autoflucht vor einem Granaten werfenden Hubschrauber, gefolgt von einer Bootsflucht mit Sprengfässern. Da bretzelt Liebesgrüße die kurzweilige Unterhaltung mächtig hoch, wobei es nach der recht gemächlichen langen ersten Hälfte kurz ab wirkt, als hätte man da erst erschrocken festgestellt, dass „typisch Bond“ noch fehlt.

Regisseur Terence Young, der nach seinem Dr. No zurückkehrt, inszeniert das Sequel ernster, größer, ein wenig stilvoller, versuchend, das Bondversum weiter auszubauen (erstmals gibt es ein Prologszene, Desmond Llewelyn taucht als Q auf, es gibt erstmals Gadgets, der Aufspann ist nun eine Bauchtänzerin, auf deren Körper die Credits gestrahlt werden, im Abspann gibts einen Titelsong) und sich gleichzeitig Hitchcock anzunähern (beim Hubschrauberflug später lässt sich schwerlich nicht an Der unsichtbare Dritte denken); er lässt Bond mehr Orte bereisen, auf mehr Gegner treffen, ihn merken, dass die Welt vertrackter, politischer und nicht immer leicht linear zu lösen ist, und inszeniert den Kampf Grant gegen Bond erstaunlich hart. Im Deutschen amüsant: hieß das Team der Bösen im ersten Film noch GOFTER (Geheimorganisation für Terror, Erpressung und Rache), heißt sie hier nun PHANTOM (im Original SPECTRE).

Fazit:
Liebesgrüße ist der wohl erwachsenste aller älteren Bonds, dem es bis auf das Finale eben lange nicht um Bettgeschichten, Fights und Popcornszenen geht: hier steht Handlung im Vordergrund, hier ist der Agent hauptsächlich Gentleman im Anzug, der sich die Hände nicht schmutzig macht – dieser Bond ist kein Comic-Bond, keiner, der über Krokodile läuft oder einen Drachenpanzer bekämpft und somit wohl der am weitesten von Stirb an einem anderen Tag entfernteste Teil der Reihe. Der Einstieg wirkt etwas zäh (Bond erscheint immerhin erst nach fast 20 Minuten) und das Finale wiederum recht gehetzt, aber alles in allem ist es in der Mischung ein guter, recht politischer, wenn auch eher unüblicher Bond, der nicht platt versucht, Dr. No zu imitieren.

7,5 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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