BG Kritik: „Argo“

8. Januar 2020, Christian Westhus

Ben Afflecks 2013 als bester Film bei den Oscars ausgezeichneter Politthriller nach realen Begebenheiten. Es ist 1980: Aufstand im Iran. Das wütende Volk vertreibt den dekadenten Schah, der sein Volk hungern ließ, aus dem Land. Als die USA den flüchtigen Diktator aufnehmen, kommt es an der amerikanischen Botschaft in Teheran zu Protesten, bis das Gebäude gestürmt wird. Sechs amerikanische Diplomaten können untertauchen, schweben in der iranischen Öffentlichkeit aber weiterhin in Gefahr. Sie haben keine Chance, das Land zu verlassen. Bei kanadischen Diplomaten versteckt, entwickeln die CIA und Agent Tony Mendez einen irrwitzigen Plan zur Rettung der Diplomaten. Getarnt als Filmteam, das im Iran Drehorte für einen trashigen Science-Fiction B-Film sucht, reist man ins Land und versucht die Amerikaner bei der Rückreise mitzubringen.

Argo
(USA, UK 2012)
Regie: Ben Affleck
Darsteller: Ben Affleck, Bryan Cranston, Alan Arkin, John Goodman
Kinostart Deutschland: 08. November 2012

(Diese Kritik erschien ursprünglich zum Kinostart des Films im November 2012.)

Ben Affleck ist immerhin schon ein Oscar-Gewinner. Man vergisst manchmal, dass der Mann relativ zu Beginn seiner Karriere für das Drehbuch von „Good Will Hunting“ zusammen mit Kollege und Kumpel Matt Damon bereits bewiesen hatte, dass er nicht einfach nur ein Hollywoodschönling mit berühmten Frauen an seiner Seite ist. Oder war. Als Schauspieler nur selten wirklich ernst genommen, erarbeitet sich Affleck seit ein paar Jahren seinen eigenen zweiten Frühling. „Argo“, seine dritte Regiearbeit, ist nach den beachtlichen „Gone Baby Gone“ und „The Town“ ein weiterer Schritt nach vorne im Regieschaffen Afflecks. Eine seine besten Darstellerleistungen liefert er in der Hauptrolle als CIA-Befreiungsexperte Tony Mendez ganz nebenbei auch noch ab. Es ist nicht verwunderlich, was Affleck an dieser Figur und an dieser Geschichte reizte. Mendez, ein von Frau und Sohn getrennt lebender Mann, getrieben von Idealen und dem Wissen, zumindest eine Sache im Leben zu können, mit vielen anderen Dingen aber Probleme zu haben, soll der Retter und Erlöser für eine Organisation und ein Land werden, die sich im internationalen Tumult nach einer friedlichen Beruhigung der Umstände sehnen.

Der Plan, den Mendez notgedrungen und aus Mangel an Alternativen entwickelt, ist so absurd wie genial. Mendez sucht die Hilfe von Hollywood-Maskenbildner John Chambers auf, der für seine Arbeit an den „Planet der Affen“ Filmen berühmt wurde. Ein fingierter Film soll in Hollywood finanziert, besetzt und beworben werden, damit auch die iranischen Medien wissen, dass bald ein Science-Fiction Abenteuer namens „Argo“ in die Kinos kommt. John Goodman in der Rolle als Chambers und Alan Arkin als alteingesessener Produzent, der, wenn er den Quatsch schon mitmacht, wenigstens einen guten Tarn-Film machen will, sorgen mit Witz und Ironie für die nötige Auflockerung zwischen absurder Hollywood-Charade und leidvollem Ernst im zerrütteten Iran, dessen Tumult auch auf amerikanische Straßen abfärbt.

© Warner Bros.

Wäre es nicht wahr, man würde es nicht glauben, aber Affleck und sein Team sind zutiefst bemüht darin, die Authentizität der Geschichte jederzeit sichtbar zu machen. Schon zu Beginn, bei einem kurzen Marsch durch die iranische Geschichte, setzt man auf Fakten. Die Proteste vor der Botschaft und die anschließende Stürmung werden fast nahtlos mit historischen Aufnahmen kombiniert oder sind mit spürbarem Aufwand in Kostümen, Ausstattung, Maske und Kameraposition nachgestellt. So präsentiert der Film im Abspann noch Vergleichsfotos, Original und Fälschung, von Orten, Personen und Begebenheiten, die umso stärker wirken, nachdem man den Film gesehen hat. Dieses Verhältnis aus Original und Fälschung, Wahrheit und Fiktion, Tarnung und Täuschung, ist das große Thema des Films. Denn „Argo“ ist bei all den Nachstellungsbemühungen nur sekundär ein historischer oder gar politischer Film. Das kann man als Schwäche auslegen, doch es gibt genügend Details, wie die USA selbst an der Eskalation beteiligt waren, dass der Schah tatsächlich mehr Diktator denn Befreier war, um zu vermeiden, dass diese Stilisierung amerikanischer (und kanadischer) Helden zu einseitig verläuft. Dass „Argo“ unterm Strich jedoch mehr Unterhaltungsfilm denn politisch-journalistisches Engagement sein will, wird nur zu schnell deutlich.

Affleck inszeniert „Argo“ gerade in der zweiten Hälfte als Thriller, als Suspense-Übung mit Techniken, die Geistesvater Alfred Hitchcock Bewunderung abringen dürften. Afflecks Tempo ist dabei bedächtig, wird nur selten angezogen und verlässt sich lange Zeit ausgiebig aufs gesprochene Wort. Wenn man so will ist „Argo“ ein langsamer Film, aber einer, der mit seinem immer mal wieder eingestreutem Humor, mit seiner so spannenden wie unterhaltsamen Prämisse jederzeit fesselt. Affleck weiß, wie er die stete Gefahr der Enttarnung mehrfach originell nutzt und bis zum Letzten auskostet, wie er die aufgewühlte Psyche der Diplomaten nach sechs Monaten „Hausarrest“ einsetzt, um die Gruppendynamik zu verschärfen. Ein Besuch mit dem neu gebildeten „Filmteam“ in der Öffentlichkeit ist Dramatik pur und eine Nebenhandlung um eine junge iranische Frau macht von der anderen Seite Druck auf das Unterfangen, auch wenn dieser Nebenhandlungsstrang gerne etwas ausführlicher hätte behandelt werden können. Affleck montiert gelungen zwischen kanadischem Diplomatenhaus, dem CIA Hauptquartier in Langley und dem Produzentenbüro in Hollywood, kombiniert Agenten mit Schlips und Hemd mit legeren Filmemachern ohne Schlips im offenem Hemd und mit den hornbebrillten, psychisch angespannten Diplomaten. Nicht zuletzt dank der durchweg ideal besetzten, glänzend aufgelegten Darsteller und der detailreichen Ausstattung ist es so fesselnd wie unterhaltsam, ohne den Ernst der Lage je komplett zu vergessen. Ein spannendes Hin und Her, das seinen Höhepunkt logischerweise am Flughafen hat, wenn es daran geht, den tatsächlichen Heimweg anzutreten.

Fazit:
Thrillerspannung statt politisches Hin und Her. Ben Afflecks dritter Film als Regisseur ist ein starkes Stück. Keinesfalls oberflächlich, toll gespielt und spannend inszeniert, erfordert „Argo“ Geduld und Aufmerksamkeit, die jedoch belohnt wird. Sehenswert.

7/10

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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