Treasure Tuesday Spezialkritik: „Was der Himmel erlaubt“
Ein weihnachtlich-winterlicher Melo-Klassiker von Douglas Sirk. Jane Wyman und Rock Hudson als tragische Liebende in „Was der Himmel erlaub“ (1955), unser heutigerTreasure Tuesday Tipp. Jeden Dienstag auf Erkundungstour gehen. Wir stöbern nach vergessenen Filmen, unterschätzten Filmen, alten Filmen, fremdsprachigen Filmen. Nach Filmen die sich lohnen, auch wenn gerade nicht die halbe Welt über sie spricht.
Was der Himmel erlaubt
(Originaltitel: All that Heaven allows | USA 1955)
Regie: Douglas Sirk
Darsteller: Jane Wyman, Rock Hudson, u.a.
Kinostart Deutschland: 15. Juni 1956
Was ist das für ein Film?
Einer der größten Hollywood-Schmachtfetzen der 1950er, aber seinerzeit gar nicht zu groß beachtet. Wie so viele Filme des für seine Melodramen bekannten und als Ironiespezialist berüchtigten Douglas Sirk, erhielt „Was der Himmel erlaubt“ erst in den Folgejahren, insbesondere durch europäische Kritiker und Cineasten, den gebührenden Ruhm. Es ist die Geschichte von Cary Scott (Jane Wyman), Witwe eines einst angesehenen und vermögenden Mannes aus der Vorstadt-Oberschicht irgendwo in Neuengland. Sie ist Mutter zweier erwachsener Kinder und seit einer Weile allein, lässt sich nur aus Höflichkeit in den örtlichen Country Club oder in platonischer Begleitung zu den Cocktailpartys ihrer Upper Class Freunde einladen. Doch Cary hat sich verliebt und zwar in den deutlich jüngeren Gärtner Ron (Rock Hudson), einem einfachen Arbeiter mit einer gänzlich anderen Lebensauffassung. Auch er verliebt sich in Cary und beide wollen ihre Leben gemeinsam verbringen, doch der Alters- und Klassenunterschied, sowie die Tatsache, dass Ron schon zu Lebzeiten von Carys verstorbenem Mann den Garten der Scotts gepflegt hatte, könnten in den spießigen Cocktail-Kreisen für Gerüchte und Probleme sorgen. Und was werden die Kinder sagen?
Warum sollte mich das interessieren?
Douglas Sirk ist ein Regisseur, dessen Werk man sich mal genauer anschauen könnte. Geboren als Hans Detlef Sierck in Hamburg, startete die Filmkarriere in den 1930er Jahren in Deutschland und führte dann – wie so oft in jenen Jahren – über das europäische Umland in die USA. Douglas Sirk, wie sich der Filmemacher in Übersee nannte, genießt heute einen nicht zu unterschätzenden Status. Die Regisseure der Nouvelle Vague feierten ihn, Rainer Werner Fassbinder war Fan und Todd Haynes drehte gleich zwei Filme in unmissverständlicher Anlehnung an Sirk, „Far From Heaven“ (2002) und „Carol“ (2015). „Was der Himmel erlaubt ist vermutlich der bekanntes unter Sirks 50er Melodramen. Nur ein Jahr zuvor drehte er – erneut mit Jane Wyman und Rock Hudson – den ähnlich gelagerten „Die wunderbare Macht“ (Magnificent Obsession, 1954). Mit Hudson arbeitete der Filmemacher insgesamt ganze acht Mal zusammen.
„Was der Himmel erlaubt“ ist ein waschechtes Melodrama, eine hochemotionale und tränenreiche Geschichte einer Liebe, die sein muss, aber nicht sein kann, in den Augen mancher nicht sein darf. Bei aller exquisiten Sinnlichkeit und dem erstklassigen Geschmachte zwischen Wyman und Hudson (in der Realität übrigens alterstechnisch gar nicht so weit auseinander) ist der Film auch eine feine Satire und seziert die arrogante, oberflächliche und heuchlerische „Höhere“ Gesellschaft. Die USA der 50er und damit auch das Kino standen selbst noch unter spürbaren Einschränkungen und gesellschaftlicher Zensur, doch Sirk und das Script von Peg Fenwick finden nicht zuletzt aus heutiger Sicht einige wunderbare Ansätze mit teils erstaunlich spitzfindigen Dialogen. Es ist nicht allzu schwierig, die Unterschiede zwischen den steifen und gehemmten Cocktailpartys und einem enthemmten ländlichen „Get-Together“ zu bemerken. Ähnlich offensiv gibt uns Carys studierende Tochter Kay mit ihren psychologischen Theorien, die sie gelernt, aber noch nicht ganz verstanden zu haben scheint, einige Anreize. Doch auch darüber hinaus lassen sich im Panoptikum der Nebenfiguren einige spannende Nuancen finden. Es gibt Regeln und Standards in der gehobenen Gesellschaft, nur gelten diese nicht immer für alle gleich. Status und Statussymbole sind wichtiger als die Wahrheit oder als freundschaftliche Nähe. Und nicht zuletzt wird ein neues TV-Gerät zum ultimativen Kerkersymbol einer einsamen Frau.
Natürlich ist der Film eine Zeitreise, eine Zeitkapsel, die man zwar – wie oben genannter Todd Haynes bewiesen hat – nur zu leicht auf heutige Themen übertragen kann, die aber dennoch etwas Altmodisches hat. Es ist auch eine Zeitreise in das US-Kino der 50er und „Was der Himmel erlaubt“ ist dabei einer der schönsten Farbfilme dieser Zeit. Die Bildgestaltung ist so betörend, wie die Farben intensiv sind. Der Film beginnt im feinsten gold-roten Neuengland-Herbst und entführt in eine winterliche Landschaft, die in den richtigen Momenten kalt und abweisend und in anderen Momenten träumerisch und bezaubernd ist. Das Dilemma um die Liebe zwischen Cary und Ron ist im Grunde leicht gelöst, wenn es doch nur so leicht umzusetzen wäre. Dies weiß im Grunde auch Douglas Sirk, der den visuellen Kitsch in einigen Szenen bis zur ironischen Überzeichnung treibt. Und genau das macht „Was der Himmel erlaubt“ noch heute so sehenswert; eine hochemotionale, wunderschön inszeniert und von zwei absoluten Topstarts verkörperte Liebesgeschichte, aber eine mit Biss, mit versteckten und doch spürbaren Ecken und Kanten.
Auf DVD/BD erhältlich.
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