BG Kritik: „Phantom Commando“

13. September 2017, Christian Mester

Ex-Elitesoldat John Matrix (Arnold Schwarzenegger) springt aus einem Flugzeug, reißt Telefonzellen aus der Wand und erschießt sehr zum Ärgernis eines fiesen Politikers (verschwitzt: Dan Hedaya) 5000 Leute. Warum? Warum denn nicht? könnte man zur Abwechslung mal fragen, aber er hat tatsächlich einen guten Grund. Weil man seine niedliche Tochter entführt hat und törichterweise annimmt, ihn damit erpressen zu können. Derber Fehler.

COMMANDO (1988)
Regie: Mark L. Lester
Cast: Arnold Schwarzenegger, Dan Hedaya, Bill Duke

Kritik:
„Terminator“, „Eraser“, „True Lies“ – das sind die Filme des Governators, die alle kennen, selbst „Junior“,“Der Kindergarten Cop“ und „The 6th Day“ sind handlich. Sein „Phantom Commando“ hingegen ist jedoch nur wenigen ein Begriff, da er vor allem hierzulande denselben lausigen Bekanntheitsgrad wie Arnies „Der City Hai“, „Red Sonja“ und „Red Heat“ erleidet. Die drei sind auch bloß mau bis okay und nicht länger der Rede wert, aber dass man „Phantom Commando“ noch immer keine Staatsdenkmal gemeißelt hat, liegt irgendwo zwischen unvorstellbar unverständlich und absolut überfällig. Anstatt Barrack Obama den Friedensnobelpreis zu geben hätte man diesem Film längst seine überfällige Ehre erweisen sollen, denn

„Phantom Commando“ ist schlichtweg B-Movie Action in Perfektion. Gut, der Friedensnobelpreis speziell wäre vielleicht etwas unglücklich gewählt, aber trotzdem.

Um das zu erklären, muss man erst einmal die Muskeln flexen und bei etwas Bodylotion überlegen, was B-Movie überhaupt bedeutet. In den letzten 50 Jahren gab es da verschiedene Definitionen und selbst heut wird man auf vier verschiedenen Enzyklopädien (ja, es gibt nicht nur Wikipedia) vier verschiedene Beschreibungen finden, aber man könnte möglicherweise generell sagen, dass es spezielle Genrefilme und die Ansprüche an sie beschreibt. Das B in B-Movie steht nun offensichtlich für zweitklassig, was aber nicht automatisch heißt, dass ein B-Movie nicht genau so gut oder gar besser als ein A Movie sein kann.

In erster Linie bedeutet das zunächst, dass ein solcher Film nicht versucht, die gewohnten Qualitäten von guten Filmen – beeindruckendes Schauspiel, aufwendiger Look, Dialoge die bewegen, mitreißende Soundtracks etc. usw. – zu erzielen. Ein Lundgren „The Punisher“ hat dafür nichts über, er spuckt den Kautabak in die Tonne und lädt nach, zur Not kaut er Patronen oder noch besser: lässt andere Salven fressen. Es bedeutet, dass auf gewohnte Konventionen und Erwartungen nichts gegeben wird, man sich dafür auf gewisse andere Sachen stürzt und die intensiviert. Man kann beispielsweise sagen, dass Arnolds Mumm und Badassery in „Predator“ von einem Westernhelden abgeschaut ist – nur, dass sich die Macher in dem Fall gesagt haben, wir nehmen uns die Coolness des Helden, seine Shootouts und das reicht uns dann. Daraus machen wir einen ganzen Film. Natürlich neigt man dann dazu, das ganze zu überzeichnen und es ist automatisch lustig, wenn der Hero vor nichts Angst hat und unrealistische Massen an Gegnern erledigt. Das ist dann aber auch in Ordnung, denn Spaß ist bei den meisten B-Movies das A und O. Wer sich bei einem Van Damme darüber beschwert, dass seine Rolle eindimensional ist, er nur kloppt und Frauen imponiert und dann sagt, das sei platt, hat das Prinzip nicht verstanden. Dennoch heißt es nicht, dass alles gleich gut wäre. Mitnichten.

