BG Kritik: „Wet Hot American Summer“

31. August 2019, Christian Westhus

Verrückte Komödie mit Starbesetzung, auch wenn die meisten Stars damals noch keine waren: Der letzte Tag im Firewood Sommercamp von 1981. Bevor am nächsten Morgen Kinder, Jugendliche, Aufseher und Animatoren zurück in die Heimat und ins wahre Leben aufbrechen, erleben sie alle unterschiedliche Geschichten und Abenteuer verschiedenster Art.

Wet Hot American Summer
(USA 2001)
Regie: David Wain
Darsteller: Janeane Garofalo, Paul Rudd, Bradley Cooper, Amy Poehler, Elizabeth Banks, Michael Ian Black, Marguerite Moreau, Michael Showalter, David Hyde Pierce, Ken Marino uvm.
Veröffentlichtung Deutschland: 22. Oktober 2002 (DVD)

(Diese Kritik erschien im Rahmen der Kritikenreihe Treasure Monday, ursprünglich veröffentlicht im Juni 2014.)

Man schaue sich nur mal die Liste der Darsteller an. So viele Namen, die heute zur Speerspitze der US TV- oder Kino-Comedy zählen, hatten in „Wet Hot American Summer“ einen ihrer ersten Auftritte. Und doch ist die unglaublich klein budgetierte Sommercamp-Komödie von 2001 nicht so bekannt, wie Bradley Cooper, Paul Rudd, Amy Poehler und Elizabeth Banks heute sind. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass der Film häufig als „American Pie“ Ableger im Sommercamp beworben wurde. Weil „damals im Ferienlager“ und „Flöte“ und so.

Dabei ist „Wet Hot American Summer“ eine ganz eigene Art von nahezu zeitloser, weil retrofizierter Originalität. Ein Film von 2001 stellt ein Sommercamp von 1981 nach und das nicht nur äußerst authentisch, sondern auch mit einem Humor, den man vielleicht als Ironie bezeichnen könnte, auch wenn man damit nur die Oberfläche ankratzt. Wir sehen Sommercamps durch ein ganz eigenes schrilles Prisma. Selbst wenn man nicht mit eigenen Ferienlager-Erfahrungen ausgestattet ist oder dutzendweise Sommercampfilme (u.a. die Bill Murray Komödie „Meatballs“ fällt da ein) herunterbeten kann, entwickelt „Wet Hot American Summer“ eine ganz eigene Humorsprache.

Der Film ist wie eine Parodie von allem, was in den 70ern und insbesondere den 80ern Jugendgefühl und sommerliche gute Laune versprühen wollte, was dann irgendwann sogar Filme wie „Die Bären sind los“, „Breakfast Club“ und „Dirty Dancing“ einschließt. Es ist eine Parodie, die überwiegend ohne plumpe Direktzitate auskommt, sondern Figuren, Handlungsstränge, Klischees und Stimmungen aufgreift, durch den Fleischwolf dreht und kunterbunt verballhornt wieder ausspuckt. So werden dann durch die gefühlten 325 Handlungsstränge und Subplots irgendwann auch sämtliche nur erdenkliche Klischee-Enden derartiger Filme durchgespielt. Oder eben nonchalant ins Gegenteil (oder etwas ähnlich Absurdes) gekehrt. Und das Schöne an dieser Parodie ist, dass es Parodie ohne Spott ist. Man muss sich am Ende nicht fürs Ferienlager, für gewisse Filme schämen oder sich gezwungen sehen, diesen fortan mit negativem Spott zu begegnen. Das Lebensgefühl ist echt und die Figuren, auch wenn sie extrem überzeichnete Stereotypen sind, haben einen echten, authentischen Kern.

© North Coast Group / Kinowelt

Die Handlung fokussiert sich überwiegend auf die jung-erwachsenen Aufpasser und Animateure, gespielt von vielen „Damals noch nicht“-Stars in Früh- oder Erstrollen, die allerdings auch häufig nur bedingt glaubwürdig als Teenager durchgehen müssen. Ein schüchterner Loser will eine Kollegin erobern, die sich aber lange nicht von ihrem Freund loseisen kann. Dieser Freund, gespielt von Paul Rudd, ist eine unsäglich großkotzige Dumpfbacke, durch die Paul Rudd eine der besten Szenen seiner Karriere hat, wenn er widerwillig Geschirr vom Boden aufheben muss. Einem aggressiven Vietnam-Veteran platzen als Freud’sche Versprecher Wahrheiten über absurde Fetische heraus, ein erfolgloser Uni-Professor tut sich mit den Nerds zusammen, die Camp-Leiterin ist frisch verliebt und eine frisch geschiedene Aufseherin bekommt therapeutische Eheberatung von Zehnjährigen. Dies ist nicht die Realität, dies ist ein Zerrspiegel aus Nostalgie, Wehmut und infantilem Spaß. „He needs to experience The Ultimate,” sagt ein Mann zu seinem Kumpel im Bezug auf einen dritten Kumpel, den sie endlich mal verkuppeln wollen. “You mean penis in vagina?” – “No, dickhead. Sex.” Was im Anschluss an diesen grenzgenialen Dialog in der Hütte passiert ist fast schon revolutionär.

Was zunächst recht bodenständig beginnt – mit vorpubertären Jungen, die sich früh morgens aus den Betten der gleichaltrigen Mädchen schleichen und zurück in ihre Camp-Hütten gehen – ist irgendwann ein bizarres Sammelsurium an Nebenhandlungen, verrückten Einfällen und sketschartigen Einschüben. Spätestens bei einem Ausflug in die Stadt ändert sich alles, wenn einige Aufpasser innerhalb einer Stunde sämtliche Drogenhöllenklischees durchmachen und bei der Rückkehr ins Camp so wirken, als sei nichts davon wirklich passiert. Das alles präsentiert in einer bewusst dämlichen, überstilisierten und irgendwie sogar kitschigen Klischee-Montage mit Popmusik. Und es gibt weitere grandiose Trainingsmontagen, wir sehen Paul Rudds aggressive Kuss-Technik, Ausgesetzte Kinder, Barbecue Sauce im Gesicht und sprechende Nahrungsmitteldosen. Das alles innerhalb eines einzigen Tages, der für die Campteilnehmer so bedeutsam geworden ist, dass er wie mehrere Wochen wirkt. Manche von David Wains Ideen grenzen an Albernheiten oder sind schlicht zu absurd, um wirklich einen Bezug aufzubauen, doch die meiste Zeit über ist „Wet Hot American Summer“ ein herrlich verrückter Spaß mit einigen herrlich verrückten Momenten und gut aufgelegten Darstellern.

Fazit:
Liebevoll bescheuerte Tour durchs 80er Sommercamp, gespiegelt durch Comedy-Größen der 2000er. Herrlich albern, manchmal zu albern und doch schwer sympathisch.

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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