BG Kritik: „Predator“ (Classics Kritik)

23. Januar 2021, Christian Westhus

John McTiernans Sci-Fi-Action-Klassiker mit Arnold Schwarzenegger ist auch durch diverse Fortsetzungen und Reboots nicht tot zu kriegen. Ein Meilenstein des Genres und der Popkultur, welcher ganz aktuell in einem beliebten Videospiel aufgegriffen wird. Zeit also, sich „Predator“ (1987) noch einmal genauer anzuschauen. Ein Truppe Söldner gegen einen außerirdischen Jäger. (Eine weitere BG Kritik gibt es hier.)

Predator
(USA, Mexiko 1987)
Regie: John McTiernan
Darsteller: Arnold Schwarzenegger, Carl Weathers, Bill Duke, Jesse Ventura, Shane Black, u.a.
Kinostart Deutschland: 27. August 1987

Was ist Genre? Wo hört Genre A auf und fängt Genre B an? „Predator“ ist, ähnlich wie zum Beispiel „Jurassic Park“, eine seltsam faszinierende (und geglückte) Fusion verschiedener Einflüsse. Muskeln und Machismo des 80er Actionkinos, der Sci-Fi Einfluss eines außerirdischen Kopfgeldjägers mit futuristischer Technologie, die Intensität und Grausamkeit des Horrorfilms und das alles geeint durch ein Abenteuerfilmambiente und dem Spannungsbogen eines Thrillers. Doch die wahre Finesse von John McTiernans schier unsterblichen Klassikers liegt weniger in den Labels und Schubladen, sondern in der speziellen Handhabe. Begriffe wie „Action“ und „Horror“ führen immer nur bis zu einem gewissen Punkt, sind per Definition limitiert.

Brettharte Männer im Helikopter. Im Chopper. Das Intro des Films mutet je nach Vorbildung und Genrevorlieben wahlweise wie ein großes Versprechen oder wie peinliches Gepose an. Der vermutlich berühmteste Handschlag der Filmgeschichte, der Bizeps-Tanz des Kinos, setzt den ersten Akt in Bewegung. Alan „Dutch“ Schaefer und seine markigen Männer betreten den Dschungel Südamerikas mit einer klaren Mission, einer klaren Aufgabe. Es gilt mal wieder etwas aufzuräumen, die „Bösen“ kalt zu stellen und den Status Quo von (amerikanischer) Kampf- und Militärmacht zu unterstreichen. Diese Männer, die keine Zeit haben zu bluten, sind ein eingespieltes Team, zerlegen das kleine Camp irgendwelcher nicht näher definierten Terroristen nach allen Regeln der 80er Jahre Actionfilmkunst. Schuss und Gegenschuss im doppelten Sinn, brachiale Explosionen, perfekt in Szene gesetztes Töten und dazwischen Sprüche so grandios käsig, man könnte sie auf einem Staatsbankett auf dem Silbertablett als Appetithappen servieren. Auch dieser Auftakt ist wahlweise Versprechen oder Befürchtung, gibt sich wie die etwas ausgefeilter inszenierte Variation eines „Phantom Kommando“ (1985). Und dann kommt alles anders.

© 20th Century Studios

Erst der geschlossene Handlungskontext gibt einem Genreverständnis Bedeutung. Dutch und seine Kameraden ziehen nicht weiter zum großen bösen Drahtzieher, zum menschlichen Ursprung des terroristischen Übels, wie es in einem klassischen Actionfilm der Fall wäre. Die Idee des 80er Bizepskinos wird aufgebrochen, wenn der eigentliche Gegenspieler die Bühne betrifft. Intro, Handschlag und erster Einsatz sind nun nicht länger Zelebrierung eines Genre-Selbstverständnisses, sondern der erste Schritt eines satirischen Dreisatzes. So wird aus einem beinharten Actioner ein Slasher, der andere große Kino- und Genretrend der Entstehungsjahre. Ein maskierter Unbekannter geht um und murkst die zentrale Besetzung einer nach dem anderen ab, bis nur noch das archetypische „Final Girl“ übrig ist. Der entscheidende Unterschied: in „Predator“ haben wir es nicht mit dusselig-notgeilen Teenagern zu tun, die sich aus widersinnigen Gründen aufteilen und dem gemächlich wandelnden Killer ins offene Messer laufen. Dutch und sein Team sind selbst perfekte Killer, beinahe übermenschliche Tötungsmaschinen, die nun auf ihren Meister treffen.

John McTiernan, der das Actionkino mit „Stirb Langsam“ (1988) weiter verändern und mit „Last Action Hero“ (1993) weiter parodieren sollte, war sich der Wirkung des Genre-Hybriden mehr als bewusst. Die Inszenierung ist grundsätzlich über jeden Zweifel erhaben, verpackt den krachigen ersten Einsatz, den Slasher-Mittelteil und die finale Konfrontation mitreißend und ausdrucksstark, holt das Maximum an Spannung und Unterhaltung aus einem bescheidenen Budget heraus. Soll heißen: McTiernan liefert schon oberflächlich betrachtet das (und mehr), was man von einem Arnold Schwarzenegger Actionfilm der 1980er erwarten konnte oder wollte. Doch der Regisseur geht noch weiter, weiß die Ironie des Scripts noch zu verstärken. In einer Szene, die die Wirkung des berühmten Handschlags auf den Waffen- und Baller-Fetisch des Genres überträgt, rasieren Dutch und Co. den Urwald mit gefühlten drei Tonnen Blei. Und das Ergebnis? Ein Statement.

Manchmal profitiert ein Film von produktiven Unfällen und Problemen. Die inszenatorischen und konzeptionellen Stärken des Films hätten nur zu leicht in Luft aufgehen können, wäre der berühmte außerirdische Jäger weniger gelungen. Ursprünglich als insektenartiges Gummikostüm mit Jean-Claude van Damme als Darsteller gedacht, waren die Umbesetzung durch Kevin-Peter Hall und das neue Design (von Stan Winston und James Cameron) späte, aber erfolgreiche Entscheidungen, beinahe aus der Not eines fortgeschrittenen Produktionszeitplans entstanden. Und so ging nicht nur Arnolds legendäre verbale Reaktion („You’re one ugly mother…“) in die Genre- und Kinogeschichte ein, sondern auch der Predator als akustisch und visuell herausragendes Filmmonster. Kein Wunder also, dass noch 30+ Jahre später Remakes und moderne Popkultur darauf zurückgreifen.

10/10

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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