Es gibt ganz gewaltige Unterschiede zwischen den Seagals, Dudikoffs, Jai Whites und Van Dammes der Branche, ihren alten und neuen Filmen. „Phantom Commando“ stellt hierbei das absolute Maximum einer von zwei möglichen Spitzen dar. Der eben schon genannte „Predator“ ist die eine – hier funktioniert das Konzept Muskeln, Machos, Männerschweiß und Zoten zufälligerweise auf der ernsten Schiene. Was ebenso völliger VHS-Trash hätte werden können (bestes Beispiel: die schrottige AVP-Nachmache „Alien vs Hunter“), funktioniert hier als ernstzunehmender Actionfilm mit tatsächlicher Spannung und Qualitäten, die es sonst bloß bei anderen Filmen gibt. Allein Alan Silvestris Soundtrack ist Weltklasse, John McTiernans Regie grandios. Andere thematisch-inhaltlich ähnliche Beispiele wären „Stirb Langsam“, „The Rock“ und „Im Körper des Feindes“.

Das gibt’s in „Phantom Commando“ nicht, dafür reiht er sich Filmen wie „Con Air“ oder „Die City Cobra“ zu, und dort ganz oben an die Spitze. Die Rede ist von B-Movie Actionfilmen, die dämlich, dusselig, bescheuert und vollkommen überzogen sind, das Bankdrücken aber trotzdem schaffen. Weil sie die Kunst schaffen, blöde, aber nicht nervig blöde zu sein, weil sie denkwürdige Oneliner beinhalten und mit so einem Drive vorwärts jagen, dass es nie langweilig wird. Und Spaß machen

Dass Stahlheber und Slip-Poser Arnold Schwarzenegger mit seinem Akzent überhaupt irgendjemals eine Sprechrolle bekam, sollte ein Wunder sein, aber es ist absolut verständlich, wieso ausgerechnet er zwischen all den Bodybuildern mit Schauspielaspiration wie Lou Ferrigno oder Franco Columbu neben Sly Stallone zur weltgrößten Actionikone wurde: weil er unheimliches Charisma hat. Arnold hat die gottgegebene Gabe, selbst konzentrierten Schwachsinn mit einer gewissen Präsenz darzustellen, die einfach unheimlich unterhaltsam und sehenswert ist. Am schlimmsten sind Filmfiguren, die nichts sind, keine Persönlichkeit haben, austauschbar sind. John Matrix ist, man kann es nicht anders sagen, awesome. Das zeigt schon die Introsequenz, in der Arnold einem Terroristen gegenüber steht, der ihm sagt, er müsse einsehen, dass er alles tun muss um seine Tochter zu retten – er entgegnet „falsch!“ und pustet ihn gegen jede Konvention um. Das kann eigentlich nicht funktionieren, das kann in elf von zwölf Fällen nur lächerlich enden, aber Arnie schaffts, und das hat er auch Regisseur Mark L. Lester zu verdanken. Man mag sich vor die Stirn schlagen und mit dem Kopf schütteln, allerdings aus Spaß, weils so herrlich bescheuert ist – und man merkt einfach, dass DeSouza sich immer wieder überlegt hat, wie man etwas Bescheuertes noch mehr ausloten kann.

Steven E. DeSouza macht hier mehr aus der Story, als er machen dürfte. Obwohl die Handlung vollkommen berechenbar sein sollte – Matrix killt alle und kriegt sein Kind zurück – führt die Story so abwechslungsreich durch Los Angeles, dass man stets überrascht wird. Dazu kommt, dass an jeder Location irgendein Highlight aufkommt. Ganz egal, ob Arnie sich mit „Predator“ Co-Star Bill Duke vor einem nackten Pärchen rauft, in Kaufhausmalls herumtarzant oder seine unfreiwillige Begleitung spontan mit einem Vierfach-Raketenwerfer um sich schießt, gebannt darf man das Popcorn schaufeln und eine tolle Szene nach der anderen erwarten, man kriegt sie. Die Story hat sogar einen Hauch von Spannung. Arnie kämpft gegen die Zeit (er inszeniert seinen Abtransport und muss jeden erledigen, der ihn dann identifiziert). Im Gegensatz zu vielen anderen Genrekollegen gibt es somit keine Verschnaufpausen, keine Liebesszenen oder sonstigen Lückenfüller. Einmal geladen geht’s mit Schmackes bergab und Arnie gibt immer mehr und mehr Gas, was dann im ikonischen Bombast-Genozid-FreeforAll-Ende mündet: Arnie mäht gefühlt Hunderte um. Ungepanzert, er geht nicht mal in Deckung und lässt eine ganze Legion abschmauchen. Im Gegensatz zu „Rambo IV“ ist es jedoch wesentlich comic-hafter; es ist unblutig und komplett ohne politische Note. Man kann den Bodycount gar nicht anschwärzen, da jeder Erschossene banale Schießbudenfigur ist, deswegen darf und soll man auch gewissenhaft mitlachen.

Toll ist auch, dass es neben Arnie noch andere sehenswerte Figuren gibt. Ein großes Manko fast aller dieser Filme ist es, dass es immer einbricht, geht’s vom Helden weg. Hier nicht, denn Dan Hedaya („Alien: Resurrection“) und sein drahtiges Brusthaar sind ein herrlich schmieriger Bastard, der eiskalte Bill Duke („X-Men 3“) ein Brocken, mit dem man sich nicht anlegen will, David Patrick Kelly die Manifestation einer aalglatten Ratte, Rae Dawn Chong wirkt anfangs noch nervend überdreht, doch spätestens beim 28sten Schauen wird deutlich, dass sie wichtig ist. Sie gibt dem Ganzen Esprit und bleibt die normale Mitte, lässt das Stumpfe nicht zu stumpf werden, ist aber dennoch nicht bloß Klotz am Bein. Im Gegenteil, hier rettet sie Schwarzeneggers Rolle sogar, und das auf eine Art, die Charme hat. Bennett. Was wäre der Film ohne Bennett. Bennett ist der Hauptgegenspieler Arnies, da er den direkten Gegenpol mimt: Bennett, gespielt von Vernon Wells (der Iro-Träger aus „Mad Max 2“), ist ehrenlos, feige und sagt, er stehe darauf, anderen Schmerzen zu bereiten. Als weiterer Gegensatz ist er aber auch vollkommen inkompetent und ein Witz im Rampenlicht. Schon sein Kostüm (das eigentlich für einen kleineren Darsteller gedacht war und nicht mehr geänderte wurde und ihn deswegen wie eine Presswurst aussehen lässt) sagt alles, mit dem überflüssigen Kettenhemd, dem YMCA-Schnurrbart, den kindisch naiven Blicken; er ist der lächerlichste Pseudo-Elitesoldat, den es je in einem größeren Film zu sehen gab. Das unterstreicht er auch noch mit erbärmlich dämlichen Sprüchen, die er herrlich überbretzelt spielt und fantastisch mit Arnolds „Was bist du denn für einer? Ich ess Green Berets wie dich zum Frühstück“ Blicken wirkt.

Über den geloopten Plimplimplim Score darf man streiten. Der Sound soll offensichtlich das südamerikanische Temperament der Gegend darstellen, in der Matrix seinen Auftrag bestreiten soll… er ist aber bis aufs Finale nur in LA unterwegs und da wirkt’s etwas seltsam, dennoch hat der Score seinen ganz eigenen Klang, der über die Jahre nicht ohne Grund zum kleinen Kultcharakter beigetragen hat. „Phantom Commando“ ist großartige, Großkaliberunterhaltung.

Fazit:
Arnold Schwarzenegger fährt in einer Szene mit 100 unangeschnallt gegen einen Strommast, steigt aus, hält einen Mann an einer Hand über eine Klippe und lässt ihn los, hält dieses Niveau aber von Anfang bis Ende. Ein Meisterwerk.

10 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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